DOMRADIO.DE: Bereits 2019 haben Sie angemahnt, dass der Platz einen anderen Namen bekommen sollte. Anfangs ist das auf relativ taube Ohren gestoßen, aber gestern Abend ist die Entscheidung gefallen. Sind Sie erleichtert?
Hermann Schell (Vorstandsmitglied der Betroffeneninitiative MissBiT e.V. aus Trier): Erleichtert ist vielleicht das falsche Wort. Wir nehmen das natürlich wohlwollend zur Kenntnis und nehmen das auch für uns als einen kleinen Meilenstein, dass nach jahrelanger Arbeit von MissBiT nun ein kleines Ziel erreicht wurde, nämlich die Umbenennung.
DOMRADIO.DE: Dabei ging es in der Ratsdebatte weniger um die Namenswahl als um ein Kompetenzgerangel, hatte man das Gefühl. Der Ortsbeirat für die Trierer Innenstadt war nämlich der Ansicht, dass er das selbst zu entscheiden hätte. Deshalb war der Ortsbeirat auch der hauptsächliche Gegensprecher für diese Initiative. Wie blicken Sie auf dieses politische Hin und Her, das sich seit Monaten zieht?
Schell: Das Thema sexualisierte Gewalt und Missbrauch im Namen der Kirche für politische Scharmützel zu nutzen, ist überhaupt nicht zielführend und für die Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes eine jahrelange Quälerei.
Man muss auch wissen, dass im Ortsbeirat auch gerade aus der CDU-Fraktion eine ehemalige Bistumsangestellte wahrscheinlich sehr wohlwollend für den Bischof gesprochen hat und deshalb auch den Vorschlag verhindern wollte. Wir sind froh, dass sich der Stadtrat darüber hinweggesetzt hat.
DOMRADIO.DE: Einer der Kritikpunkte in dieser Ratssitzung war, dass der neue Name "Platz der Menschenwürde" Besuchern gar nicht klar mache, was damit ausgedrückt werden soll, also dass es hier auch um das Leid von Missbrauchsopfern geht. Ist das nicht auch ein gutes Argument?
Schell: Ich denke, man sollte es um eine Erklärtafel erweitern, damit man auch die Historie beleuchten kann. Warum ist es zur Umbenennung gekommen? Was hat dazu geführt? Damit den Besuchern und Besucherinnen von Trier, die über den Platz gehen, dann auch bewusst wird, dass zum einen der Missbrauchsopfer gedacht werden soll oder daran erinnert werden soll und zum anderen auch der Roma und Sinti.
DOMRADIO.DE: Es gibt nämlich auch noch die Roma- und Sinti-Gedenkstelen auf diesem Platz.
Schell: Genau. Man sollte es vielleicht ein bisschen besser erklären. In anderen Städten ist es Gang und Gäbe, dass man an markanten Orten auch entsprechende Erklärtafeln hat.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie in der Entscheidung eine Signalwirkung für andere Städte? Das ist ja nicht der einzige Straßenname, der in der Kritik steht.
Schell: Wir erhoffen uns natürlich auch Signalwirkung für alle anderen Städte und andere Bundesländer. Man hat am Beispiel der Stadt Trier gemerkt, dass es ein zähes Ringen um Klarheit ist. Man hat wiederum der Betroffenennitiative MissBiT über Jahre nicht vertraut. Es musste nochmal ein externes Gutachten angefertigt werden. Es waren dann letztendlich mehrere Stadtratssitzung nötig, wo man sich mit diesem Thema beschäftigt hat.
Das zeigt uns erstens, dass es für Betroffene an dem Punkt viel zu lange dauert und zweitens, dass dieses Thema in der öffentlichen Gesellschaft nicht gerne diskutiert wird und dass es Vorbehalte gibt, an dem Punkt darüber zu sprechen.
Es geht um Schuld, es geht um Scham und es geht um Verantwortlichkeiten und darum, diese Schleife aufzubrechen, dass man das Bistum schützen will, dass man die Kirche schützen will. Da braucht es wohl einen langen Atem. Das haben wir gemerkt.
Wir würden uns wünschen, dass andere Städte, andere Initiativen jetzt auch den Mut haben, mal genau zu gucken: Welchen Platz, welche Straße müssen wir da in diesem Fokus haben? Und was muss umbenannt werden?
DOMRADIO.DE: Wie sieht das für die Zukunft aus? Haben Sie schon die nächsten Initiativen, die Sie anleiern wollen?
Schell: Ja, natürlich. Wir sind mittlerweile die größte Betroffeneninitiative in Deutschland mit über 60 Mitgliedern. Wir haben bemerkt, dass MissBiT aus Betroffenensicht vertraut wird. Es geht ja auch um Vertrauen. Man wendet sich lieber an MissBiT als an das Bistum oder die Missbrauchsbeauftragten des Bistums, da wir das auch spezieller und enger begleiten können.
Vom Ziel her ist es natürlich so, dass wir durch dieses Urteil aus Köln bezüglich der Entschädigung von 300.000 Euro an einen Betroffenen jetzt diesen Weg gehen werden und prüfen werden, welche Betroffenen im Bistum Trier klagen werden oder ob wir vielleicht mit dem Bistum in eine Art Vergleich eintreten können. Darüber werden wir alsbald Gespräche führen.
Das Interview führte Clemens Sarholz.