Stummfilmklassiker wird mit Orgelimprovisation begleitet

110 Minuten spontane Untermalung

In Sankt Aposteln in Köln wird der Stummfilmklassiker "Die Passion von Johanna von Orléans" gezeigt. Ein junger Organist improvisiert dazu die Begleitmusik. Ludwig Goßner ist von dem Künstler begeistert und freut sich auf den Film.

 © Vladimir Batishchev (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Filmmusik sollte in der Stummfilmzeit von akustischen Störfaktoren ablenken. Wie ist das bei Ihnen? Am Samstag sitzt George Warren, ein begabter junger Organist an der Orgel.

Ludwig Goßner (Kommissarischer Basilikakantor von St. Aposteln in Köln): Ich hoffe, dass es nicht allzu viele Störfaktoren gibt. Der Organist ist tatsächlich sehr jung, er ist 23 oder 24 Jahre alt, studiert in Köln an der Hochschule für Musik und Tanz Kirchenmusik Er ist ein fantastischer Organist und ein ebenso fantastischer Improvisator, der dann immerhin für 110 Minuten Musik beisteuern soll.

DOMRADIO.DE: Haben Sie mitbekommen, wie er sich auf die Film Begleitung vorbereitet?

Jean d'Arc / Johanna von Orléans / © n. n.  (KNA)
Jean d'Arc / Johanna von Orléans / © n. n. ( KNA )

Goßner: Er hat sich den Film auf DVD gekauft und angesehen, damit er weiß, wann was passiert. Er wird spontan reagieren und die Musik dazu spielen. Er hat im Vorfeld natürlich bestimmte Klangfarben auf der Orgel einregistriert – so heißt der Terminus – und ruft das dann im geeigneten Moment ab. Aber der überwiegende Teil ist ganz spontan.

DOMRADIO.DE: 110 Minuten Improvisation am Stück, ist das schwierig?

Goßner: Da müssen Sie George Warren fragen. Ich könnte es nicht so gut. Das ist schon sehr anspruchsvoll. Als Organist muss man natürlich improvisieren, aber in der Regel nur ein paar Sekunden oder ein paar Minuten. Da sind 110 Minuten schon eine ganz andere Hausnummer. Das schafft nicht jeder, 110 Minuten gut zu improvisieren.

DOMRADIO.DE: Es gehört also auch eine gewisse Begabung dazu. Das kann also spannend werden. Was genau erfahren wir im Film über das Leben der Jungfrau von Orleans?

Goßner: Es geht über das Leben selber, nur über den letzten Abschnitt, als sie in Gefangenschaft kam und der Klerus, die Kirche, versucht sie zur Rücknahme ihrer Ketzerei zu bewegen. Sie wehrt sich standhaft. Es ist ein Hin und Her der Gefühle, aber letztendlich widerruft sie ihre Worte nicht und wird dann verbrannt.

DOMRADIO.DE: Der Film gilt als ein Meilenstein in der Filmgeschichte. Er steht auch in der Film-Liste des Vatikan. Da werden insgesamt 45 Filme aufgeführt, die der Heilige Stuhl für besonders empfehlenswert hält. Was macht ihn so besonders?

Alte Filmrollen und Filmklappen / © Jag_cz (shutterstock)
Alte Filmrollen und Filmklappen / © Jag_cz ( shutterstock )

Goßner: Ich bin kein Film-Spezialist und ich habe den Film auch selber noch nicht gesehen. Aber es soll wohl die Regie sein. Die Art und Weise, wie mit Technik und Schnitt umgegangen wurde, galt damals als ein Novum in der Filmgeschichte.

DOMRADIO.DE: Passt Orgelmusik für Sie da? Hätte man den Film damals vielleicht mit einer ganz anderen Musik untermalt?

Goßner: Das würde ich nicht sagen. In den Kinos gab es natürlich Klaviere, aber es gab auch sogenannte Kino-Orgeln, die heute eine Rarität sind. Wenn heute eine Kino-Orgel auftaucht, wird die gehegt und gepflegt. Die Technik ist im Grunde wie bei der richtigen Orgel mit Pfeifen und allem drum und dran, allerdings hat sie viel mehr Spielhilfen, so, dass man Klänge schneller wechseln kann. Aber die Orgel selber, als Begleitinstrument, ist nichts Außergewöhnliches.

DOMRADIO.DE: Von jetzt bis zum 19. November gibt es noch zwei weitere Stummfilme, die in Sankt Aposteln gezeigt werden sollen. Was finden Sie persönlich reizvoll an Stummfilmen?

Goßner: Es sind erst mal gute Filme und es spielt für mich nicht die große Rolle, ob da jetzt Musik vom Band oder ob Text gesprochen wird. Für mich geht es um die Filme selber, wie die gemacht worden sind, um die Aussage und die Spannung, die der Film erzeugt. Ob es eine spannende Geschichte ist, die erzählt wird.

DOMRADIO.DE: Werden Sie mehr auf die Musik als auf das Bild achten?

Goßner: Beides. Ich kenne die Musik nicht. Niemand kennt die außer George Warren. Ich kenne den Film ja selber noch nicht. Das ist in gewisser Weise ein Gesamtkunstwerk.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Filmliste des Vatikan

In der Filmliste des Vatikans werden 45 Filme aufgeführt, die aus Sicht des Heiligen Stuhls sehr empfehlenswert sind. Sie wurde 1995, anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Kinos erstellt. Die Filme sind unterteilt in die drei Kategorien Religion, Werte und Kunst. In jeder Kategorie gibt es 15 Filme.

Die Liste umfasst Komödien, Horrorfilme, Stummfilme, Western und Kriegs- und Animationsfilme genau wie Science-Fiction-Streifen.

Zuschauer in einem Kinosaal / © Soho A Studio (shutterstock)
Zuschauer in einem Kinosaal / © Soho A Studio ( shutterstock )
Quelle:
DR