DOMRADIO.DE: Eine Synode über Frauen – wie überraschend ist dieser Vorschlag?
Gudrun Sailer (Journalistin, Autorin und Redakteurin bei Vatican News): Ich denke, der Vorschlag kursierte schon länger, aber er wurde eben noch nie so offen geäußert. Darin sehe ich das sehr erfreuliche Ergebnis einer guten Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen. Denn in dieser Lateinamerika-Kommission sind ja nur Männer vertreten. Und die Bischöfe und Kardinäle haben extra dazu ein gutes Dutzend Fachfrauen aus Lateinamerika eingeladen. Daraus ist wirklich etwas Neues hervorgegangen. Nämlich dieses Dokument, das sich für eine Frauen-Synode im Vatikan ausspricht.
DOMRADIO.DE: Inwieweit passen solche Überlegungen zu den anderen Reformvorhaben von Papst Franziskus?
Sailer: Das Thema Frauen in der Kirche soll sicherlich in einer Synode ein Stück weit nach vorn gebracht werden. Das passt ganz gut in den großen Rahmen. Also, Papst Franziskus geht es ja nicht um Stückwerk-Reformen, sondern um das große Ganze, wie zum Beispiel bei der Familienpastoral. Da geht es nicht nur um wiederverheiratete Geschiedene und ihren Zugang zu den Sakramenten. Sondern im Prinzip um das große Ganze. Um ein barmherziges und beherztes Zugehen der Kirche und aller Angehörigen auf alle Familien in ihren jeweiligen Wirklichkeiten, auch wenn sie schwierig sind. Oder noch ein anderes Beispiel: Bei der Kurienreform geht es nicht um eine Zusammenlegung von Behörden, sondern um einen neuen Geist des Dienens statt Kontrollierens. Und so ähnlich ist das möglicherweise auch mit der Frauenfrage.
DOMRADIO.DE: Das Thema Familie und das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" wirken bis heute nach. Wird der Papst tatsächlich ein weiteres "heißes Eisen" anpacken?
Sailer: Die Frauenfrage ist ein "heißes Eisen" und zwar eines, dass schon lange glüht. Aber in verschiedenen Weltteilen glüht sie auf verschiedene Weise sozusagen. Vergessen wir nicht, dass der Vorschlag einer Frauen-Synode aus Lateinamerika kommt und nicht aus Europa oder den USA. In Lateinamerika sind Frauen oft tatsächlich zum Beispiel lebensbedrohenden Situationen ausgesetzt. Mehr als bei uns zumindest. Auf gesellschaftlicher Ebene geht es um die Themen Gewalt, Missbrauch oder Menschenhandel. Und auf kirchlicher Ebene geht es um Themen wie Machismus, Klerikalismus und um starres schematisches Denken, das sich nicht weiter vom heiligen Geist beirren lässt. Es ist also auf jeden Fall ein heißes Eisen, weil das Aufbrechen von solchen Verkrustungen ja immer auch Angst macht.
DOMRADIO.DE: Die Kirche müsse frei sein von jeglichen Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierungen gegenüber Frauen, so sagt es die Päpstliche Lateinamerika-Kommission. Wird es dann nur um den Umgang der Kirche mit Frauen gehen und nicht um die Frage von Weihen für Frauen, weil letzteres ein zu heißes Eisen wäre?
Sailer: Mein Eindruck ist, es geht nicht um die Priesterweihe für Frauen. Das steht nicht zur Debatte. Es geht um viel mehr. Um den großen Horizont. Um das Große im Kleinen und um das Kleine im Großen. Es geht um einen Mentalitätswechsel und das ist sehr schwer zu bewerkstelligen.
Aber es drängt eben auch. Das Schreiben der Lateinamerika-Kommission hat es ja auch formuliert: es gibt keine Kirche ohne Frauen. Wenn sich die Kirche nicht insgesamt zu einem Miteinander neu bekehrt, dann sind die Frauen weg. Und das wäre dann so, wie wir das in unseren Breitengraden in Mitteleuropa schon beobachten. Das Miteinander zwischen Priestern und Laien, zwischen Männern und Frauen soll gut 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil noch mal in nachgeschärfter Form debattiert werden. Ich denke, das ist höchste Zeit. Und Papst Franziskus weiß das eigentlich.
DOMRADIO.DE: Wie könnte so ein Ablauf einer Synode aussehen – dass nur Männer als Bischöfe über Frauen reden, erscheint unwahrscheinlich, oder?
Sailer: Über die Form wird man noch reden können, wenn es soweit ist. Wir haben ja bei den Familien-Synoden und jetzt bei der bevorstehenden Jugend-Synode gesehen, dass nicht nur über, sondern auch mit Familien beziehungsweise Jugendlichen geredet wird. Dass sie in der Synode eine Stimme haben. Gut denkbar ist auch eine Vorsynode wie bei den Jugendlichen, mit Vertreterinnen der katholischen Frauenverbände und -orden. Das Instrument der Synode - es ist ja ein Beratungsinstrument für den Papst - hat mit Papst Franziskus eine Fortentwicklung erlebt, und die könnte noch weitergehen. Entscheidend wird aber sein, was der Papst dann macht. Was also in den Beratungsergebnissen, also in der postsynodalen Exhortation drin stehen wird. Darauf wird es ankommen.
Das Interview führte Dagmar Peters.