Das sagte Halik vor der Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds in Krakau. "Ich bin überzeugt, dass wir es hier mit dem möglichen Beginn einer neuen Reformation des Christentums zu tun haben, die sowohl auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil als auch auf der pfingstlichen Neubelebung des weltweiten Christentums aufbaut.
Eine Reform der Kirche müsse viel tiefer gehen als eine bloße Reform der Institutionen, so der Theologe. Notwendig sei eine Neuentdeckung der spirituellen und existenziellen Dimensionen des Glaubens.
Intellektuellen und Schriftsteller
Der zu Zeiten des Kalten Kriegs im Untergrund zum Priester geweihte Halik gilt als einer der wichtigsten katholischen Intellektuellen und Schriftsteller der Tschechischen Republik. Er war Berater von Vaclav Havel, dem ersten tschechischen Präsidenten nach dem Fall der Berliner Mauer.
Heute ist Halik Professor für Soziologie und Leiter der Fakultät für Religionswissenschaften an der Prager Karls-Universität. Für sein Engagement für Menschenrechte, Religionsfreiheit und interreligiösen Dialog erhielt er international zahlreiche Auszeichnungen.
Vor den Delegierten der 150 Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbunds sagte Halik, Populisten, Nationalisten und religiöse Fundamentalisten nutzten die Angst der Menschen vor einem Identitätsverlust aus. In Ländern wie Russland, wo "die letzten Kommunisten zu den ersten Kapitalisten wurden", gebe es eine wirtschaftliche, moralische und demografische Krise.
Kritik an Russland
Der Theologe verurteilte Russlands Angriff auf die Ukraine, einen "nationalen Messianismus" durch Präsident Wladimir Putin sowie die kremlnahe Haltung von Führern der russisch-orthodoxen Kirche. Kirchen, die von einem politischen Regime korrumpiert würden, beraubten sich selbst ihrer Zukunft.
Halik betonte, dass neue Wege der Verkündigung des Evangeliums zu den wichtigsten kirchlichen Aufgaben zählten. "Wir können aber nicht als arrogante Besitzer der Wahrheit auf andere zugehen", gab er zu bedenken. Nur Jesus selbst sei die Wahrheit.
Das Ziel der Mission bestehe auch nicht darin, neue Kirchenmitglieder zu rekrutieren und sie in bestehende Strukturen hineinzupressen. Viel wichtiger sei ein gegenseitig bereichernder Dialog – nicht zuletzt mit Menschen anderer Glaubensrichtungen oder ohne Glauben.