Zum Welt-Toiletten-Tag sehen Aktivisten Grundrecht verletzt

Tragischer Tod im Plumpsklo

Der Fall klingt skurril, doch sind die Hintergründe tragisch. Und auch ein juristischer Teilerfolg lässt Aktivisten besorgt zurück. Dabei geht es um eine Banalität - und nichts weniger als ein Menschenrecht.

Autor/in:
Markus Schönherr
Zwei Rollen Toilettenpapier / © Pavel Kosolapov (shutterstock)
Zwei Rollen Toilettenpapier / © Pavel Kosolapov ( shutterstock )

Michael Komape war fünf, als er ins Plumpsklo seiner Schule fiel und ertrank. Der grausame Tod des Jungen schockierte 2014 ganz Südafrika - und zeigt die Missstände auf, mit denen das Land selbst heute, 27 Jahre nach Anbruch der Demokratie, noch immer ringt. Vor Gericht erzielten Michaels Eltern vor kurzem ein Urteil gegen die Regierung. Doch das bleibt ein Teilerfolg, wie Menschenrechtler zum Welt-Toiletten-Tag am 19. November warnen.

Das Oberste Gericht von Polokwane im ländlichen Norden Südafrikas: Selten sprechen Richter wie Gerrit Muller ein Urteil, das nicht nur Menschenrechte betrifft, sondern indirekt auch über Leben und Tod entscheiden könnte. Im September ordnete der Richter das Bildungsministerium an, binnen 90 Tagen eine Liste aller Schulen zu erstellen, in denen Schüler nach wie vor Plumpsklos benutzen müssen; und noch wichtiger: wie das Ministerium beabsichtigt, die morschen Holzwürfel zu ersetzen. Diese stellen laut Richter Muller einen "landesweiten Notfall" dar. Seit 2007 sollen Aktivisten zufolge mindestens vier Schüler in den Klos ertrunken sein.

Zwei Milliarden Menschen ohne Zugang zu Toiletten

2010 erklärten die Vereinten Nationen die Versorgung mit Wasser und sanitären Einrichtungen zum Menschenrecht. Beides sei "essenziell für eine hohe Lebensqualität". Am "Welt-Toiletten-Tag" will die UNO daher mit dem Tabu brechen, das das tägliche Geschäft immer noch begleite. Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge haben zwei Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu Toiletten.

Bereits 2018 hatte ein südafrikanisches Gericht angeordnet, Plumpsklos an Schulen endgültig zu ersetzen. Anderen Schülern sollte das Schicksal von Michael Komape erspart bleiben. Die Holztoilette seiner Schule im Dorf Chebeng war unter seinem Kindergewicht zusammengebrochen; es dauerte vier Stunden, bis seine Leiche in den Fäkalien gefunden wurde.

1.500 Schulen in Limpopo immer noch mit Plumpsklos

Allerdings: Seit dem Urteil ist nicht viel passiert. Allein in Limpopo, einer von Südafrikas neun Provinzen, gebe es immer noch an mindestens 1.500 Schulen Plumpsklos, kritisiert die Organisation Section27. Die Aktivisten waren geneinsam mit Michaels Eltern vor Gericht gezogen. Dass Richter Muller die derzeitigen Pläne zum Austausch der Toiletten, Stichtag 2031, für "verfassungswidrig" erklärte, feiern sie als Erfolg. "Wäre Michael nicht gestorben, hätte das Bildungsministerium nie erkannt, wie wichtig es ist, Toiletten für Schüler zu bauen", so James und Rosina Komape.

Doch das bleibe nur ein Teilerfolg, sagt die Internationale Koordinatorin der Organisation End Water Poverty, Alana Potter, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Denn das Problem sei nicht auf Schulen beschränkt: "Menschen in informellen Siedlungen, also Townships, greifen generell auf Wasser und Sanitäranlagen von niedriger Qualität zurück." Wenn sie nicht ein Loch in ihrem Garten graben oder Eimer für ihr Geschäft benutzen, bleibe ihnen nur "das, was auf eine öffentliche Latrine hinausläuft": bröckelnde, stinkende Verschläge am Rande der Siedlungen, die keine Privatsphäre bieten und unregelmäßig entleert werden.

Neue Toiletten brächten wirtschaftlichen Aufschwung

Das Thema Wasserarmut spielte auch eine wichtige Rolle bei den Kommunalwahlen Anfang November. Dabei rutschte der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) erstmals überhaupt unter die 50-Prozent-Marke. Viele machen korrupte Lokalpolitiker für die fehlende Versorgung verantwortlich.

Aktivistin Potter warnt vor den Folgen. Eine schlechte Sanitärversorgung bremse nicht nur in Südafrika die Entwicklung aus; auf dem ganzen Kontinent sei sie für die Hälfte aller unter- oder mangelernährten Kinder verantwortlich. "Diarrhö verursacht in Subsahara-Afrika mehr Todesfälle bei unter Fünfjährigen als HIV/Aids, Malaria und Masern zusammen", so Potter.

Im Umkehrschluss brächten Toiletten einen wirtschaftlichen Aufschwung, so die Expertin: "Für jeden US-Dollar, der in eine gute Abwasserentsorgung fließt, dürfen wir einen ökonomischen Gewinn von 9,18 Dollar erwarten." Schon deshalb sei es "kurzsichtig" von den Verantwortlichen, Toiletten und Co. auf ihrer politischen Agenda kleinzuhalten.


Quelle:
KNA
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