DOMRADIO.DE: 25 Meter hoch, fast 400 Tonnen schwer, aus Rosengranit gemacht. Das sind die harten Fakten zum Obelisken auf dem Petersplatz. Seit 1586 steht er dort. Vorher stand er aber mehr als anderthalb Jahrtausende woanders?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Er stand gegenüber dem Campo Santo Teutonico, dem deutschen Friedhof, also vom Betrachter aus gesehen links neben dem Petersdom, dort, wo früher in der Antike der Zirkus des Nero war, und er stand mitten in diesem Zirkus. Und er ist dann, das ist das Besondere, im Grunde ein Zeuge des Martyriums des Heiligen Petrus geworden.

DOMRADIO.DE: Und warum ist er dann auf den Petersplatz gebracht worden?
Nersinger: Ich denke, darin liegt schon der Grund. Als man die neue Kirche Sankt-Peter fertig hatte, wollte man ein Zeichen setzen.
Und ich denke, das ist ein sehr schönes Zeichen, dass vor der Kirche ein geschichtsträchtiges Monument gesetzt wurde, das ein Zeuge des Martyriums des Heiligen Petrus war.
DOMRADIO.DE: Das war damals wahrscheinlich ein Riesenspektakel, als der Obelisk umtransferiert wurde, oder?
Nersinger: Ja, es war nicht nur ein riesiges Spektakel, es war auch ein gefährliches Unternehmen. Man muss bedenken, es waren für die Neuaufstellung des Obelisken 900 Mann und 150 Pferde im Einsatz. Und es wurde mit ganz komplizierten Vorrichtungen, zum Beispiel mit Seilwinden, gearbeitet.
DOMRADIO.DE: Wie kommen denn die Palmzweige ins Spiel?
Nersinger: Es war das Verbot ausgesprochen worden, dass während der Aufrichtung niemand etwas sagen sollte. Kein Ruf sollte auf dem Petersplatz ertönen, weil es wirklich ein gefährliches Unterfangen war.
Als man dann die Obelisken aufrichtete, sah einer, ein Seemann aus Ligurien aus der Nähe von San Remo, dass sich die Seile erhitzten und sie zu entflammen drohten und dadurch reißen konnten. Er schrie dann ganz laut in die Stille des Petersplatzes hinein: "Wasser auf die Seile, Wasser auf der Seile."

Er hat dadurch das ganze Unternehmen gerettet, man hat direkt Wasser darauf geschüttet und die Seile rissen nicht, aber er hatte auch das Verbot übergangen, die Stille zu wahren und hätte eigentlich schwer bestraft werden müssen. Aber im Gegenteil, er bekam sogar eine Auszeichnung und erhielt ein seltenes Privileg: Er durfte seitdem für den Palmsonntag die Palmzweige an den päpstlichen Hof liefern.
DOMRADIO.DE: Er hat damals den Transport der Palmzweige ziemlich aufwendig inszeniert.
Nersinger: Ja, er fuhr ein Schiff von Ligurien aus nach Rom. Auf dem Tiber und an dem Schiff waren Palmzweige befestigt. Man hat das sehr bildhaft dargestellt. Und man hatte dieses Privileg über Jahrhunderte beibehalten, bis in die jüngere Vergangenheit.
Dann gab es mal eine Zeit, wo es die Tradition nicht mehr gab, sie wurde aber 2001 wiederbelebt und seitdem beliefert wieder San Remo kunstvoll geflochtene bis zu zwei Meter große Palmzweige nach Rom.
DOMRADIO.DE: Wer bekommt so einen Palmzweig am Palmsonntag bei der Prozession auf dem Petersplatz?
Nersinger: Bei den großen Palmzweigen, die über zwei Meter waren, war es Tradition, dass der Papst einen erhielt und die Kardinäle, die bei der Prozession mitzogen.

Und an die anderen Leute, die anwesend waren, wurden kleinere Palmzweige verteilt. Heute werden sie als Geschenk verteilt. Früher wurden sie sogar an die Gläubigen verkauft.
DOMRADIO.DE: Haben Sie sich auch schon mal so einen Palmzweig geholt?
Nersinger: Oh ja, mit einer sehr schlimmen Erinnerung. Ich wollte unbedingt einen dieser großen Palmzweige sehen und habe ihn mir zeigen lassen. Ich kannte jemanden im Vatikan und er reichte mir einen dieser Zweige und ich fasste ihn falsch an und hatte auf einmal eine blutende Hand.
Ich habe mich viele Jahre später an einen Ausspruch erinnert, als Papst Benedikt XVI. von den Palmzweigen des Palmsonntags als ein Zeichen des Martyriums sprach. Und so bin ich also auch mit dieser Feier verbunden. Gott sei Dank ist keine Narbe übrig geblieben, aber es fing damals ganz heftig an zu bluten.
Das Interview führte Hilde Regeniter.