Unterschiedliche Erwartungen an Papst Franziskus im Baltikum

Keine Angst vorm Regenschirm

Drei Länder in vier Tagen: Papst Franziskus bereist ab Samstag das Baltikum. Bürger und Gläubige der emsigen Post-Wende-Staaten haben verschiedenste Erwartungen und Hoffnungen - und sei es, dass das Wetter doch mitspielt.

Autor/in:
Markus Nowak
 (DR)

Weiß-gelbe Fahnen wehen auf dem sonnenbestrahlten Gediminas-Prospektas in Vilnius. Benannt ist die Prachtallee nach dem Gründer der litauischen Hauptstadt; sie verbindet das Parlamentsgebäude am Fluss Neris mit dem Kathedralplatz unter der Gediminas-Burg. Hier wird Papst Franziskus bei seinem zweitägigen Besuch in Litauen am Samstagnachmittag zu jungen Menschen sprechen. "Ich bin gespannt, was er uns sagen wird", sagt die 31-jährige Passantin Karolina.

Vor 25 Jahren war Johannes Paul II. im Baltikum

Eine Dame in mittlerem Alter vergleicht die Stimmung in der Stadt mit der vor 25 Jahren. Damals besuchte Johannes Paul II. als erster Papst in der Geschichte das Baltikum. Die heute 55-jährige Ela war ihm ganz nah: "Ich habe bei einem Papstgottesdienst im Chor gesungen. Dieses Mal werde ich an der Straße stehen und vielleicht das Papamobil sehen." Ihre Freundin Kristyna erinnert sich, wie sie vor 25 Jahren im Mantel im Regen stand. "Das droht uns dieses Mal auch", meint die 52-Jährige.

Um gutes Wetter will Erzbischof Gintaras Grusas beten, wie er bei einer Pressekonferenz am Donnerstag bei Sonnenschein und 25 Grad vor der Kathedrale von Vilnius ankündigte. Zum Wochenende sollen die Temperaturen um zehn Grad fallen; Regen ist vorhergesagt. "Wir sollten keine Angst davor haben, mit Regenschirm zu kommen", sagt der Erzbischof begütigend. Die Vorbereitungen liefen gut, so die Botschaft, die Grusas und sein Amtsbruder aus Kaunas, Lionginas Virbalas, überbrachten. Das Besuchsprogramm wurde kurzfristig ergänzt um ein Gebet am Denkmal des Ghettos von Vilnius. Der Papstbesuch fällt zusammen mit dem 75. Jahrestag der Ghetto-Räumung.

77 Prozent der Litauer katholisch

Offen bleibt, ob sich Franziskus mit Opfern sexueller Gewalt treffen wird. "Der Papst weiß, dass es hier nur wenige Fälle gab im Vergleich zu Irland, den USA oder Chile", sagte Grusas. In der Tat ist die katholische Kirche in Litauen selten in den Schlagzeilen. Auch die Finanzierung des Papstbesuchs in allen drei Ländern wird recht wenig öffentlich diskutiert. 1,7 Millionen will der litauische Staat für die beiden Tage aufwenden.

Offiziell sind 77 Prozent der Litauer katholisch. Allerdings zählen Religionssoziologen wie die Professorin Milda Alisauskiene aus Kaunas nur ein Fünftel der Bevölkerung zu den praktizierenden Katholiken.

Sie verweisen auch auf ähnlich hohe Scheidungsraten wie im Westen Europas. "Die Kirche wird als Autorität geachtet", betont dagegen Erzbischof Grusas - und sieht den Ursprung auch in der Sowjetzeit, in der die Kirche unterdrückt wurde und zugleich für Freiheit und Demokratie eintrat. Mit dem Besuch im ehemaligen KGB-Museum wird Franziskus der schmerzhaften Geschichte des Landes Tribut zollen.

Legende des kirchlichen Widerstands

Eine lebende Legende des kirchlichen Widerstands gegen das Sowjetregime in Litauen ist Sigitas Tamkevicius. Als junger Jesuit verbrachte er fünf Jahre im Sowjetgefängnis und wurde schließlich im unabhängigen Litauen Erzbischof von Kaunas. Heute ist der 79-Jährige auch gegenüber der Kirche eine mahnende Stimme, wenn er über "nicht genutzte Chancen der Freiheit" spricht: "Er wird sicher auch uns Bischöfe und Priester auffordern, mehr christusgleich zu leben."

Die Erwartungen in Lettland, dem zweiten Land der Reise, sind andere. Im lutherischen Dom von Riga etwa kommen am Montag Vertreter verschiedener Konfessionen zusammen. Der Montag wurde von Parlament zum arbeitsfreien staatlichen Feiertag erklärt. "In Sachen Ökumene erwarten wir eine Bestätigung, dass wir in die richtige Richtung gehen", sagt Rigas Erzbischof Zbignevs Stankevics. Dazu zählen gute Beziehungen zwischen den Konfessionen und die gemeinsame Stimme, mit der man gegenüber Politik und Gesellschaft spreche.

Interkonfessionellen Dialog

Auch der der lutherische Dekan von Riga, Krists Kalnins, freut sich auf das interkonfessionelle Treffen mit Papst Franziskus einer "interessanten Persönlichkeit". Große Schritte in Sachen interkonfessionellen Dialog werden allerdings nicht erwartet. Zuletzt gab es einen Dämpfer, als der Vatikan einen von Erzbischof Stankevics forcierten ökumenischen Theologie-Studiengang in Riga ausbremste.

Auf Grünes Licht hofft derweil Bischof Philippe Jourdan aus Tallinn, der letzten Etappe der Papstvisite. 80 Prozent der Esten gehören keiner Kirche an, rund 0,5 Prozent sind katholisch. Trotzdem will der Apostolische Administrator von Estland Franziskus überzeugen, eine ordentliche Diözese im nordöstlichen Zipfel der EU zu gründen. 

Zum anderen will er den Seligsprechungsprozess für Eduard Profittlich (1890-1942) voranbringen. Der deutsche Jesuit hat in der Zwischenkriegszeit viel für den Aufbau der Kirche in Estland geleistet. In der Sowjetzeit starb er den Märtyrertod. "Ein estnischer Seliger würde zeigen, dass die Geschichte der estnischen Kirche auch ein Teil der allgemeinen Kirchengeschichte ist", ist sich Jourdan sicher. Auf diözesaner Ebene ist die Prozessphase der Beweisaufnahme bereits abgeschlossen.


Quelle:
KNA
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