DOMRADIO.DE: Am 2. Januar ist Science-Fiction-Tag. Weltraum, Aliens, Außerirdische und ferne Planeten verbinden wir damit – aber auch Religion. Welche religiösen Motive finden wir in Science-Fiction-Filmen?
Prof. Linus Hauser (Theologe): Ich würde eher fragen, welche finden sich nicht? Science-Fiction gehört in den Kontext einer großen Religionsgeschichte. Ein Beispiel aus ganz frühen Zeiten der Menschheit ist der Schamane eines kleinen Stammes - also der Mensch des Stammes, der sich mit den göttlichen Sphären verbindet. Da wurde von den Unterwelten erzählt und über die himmlischen Oberwelten.
Der Schamane bringt sich in Trance und klettert auf eine Birke, die Birke symbolisiert verschiedene Stufen. Später nennt man so etwas Hemisphären. Oder der Schamane geht in eine Höhle und begegnet in der Trance diesen Mächten. So etwas nennt man religionswissenschaftlich eine Jenseitsreise. Diese ist ein wesentlicher Anknüpfungspunkt im Hinblick auf Science-Fiction.
DOMRADIO.DE: Können Sie das an einem konkreten Beispiel erläutern?
Hauser: Ab dem dritten Jahrhundert gibt es Reden und Texte, die zusammengefasst werden im sogenannten äthiopischen Henochbuch. Darin gibt es eine Schilderung. Der Visionär schrieb: 'Und dann geschah es, dass mein Geist entrückt wurde. Und er stieg empor in den Himmel. Und ich sah die Kinder der heiligen Engel auf Feuerflammen treten, und ihre Gewänder waren weiß. Und ihre Kleidung und die Herrlichkeit ihres Angesichts waren wie Schnee.' Manchmal wird auch erzählt, dass einer der Götter oder Göttinnen Leute in die Himmels-Sphären hinaufbringt und ihnen die Ordnung des Kosmos zeigt. Das ist ein ganz wichtiges Element: Der Blick auf eine Ordnung, die auf der Erde vielleicht in Frage gestellt wird.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen Erlöserfiguren in den Science-Fiction-Geschichten? Gibt es da auch Parallelen zur Religion?
Hauser: Ja, natürlich. Religion hat als ein wesentliches Motiv die Hoffnung auf einen Heilsbringer, auf eine Persönlichkeit, die alles wendet. Einer der ganz großen Science-Fiction-Romane unserer Zeit ist "Dune - Der Wüstenplanet" von Frank Herbert. Das ist eine lange Geschichte über das Auftreten von Heilsbringern und auch die technische Hervorbringung von Heilsbringern. Das ist ein wesentliches Motiv.
DOMRADIO.DE: In der Bibel gibt es die Auserwählten, die zum Beispiel auf der Arche Noah gerettet werden. Haben sich die Science-Fiction-Autoren auch an diesem Bild bedient?
Hauser: Ja, das ist das Modell einer geretteten Gemeinschaft, die ein besonderes Wissen hatte und sich dadurch retten konnte. Das Motiv findet sich überall, dass man mit einem Raumschiff die Erde verlässt, weil die Erde untergeht, oder dass man mit einem Raumschiff irgendwo landet und dort die Lösung für unsere Weltprobleme findet.
Diese Hoffnung finden Sie auch bei der NASA. Es gibt diese berühmten Voyager-Sonden mit dem Voyager Golden Record, mit Informationen über die Menschheit für Außerirdische. Einer der Entwickler dieser Platten hat einmal gesagt, dass er sich erhoffe, dass Außerirdische diese Platten finden und sich mit uns in Kontakt setzen. Selbstverständlich ist für ihn anscheinend auch, dass wir dann nicht in die Bergwerke kommen, sondern dass sie uns dann das Geheimnis der Unsterblichkeit mitteilen.
DOMRADIO.DE: Letztendlich geht es immer wieder um das Ringen von Gut gegen Böse. Gibt es dabei auch einen christlichen Einfluss auf die Science-Fiction-Filme?
Hauser: Ich würde jetzt weniger sagen christlichen, sondern mehr jüdischen, und zwar über das Grundmodell der Apokalyptik. Das ist im Judentum entwickelt worden. Das gibt es allerdings auch in anderen Kulturen. In einer extremen Notsituation wird ein Weltmodell entwickelt, in dem ein Visionär auf seiner Jenseitsreise in die Sphären nicht nur die göttliche Ordnung sieht, sondern die gesamte Weltgeschichte: den Sündenfall der Menschen, die ganze Religionsgeschichte, die Stadien der Kirchengeschichte und am Schluss das Wiederkommen. Der Messias kommt zum Gericht. Das ist das Motiv einer moralisch interpretierten und durch Gott konstituierten Heilsgeschichte.
Das Interview führte Carsten Döpp.