DOMRADIO.DE: Zum Selbstverständnis der Thomas-Morus-Akademie gehört es, Menschen ein Forum zu bieten, die Fragen stellen, neue Perspektiven suchen und sich mit kulturellen Anregungen aller Art auseinandersetzen wollen. Wie würden Sie das besondere Profil dieser katholischen Bildungseinrichtung definieren?
Andrea Hoffmeier (Direktorin der Thomas-Morus-Akademie Bensberg): Die Thomas-Morus-Akademie ist bundesweit die einzige katholische Akademie in Trägerschaft eines Laiengremiums: des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln. Daraus ergeben sich ganz automatisch einige ihrer Angebote, so auch Schulungen für ehrenamtlich Engagierte in den Gemeinden. Außerdem liegt einer ihrer Schwerpunkte im kulturellen Bereich. Da gehen die Angebote von zweitägigen Tagungen über Gespräche in Museen bis hin zu Erkundungen, also Tagesexkursionen und Ferienakademien.
Bildung an anderen Orten, also direkt "vor Ort" konkrete Erfahrungen zu ermöglichen, das ist uns ein wichtiges Anliegen und unterscheidet uns von anderen kirchlichen Akademien. So geben wir für die Ferienakademien und Erkundungen einen eigenen Katalog heraus. Darüber hinaus macht sich die TMA die Reflexion und Interpretation gesellschaftlicher, sozialer, wirtschaftlicher, politischer und theologischer Entwicklungen zur Aufgabe. Für unsere Tagungen in Bensberg steht uns mit dem Kardinal Schulte Haus ein geschichtsträchtiger, sehr besonderer Ort zur Verfügung. Überhaupt wird Qualität bei uns groß geschrieben.
DOMRADIO.DE: Die Akademie ist in diesem Jahr 70 Jahre alt geworden und befindet sich in Trägerschaft katholischer Laien. Was bedeutet das konkret für die Arbeit und vielleicht auch für die Akzeptanz der Akademie in der öffentlichen Wahrnehmung?
Hoffmeier: Zum einen bedeutet die Trägerschaft des Diözesanrates, dass unsere programmatische Ausrichtung von einem eingetragenen Verein und nicht vom Erzbistum verantwortet wird. Das bringt uns Unabhängigkeit, hat aber auch zur Folge, dass wir uns zu einem großen Teil selber finanzieren müssen. Zum anderen ist ein besonderes Merkmal, dass wir im Rahmen des "Forums: PGR" Weiterbildungen für kirchliche Engagierte sowie gesellschafts- und kirchenpolitische Themen anbieten.
Was die Bedeutung der Trägerschaft für die Akzeptanz in der öffentlichen Wahrnehmung angeht, beobachten wir, dass in früheren Jahren den meisten Gästen nicht wichtig war, wer genau der Träger der Thomas-Morus-Akademie ist. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen und des derzeitigen negativen Images der katholischen Kirche rückt aber in der Tat unsere besondere Trägerschaft stärker als früher in den Fokus. Ob uns das eine höhere Akzeptanz in einer sich immer weiter säkularisierenden Gesellschaft bringt oder uns letztendlich in der Außenwahrnehmung nicht hilft, solange die katholische Kirche es nicht schafft, wieder als glaubwürdig und lebensrelevant wahrgenommen zu werden, wird die Zukunft zeigen.
DOMRADIO.DE: Die Akademie steht in einer langen Tradition. Zunächst im Nachkriegsdeutschland als Bildungsanstalt gegründet, die Katholiken und Nicht-Katholiken "in echt akademischer Art zu freien Gesprächen" einlädt, erfolgt 1953 durch Kardinal Frings die Erhebung des "Diözesanbildungsheims" zur Thomas-Morus-Akademie. Worauf wird es zukünftig ankommen, will sich dieser Ort seine Relevanz als anerkannte Plattform eines breit aufgestellten Diskurses auch bei den nachfolgenden Generationen bewahren und nicht nur bei dem sogenannten etablierten Bildungsbürgertum?
Hoffmeier: Gerade in unserer Zeit mit ihren oft verkürzten, auf Erregung ausgelegten Informationen und vorschnellen Urteilen halte ich es für wichtig, Orte zu haben, wo man miteinander im Dialog sein Wissen vertiefen, den eigenen Blickwinkel erweitern kann und sich dafür auch Zeit nimmt. Die Thomas-Morus-Akademie ist also noch zeitgemäß. Natürlich müssen sich unsere Themen und Formate laufend weiterentwickeln, um auch nachfolgende Generationen mit deren Interessen anzusprechen.
