DOMRADIO.DE: Sie saßen im Präsidium des Synodalen Weges in Deutschland und sind als Experte – also Mitglied ohne Stimmrecht – bei der Weltsynode. Wenn Sie auf den Synodalen Weg in Deutschland und die Weltsynode schauen, worin unterscheiden sich die beiden?
Prof. Dr. Thomas Söding (Bibelwissenschaftler, Lehrstuhlinhaber für das Neue Testament an der Ruhr-Universität Bochum und Experte, Mitglied ohne Stimmrecht der Weltsynode): Im Synodalen Weg in Deutschland sind wir nie einen Sonderweg gegangen, wie manche uns unterstellt haben, sondern wir haben bestehende synodale Strukturen, die es schon lange in Deutschland gibt, unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals konstruktiv und markant weiterentwickelt. Damit machen wir auch weiter, um uns mit den weltsynodalen Prozessen auseinandersetzen zu können. Denn um die geht es jetzt in der zweiten Generalversammlung der Weltsynode im Oktober.
Auf der Weltebene zeigt sich, wie unterschiedlich die katholische Kirche aufgestellt ist. Es zeigt sich, wie divers die Voraussetzungen sind, aber auch, wie groß der Wille ist, nicht auseinander zu gehen, sondern zusammenzuhalten und sich zu verständigen. Daher bin ich sehr optimistisch. Die katholische Kirche hat gezeigt, dass sie sich synodal reformieren muss. Es wird nicht das eine Modell für die Weltkirche geben, aber das, was wir in Deutschland machen, wird in dieses Spektrum hineingehören.
DOMRADIO.DE: Meinen Sie mit diesem Spektrum, dass bei der Weltsynode unterschiedliche Tempi beschlossen werden könnten?
Söding: Ich sehe einen Hebel, um diesen Einheitsgedanken, der für die katholische Kirche tatsächlich wichtig ist, nicht als Propaganda von Uniformismus zu verstehen. Es ist sehr gut, dass das im Arbeitsinstrument der Synode formuliert worden ist. Die katholische Kirche braucht verlässliche Strukturen. Nicht nur auf der globalen Ebene, sondern auch auf der kontinentalen und der nationalen Ebene sowie in den einzelnen Diözesen und Pfarreien.
Bislang ist das viel Rhetorik und relativ wenig juristisch hinterlegt. Aber es ist markiert, dass es hier kirchenrechtlicher Regelungen bedarf. Ich hoffe, dass diese entsprechend angestoßen werden. Ansonsten zögere ich mit diesem Bild der unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu arbeiten, weil ich ein anderes Bild wichtiger finde.
Kirche muss jeweils Kirche vor Ort sein. Daher ist diese Unterschiedlichkeit der Kontexte als eine Herausforderung wahrzunehmen. Im Dialog wird auf der einen Seite immer deutlicher, was heute die frohe Botschaft ist, die wir in Wort und Tat verkünden können.
Auf der anderen Seite wird deutlich, welche Impulse wir von der Welt aufnehmen können, in der wir leben. Das wird von einigen wenigen hoch ideologisch betrachtet, von sehr vielen aber in einer größeren und tieferen pastoralen Offenheit. Ich hoffe, dass diese Stimmen gehört werden.
DOMRADIO.DE: Es stellt sich die Frage, wie viel sich konkret tatsächlich ändern kann. Konfliktthemen wie die Frauenweihe wurden aus den Beratungen ausgegliedert. Wie finden Sie dieses Vorgehen?
Söding: Ich bin gespannt, wie die Diskussionen in der Synodenaula sein werden. Denn als "Experte" kann ich sagen, dass das Thema präsent ist, weil es weltweit präsent ist. Die katholische Kirche hat keine schlüssige Antwort auf das, was viele die Frauenfrage nennen, aber längst eine Antwort gebraucht hätte. Es geht um Teilhabegerechtigkeit auf den verschiedensten Ebenen.
Mit dem Thema gibt es Konflikte, ja, aber wo sonst sollen diese besprochen und gelöst werden, wenn nicht auf einer solchen Synode? Schauen wir, was passiert. Auf der anderen Seite ist es so, dass dieser Gedanke der katholischen Kirche als einer synodalen Kirche der Konkretisierung bedarf. Da hoffe ich, dass starke Impulse gesetzt werden.
Wir brauchen keine dirigistischen Vorschriften, wir brauchen Selbstverpflichtungen und rechtliche Ermöglichungen, damit Synodalität im Sinne von mehr Partizipation organisiert wird. Denn dann hätten wir als Kirche die Form, in der inhaltliche Entscheidungen besser getroffen werden können.
DOMRADIO.DE: Überwiegt bei Ihnen die Befürchtung, dass am Ende die Reformkräfte enttäuscht sind, oder haben Sie die Hoffnung, dass die Weltsynode zu einem für alle Seiten befriedigenden Ergebnis kommt?
Söding: Ich habe zunächst Respekt vor der Aufgabe dort und vor dem, was sich die katholische Kirche vorgenommen hat. Wir müssen uns in Deutschland immer vergegenwärtigen, dass die Kirche eine Weltorganisation ist. Diese Weltorganisation will sich von dem Rechenschaft ablegen, was gegenwärtig ist. Das ist ihr bislang recht gut gelungen.
Jetzt muss allerdings die Konzentration auf wegweisende Entscheidungen erfolgen. Dazu möchte ich als Exeget im Moment kein prophetisches Zeugnis abgeben. Ich weiß nur, dass die katholische Kirche weltweit nicht nur in Deutschland darauf wartet, dass es klare Beschlüsse und Wegweisungen gibt.
Damit auf der einen Seite der Klerikalismus überwunden wird, der in den verschiedensten Spielarten als ein Riesenproblem der katholischen Kirche identifiziert worden ist. Und damit auf der anderen Seite die Rechte der Gläubigen und in erster Linie die Rechte der Frauen markant gestärkt werden.
Für den Synodalen Weg in Deutschland bin ich sicher, dass wir gut beraten sind, wenn wir aufmerksam, kritisch und vor allen Dingen selbstkritisch reflektieren, was in Rom bei der Weltsynode geschieht. Ich bin auf der anderen Seite optimistisch, dass man Kirchen andernorts und der Kurie im Vatikan verständlich machen kann, dass wir in Deutschland einen verantwortungsvollen Weg der markanten Synodalität gehen.
Das Interview führte Mathias Peter.