DOMRADIO.DE: Was hat es mit diesen beiden namenlosen Frauen und König Salomo auf sich?
Barbara Janz-Spaeth (Theologin und Autorin): Diese beiden Frauen in der Bibel haben jeweils ein Kind geboren. Sie lebten zusammen und eines Nachts starb eines der Kinder. Dann entbrannte ein Streit um die Frage, wem jetzt das lebende Kind gehört. Das ging so weit, dass sie bis vor den König zogen und einander beschuldigten, das Kind der anderen getötet zu haben.
König Salomo schlägt dann vor, ein Schwert zu holen und auch das überlebende Kind zu halbieren. Daraufhin schreit eine der beiden Frauen 'Nein' und 'um Gottes Willen, bitte nicht, das Kind soll leben', woraufhin König Salomo erkennt, wer die Mutter ist, die auch das Kind bekommen sollen. So geht die biblische Geschichte – kurz zusammengefasst.
DOMRADIO.DE: Wie können die beiden Frauen nach so einer fürchterlichen Situation weiterleben?
Janz-Spaeth: Die Idee der biblischen Geschichte vom weisen Urteil des Königs Salomo war, dass die Lösung des Problems damit erreicht ist. Aber ich halte das Problem letztlich nicht für gelöst. Der biblische Text unterstellt, dass die Frau, die 'Nein' schreit, die richtige Mutter ist. Das entspricht unseren moralischen Werten.
Aber es kann ja durchaus sein, dass die andere sagt 'Bitte nicht noch ein zweites totes Kind, das halten wir gar nicht mehr aus. Was haben wir davon?' Und dass sie deswegen dafür sorgt, dass das Kind überlebt. Die beiden Frauen leben zusammen, daher müssen sie auch miteinander auskommen. Sie haben ein totes Kind, ein lebendiges Kind. Wie soll das weitergehen?
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt die Mutter des Königs?
Janz-Spaeth: Normalerweise wurden Frauenthemen von der Königsmutter geregelt. Sie hatte einen hohen Einfluss am Hofe. Batseba, die Mutter des Salomo hat selbst den Tod eines Kindes erlebt. Dann kam mir die Idee, die Erzählung fortzusetzen.
Diese zwei Frauen gehen am Vorabend dieses Urteils zu Batseba, dort trauern die drei Frauen um die toten Kinder. Batseba kann in diesem Fall aber keine Entscheidung treffen und übergibt diese Aufgabe ihrem Sohn, dem König, der selber sagt: 'Wie soll man da eine gerechte Entscheidung treffen?'
Dann kommt diese typische Männergeschichte: Schwert, teilen, fertig. Und das lassen die Frauen nicht zu. In meiner Fortsetzung gehen die beiden Frauen mit dem überlebenden Kind nach Hause und die Frau, die das Kind zugewiesen bekommen hat, schlägt der anderen vor, es gemeinsam aufzuziehen.
DOMRADIO.DE: Das schreiben Sie in Ihrem Buch "Zeigt euch! 21 Porträts namenloser Frauen der Bibel". Diese Fortsetzung ist Ihnen beim Schreiben als eigene Idee gekommen. Ist das der moderne Lösungsansatz?
Janz-Spaeth: Ich kann es Ihnen ehrlicherweise nicht genau sagen. Das war auf einmal da. Natürlich auch beeinflusst von der modernen Diskussion und der modernen Perspektive, sodass die eine Frau dann sagt, lass uns gemeinsam Eltern werden.
Andererseits ist das auch keine neue Entwicklung. Jahrhundertelang haben sich Frauen zusammengetan, um ihre Kinder zu versorgen, sie zu betreuen und gemeinsam zu überleben. Anders geht es ja auch überhaupt nicht.
DOMRADIO.DE: Inwieweit hat diese Geschichte mit uns heute was zu tun?
Janz-Spaeth: Das hat was mit meinem festen Glauben zu tun, dass sich mit Gottes Hilfe ein Weg auftut, den wir auf diese Art und Weise bisher nicht gekannt haben. Der Weg, der sich öffnet, den wir vorher nicht gedacht haben. Da möchte ich Frauen auch ermutigen.
Es gibt immer noch eine Möglichkeit, die wir im ersten Moment nicht sehen, von der wir noch nichts wissen. Es gibt keine schnellen Lösungen. Aber es gibt etwas, was sich auftut, und das führt zum Guten.
Das Interview führte Dagmar Peters.
Information: Weiterführende Informationen über namenlose Frauen aus der Bibel gibt es im Buch "Zeigt euch!", erschienen im Patmos Verlag.