DOMRADIO.DE: Welche Bistümer haben das Öffnen einer Heiligen Pforte gemeldet?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): So genau wissen wir das nicht. Vor der Öffnung der Heiligen Pforten in Rom hatten wir Ankündigungen in manchen Diözesen. Wenn man nun im Internet die Videoclips oder die Bilder anschaut, sieht man, dass es die ein oder andere Diözese gibt, wo tatsächlich eine Pforte geöffnet worden ist. Meistens sieht man, dass der Bischof in der jeweiligen Domstadt feierlich durch eine Pforte einzieht und das Heilige Jahr eröffnet. Diese Pforte ist sehr schön geschmückt, erweckt also den Eindruck einer Heiligen Pforte. Da ist ein bisschen Chaos drin und man weiß nicht, was wirklich geschieht.
DOMRADIO.DE: Hinter dem Öffnen von so einer Heiligen Pforte steckt der Gedanke eines Ablasses, eines Gnadenbeweises Gottes. Warum will denn der Vatikan nicht, dass auch andere Bistümer diesen Gedanken durch ein solches Ritual in die Welt tragen?
Nersinger: Das ist eine gute Frage. Im Jahr 2016 wünschte sich der Papst noch, dass das Heilige Jahr in die ganze Welt hineingetragen wird; nicht nur durch den Gedanken, sondern auch dadurch, dass man in den einzelnen Diözesen, in der Kathedralkirche oder auch in berühmten Wallfahrtsorten, eine Heilige Pforte öffnete. Er hat jetzt aber ein ganz anderes Modell. Er konzentriert wieder alles auf Rom. Er hat dies im Vorfeld deutlich gemacht in einer Einberufungsbulle, dass das aktuelle Heilige Jahr mit der Öffnung der Heiligen Pforte in Rom gefeiert wird. Das sind zwei konkurrierende Modelle, die einander ausschließen. Dazu kommt eine schlechte Kommunikation, die die Leute verwirrt hat, und zwar sowohl in Rom als auch in den einzelnen Diözesen. Das hätte man besser kommunizieren müssen.
DOMRADIO.DE: Warum war es zu dem außerordentlichen Heiligen Jahr 2016 erlaubt, dass die Pforten auch anderenorts geöffnet wurden und jetzt nicht?
Nersinger: Damals wollte der Heilige Vater das ganze Heilige Jahr, vor allem die Öffnung der Pforte, mehr in die Diözesen hineintragen, um den Leuten, die nicht nach Rom kommen konnten - ob sie durch Krankheit oder durch das Alter oder auch durch ihre finanziellen Möglichkeiten verhindert waren - die Chance zu geben, das in der eigenen Diözese zu erleben. Ein sehr schöner Gedanke.
Jetzt hat der Papst wieder darauf gedrungen, dass das Heilige Jahr ein römisches Ereignis ist. Die Gewährung des Ablasses ist schon immer an Rom gebunden, denn niemand außer dem Papst gewährt einen Ablass. Wir haben gesehen, dass bedingt durch die Krankheit und das Alter des Heiligen Vaters die Öffnung der Pforten in einer Form geschieht, die nicht ganz so feierlich ist und Anlass zur Kritik gibt. Wenn der Heilige Vater etwa zur Pforte geschoben wird von einem jungen Priester in Straßenkleidung, dann fehlt so ein bisschen Feierlichkeit.
Vor der Öffnung der Heiligen Pforte wird sie inspiziert. Sie ist ja von einer Seite vermauert. In dieser Mauer ist ein Kästchen mit Münzen und Dokumenten des vorangegangenen Heiligen Jahres eingearbeitet. Da gibt es einen eigenen Akt, die Recognitio. Diese Insichtnahme ist in diesem Jahr manchmal feierlicher gewesen als die eigentliche Öffnung.
Dann sehen wir, dass die Öffnungen der verschiedenen Heiligen Pforten unterschiedlich gehandhabt werden. Einmal wird mit der Hand gegen die Pforte gepocht und dann geöffnet. Beim nächsten Mal wird sie einfach nur aufgestoßen. Da hätte man doch einen Modus finden müssen, der gleich ist. Da muss man nach dem Heiligen Jahr eine Art Manöverkritik durchführen.
DOMRADIO.DE: Wäre es nicht fast besser, wenn man künftig nur noch eine Pforte zum Heiligen Jahr öffnet?
Nersinger: Nein, es ist schon eine alte Tradition, dass man in Rom die Pforten der Erzbasiliken öffnet. Zusätzlich noch, wenn der Papst es wünscht, eine Sonderpforte. Das sollte man aus Gründen der Tradition und der Sinnhaftigkeit durchaus beibehalten, aber man muss sich entscheiden: Bleibt es bei den römischen Pforten oder trägt man das wieder in die Diözesen hinein? Da muss man für das nächste Heilige Jahr eine Entscheidung treffen, damit nicht wieder so eine chaotische Situation entsteht.
Das Interview führte Tim Helssen.