DOMRADIO.DE: Wie prägen die Stromabschaltungen Ihren privaten Alltag?
Stefan Hippler (Katholischer Priester und AIDS-Aktivist in Kapstadt): In der Tat ist es eine Katastrophe für den privaten Alltag. Man wacht auf und kann keinen Kaffee kochen. Man fährt zur Arbeit und die Ampeln funktionieren nicht. Und weil meistens nur ein Teil der Stadt abgeschaltet ist, kommt man dann oft genau dort an, wo die nächste Abschaltung ist.
Stromabschaltungen verfolgen einen den ganzen Tag und vermiesen einem das Leben, weil vieles länger dauert, die Menschen mehr zu Aggressivität neigen und Geschäfte nicht funktionieren. Das ganze Leben steht Kopf.
DOMRADIO.DE: Südafrika ist ein Land mit hoher Kriminalität. Begünstigen stundenlange Stromausfälle nicht auch Diebstähle oder andere Delikte?
Hippler: Richtig, das kann ich auch aus der Straße berichten, in der ich wohne. Die Anzahl der Autos, die aufgebrochen werden, ist gerade dann besonders hoch, wenn es dunkel ist. Auch Einbrüche passieren wesentlich häufiger, wenn es zu "Loadsheddings", wie man Lastabwürfe hier nennt, kommt.
DOMRADIO.DE: Sie arbeiten als AIDS-Aktivist in einem Township, einer Siedlung aus Wellblechhütten. Inwiefern sind Sie und die Menschen, die dort leben, von den Strom-Abschaltungen betroffen?
Hippler: Wir sind im Township genauso betroffen wie auch in der Stadt, auch dort gibt es teilweise keinen Strom. Townships haben sogar noch ein besonderes Problem. Wenn der Strom abgeschaltet ist, kann man sehr gut Stromkabel klauen. Wir haben dann, wenn der Strom eigentlich wiederkommen sollte, immer noch keinen Strom, weil die Kabel verschwunden sind.
Statt viereinhalb oder acht Stunden haben wir also zwölf oder 50 Stunden lang keinen Strom, was natürlich das Arbeiten ungemein erschwert, auch für die Kollegen und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ich habe. Sobald der Laptop keinen Strom mehr hat, ist es aus.
DOMRADIO.DE: Im Township und natürlich im ganzen Land gibt es unverzichtbare Infrastruktur, wie beispielsweise Kliniken. Kriegen die wenigstens Strom vom Energie-Hauptversorger des Landes, dem Stromkonzern Eskom?
Hippler: Leider nur bedingt. Es gibt ein paar Kliniken, die versorgt werden. Viele Kliniken werden nicht versorgt, haben Notstromaggregate und versuchen es mit Diesel, solange sie ihn haben. Aber wir haben auch Menschen, die sterben, weil sie daheim Strom brauchen, um Atemgeräte und andere lebenswichtige Gerätschaften nutzen zu können.
Das ist eine Riesenkatastrophe. Die einzigen, die wirklich die ganze Zeit Strom haben, sind unsere Minister und der Präsident.
DOMRADIO.DE: Sie sind katholischer Priester, zelebrieren regelmäßig als Vertretungspriester die Heilige Messe in Kapstadt. Inwiefern ist in der Kapelle der deutschen Gemeinde der Stromausfall ein Thema?
Hippler: Es ist nicht nur bei der deutschsprachigen Gemeinde, sondern insgesamt in jeder Kirche ein Thema. Denn wenn Strom abgeschaltet wird, sind auch die Kirchen dunkel. Manchmal rennt man fast zum Schlusssegen, bevor das Licht ausgeht. Letztes Mal habe ich es sogar geschafft, dass mit dem Schlusssegen der Strom ausging.
DOMRADIO.DE: Die Stromkrise ist auch wirtschaftlich ein großer Bremsklotz. Jetzt hat der Präsident den Notstand ausgerufen. Was ändert sich dadurch? Wird es besser?
Hippler: Ob es besser wird, fragen wir uns alle. Aber wir glauben nicht daran. Den Notstand auszurufen, ist eine Sache – wirklich etwas zu tun, eine andere. Der Notstand beseitigt weder die Korruption noch die Sabotage.
Der Notstand erleichtert vielleicht die Geldflüsse, aber das bedeutet in Südafrika auch immer mehr Korruption. Für die Wirtschaft ist das ein Desaster. Weil wir mehr oder weniger bereits seit 2014 in dieser Krise stecken, sind wir da wenig optimistisch.
DOMRADIO.DE: Sie leben seit 25 Jahren in Südafrika und wissen, wie das Land tickt. Wird sich die Stromversorgung in naher oder ferner Zukunft verbessern?
Hippler: In ferner Zukunft muss sie sich verbessern, wenn Südafrika auch wirtschaftlich einen Platz auf dieser Welt haben will. Aber es wird ein langer Weg. Wir werden sicherlich viel erneuerbare Energie brauchen, haben aber einen Energieminister, der eher auf Kohle statt auf erneuerbare Energien setzt. In der Hinsicht ist ein Umdenken in der Politik sehr vonnöten.
Das Interview führte Katharina Geiger.