DOMRADIO.DE: Herr Professor Söding, Sie sind als Experte und Moderator bei dieser Weltbischofssynode. Wie erleben Sie die Synode?
Prof. Dr. Thomas Söding (Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Die Synode ist jetzt gestartet. Ich würde sagen, der Start ist gelungen, das Thema ist angekommen.
Es ist eine gewisse freudige Erwartung, aber nach wie vor auch Anspannung, ob es tatsächlich gelingt, sich auf dieses etwas schwierige, aber wichtige Thema Synodalität zu konzentrieren.
DOMRADIO.DE: Sie waren schon bei mehreren Synoden dabei. Was ist diesmal anders?
Söding: Anders ist, dass diesmal nicht nur Bischöfe Sitz und Stimme haben und dass dieses Zeichen doch gewirkt hat.
80 weitere Personen – ein Siebtel der Teilnehmenden – sind Frauen. Jetzt kann man sagen, das ist viel zu wenig. Aber auf jeden Fall ist das Gesicht dieser Synode schon mal deutlich anders geworden.
Es sind andere Personen, die sprechen. Es sind auch andere Themen, die gesetzt werden. Von daher war das zwar nur ein erster Schritt, aber ein wichtiger.
DOMRADIO.DE: Wie verändert die neue Sitzordnung in Tischgruppen die Kommunikation?
Söding: Das ist ein eindrucksvolles Bild, wenn dort an diesen vielen Tischen jeweils nach Sprachgruppen sogenannte Laien, Kardinäle und Bischöfe aus der ganzen Welt miteinander sitzen.
Sie haben sozusagen die Person, die aus ihrer Gruppe berichtet, unmittelbar vor sich. Auch der Papst sitzt in einer solchen Runde. Ich meine, das ist ein sehr gelungenes Zeichen.
DOMRADIO.DE: Wie werden denn die Deutschen hier aufgenommen? Im Vorfeld gab es ja heftige Diskussionen.
Söding: Es gibt sehr heftige Diskussionen. Aber es gibt natürlich auch sehr viel professionellen Respekt.
Zu Wort gemeldet haben sich ja lautstark vor allen Dingen Leute, die kritisieren. Aber die vielen, die zustimmen, die waren eher etwas leiser.
Außerdem wird jetzt auf einmal deutlich, was ja auch das "Instrumentum Laboris" gezeigt hatte: Die Themen, die in Deutschland diskutiert werden, sind weltweit Thema.
Das bestätigt sich jetzt. Die Lösungswege sind sicherlich unterschiedlich, aber ich bin jetzt als Theologe aus Deutschland etwa in der Gruppe der Expertinnen und Experten und dort vollauf anerkannt und respektiert.
DOMRADIO.DE: Wichtig ist ja, dass man – das hat der Papst ja auch gesagt – immer wieder aufeinander hört, dass man im guten Dialog ist. Können Sie vielleicht an einem Beispiel festmachen, wo das vielleicht auch schwierig ist?
Söding: Ja, es ist schwierig, weil wir jetzt in den verschiedenen Sprachen einfach unterschiedliche Gewohnheiten haben.
Allein so ein Wort wie Synodalität bedeutet dort etwas anderes, wo etwa auf der einen Seite die Orthodoxie in der Nachbarschaft sehr stark ist oder der Protestantismus auf der anderen Seite.
Von daher muss man etwa bei diesem zentralen Begriff der Synodalität auf der einen Seite die ökumenischen Resonanzen stark machen, von denen die katholische Kirche ja auch sehr viel lernen kann.
Aber auf der anderen Seite muss man eben auch deutlich sehen: Das ist das typisch Katholische, also Synodalität mit dem Papst, Synodalität mit den Bischöfen, aber jetzt auch Synodalität mit dem gesamten Kirchenvolk.
Das ist der entscheidende Punkt: Wie kommen wir zu einem gemeinsamen Verständnis? Und die Wahrheit liegt auf dem Platz. Wir müssen dann eben auch in die Konkretionen hineingehen.
DOMRADIO.DE: Hilft da – und der Papst hat ja auch das allen Delegierten ans Herz gelegt – ein Blick in die Bibel? Was sagen Sie als Bibelwissenschaftler dazu?
Söding: Der Blick in die Bibel ist natürlich wichtig und er ist auch intensiv. Es ist so, dass hier die biblischen Texte eher im Hintergrund stehen. Sie sind Teil der Liturgie, das ist gut.
Es gibt Predigten oder kurze Ansprachen, das ist auch gut. Die Methode des geistlichen Gespräches hat gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Bibelteilen. Aber es ist nicht so, dass von der Bibel her argumentiert wird. Die Bibel ist aber sozusagen als Hintergrund wichtig.
Denn diese Idee, dass die Kirche zusammenkommt, um über den Glauben zu sprechen, dass nicht die einen alles wissen und die anderen alles nur zu lernen haben, das ist ja der ursprüngliche Aufbruch, der das Christentum überhaupt prägt und stark gemacht hat.
Von daher meine ich, dass da noch etwas mehr kommen kann. Aber das wird ja auch die Aufgabe der Theologiegruppe sein, hier noch einmal den biblischen Resonanzboden zu verstärken.
DOMRADIO.DE: Der Aufbruch ist gelungen. Wenn Sie jetzt einen Wunsch frei haben, wohin muss sich die Synode deutlich bewegen?
Söding: Sie muss jetzt weiter klar sein in der Wahrnehmung von Problemen. Sie darf sich keinerlei Illusionen hingeben.
Ich weiß, dass etwa die Vorstellung, die Kirche ist eine glückliche Familie, großartig ist und eine starke Attraktivität für viele hat.
Aber es ist ja keineswegs das einzige Bild, das die Bibel der Kirche mit auf den Weg gibt – also bitte keine Illusionen, sondern kritisch bleiben und konstruktiv werden.
Man muss auf der anderen Seite aber auch ganz deutlich von Anfang an sagen: Eine Synode ist kein Konzil.
Es ist nicht möglich, hier jedes dogmatische Problem nicht nur zu besprechen, sondern auch schon zu lösen oder hier jetzt vor Ort das Kirchenrecht zu ändern.
Was aber notwendig und wichtig ist: Dass man diese Probleme, die die Kirche hat, nicht unter den Teppich kehrt – Stichwort systemische Strukturen des Missbrauchs.
Diese Probleme müssen klar und deutlich ausgesprochen und Lösungen angegangen werden.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.
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