Allerdings richten sich Akademien immer an bildungsinteressierte und bildungsaffine Menschen. Brücken zwischen Forschung und konkretem Leben zu schlagen, das ist die Aufgabe katholischer Akademien. Oft werde ich kritisch gefragt, ob die Kirche sich nicht nur an Arme und Benachteiligte wenden soll. Ja, Kirche hat eindeutig den Auftrag, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, sie braucht dafür aber Menschen, die diesen Auftrag unterstützen und selber in Kirche noch eine Heimat und Anknüpfungspunkte finden. Viele unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden allerdings diese Heimat nicht mehr in der klassischen Pfarrgemeinde.
DOMRADIO.DE: Das gesellschaftspolitische Klima wird rauer und nicht weit von uns toben gerade zwei brutale Kriege. Welche Aufgabe kommt da einer Bildungseinrichtung zu? Berücksichtigt sie diese Wirklichkeit?
Hoffmeier: Sie muss Hintergründe von aktuellen Konflikten erläutern. So haben wir Veranstaltungen zu Bergkarabach und Israel-Palästina angeboten, auch zu den Konflikthintergründen des Ukrainekrieges. Nur mit geschichtlichem und kulturellem Verstehen lassen sich die Ursachen von kriegerischen Auseinandersetzungen erfassen und Friedenslösungen erarbeiten.
Parallel dazu versuchen wir aber auch, mit Veranstaltungen zu den großen Fragen des Lebens gesellschaftliche Entwicklungen einzuordnen oder gar drohenden Gefahren entgegenzuwirken, wie mit unserer Reihe "Weltreligionen" oder mit philosophischen Seminaren, die sich mit Betrachtungen zum Menschsein, zu Kultur und Kulturen, zu Freiheitdimensionen, zur Demokratie und vielem mehr befassen.
DOMRADIO.DE: Ein eigenes Feld ist das "Forum: PGR", das sich mit Kirchen- und Gemeindeentwicklung beschäftigt. In Zeiten allgemeiner Verunsicherung, nicht zuletzt durch die Schaffung großer pastoraler Einheiten und dem damit einhergehenden Verlustes eines altvertrauten Gemeindelebens, wollen Sie damit Christen, die sich in Gemeinde, Verbänden, kirchlichen Gremien und Ausschüssen des Bistums engagieren, Begleitung anbieten. Wie sehen diese Unterstützungsangebote aus? Und wie werden sie angenommen?
Hoffmeier: Wir bieten zu aktuellen Entwicklungen Informations- und Diskussionsveranstaltungen an, so auch zur Kirchenmitgliedsuntersuchung, zum Synodalen Weg oder zur Rechtsform der neuen Pastoralen Einheiten. Bei diesen aktuellen Themen haben wir gute Erfahrungen mit Online-Angeboten gemacht. Wir können sie kurzfristig aufgleisen und die Ehrenamtlichen, die oft wenig Zeit haben, müssen nicht zu viel Zeit investieren.
Bei den Workshopangeboten versuchen wir, Themen aufzugreifen, die entweder den Ehrenamtlichen in der aktuellen kirchlichen Krisensituation bei der eigenen Standortsbestimmung helfen oder sie sehr konkret für das eigene Engagement stärken.
Da finden sich Angebote wie: Impulse für das Über-Leben im Engagement, zum Neudenken von Gemeindeleitung, zur Teambildung oder Nachhaltigkeit. Während die Online-Angebote gut angenommen werden, merken wir tatsächlich eine Zurückhaltung bei den Präsenz-Workshops.
Auf der einen Seite ist der Frust in unserem Bistum sehr groß – "mütend" nennen einige diesen Zustand, der eine Mischung aus müde und wütend beschreibt. In dieser Situation haben viele einfach keine Lust, zwei Tage lang an einem Kirchenthema zu arbeiten. Auf der anderen Seite führt der Exodus von Engagierten aus den Gemeinden dazu, dass die wenigen, die bleiben, das Gefühl haben, immer mehr machen zu müssen, damit nicht alles untergeht, sie also schlicht keine Zeit für zusätzliche Veranstaltungen haben.
DOMRADIO.DE: Wo sehen Sie die Thomas-Morus-Akademie in 20 Jahren?
Hoffmeier: Die Thomas-Morus-Akademie profiliert sich durch interessante Leuchtturm- und Kooperationsprojekte. Diese tragen zu einer sehr hohen Bekanntheit sowohl in der Region als auch überregional bei. Mit unseren Themen und Formaten, aber auch mit unserer Kommunikation sind wir immer am Puls der Zeit und stoßen auf breites Interesse. Wir sind eine lernende und innovative Organisation. Kirchennahe und Kirchenferne finden bei uns eine breite Palette an Angeboten, die zu Diskussion und Verständigung einladen. Wir werden als der etwas andere und als besonderer Kirchort wahrgenommen und wertgeschätzt.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti.