Nach dem vatikanischen Strafgerichtsurteil gegen Kardinal Angelo Becciu (75) und weitere Angeklagte hat es im Vatikan und in Italien zunächst nur wenige Reaktionen gegeben. Becciu war am Samstag in erster Instanz zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren und zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kardinal in zwei Fällen vatikanische Gelder veruntreut und in einem Fall gemeinsam mit einer Bekannten einen schweren Betrug zu Lasten des Heiligen Stuhls organisiert hatte. Eine umfangreiche Urteilsbegründung mit mehr Details zur Rekonstruktion der begangenen Verbrechen wird erst in einigen Wochen erwartet.
Berufung angekündigt
Für internationales Aufsehen hatte vor allem der Fall einer verlustreichen Immobilieninvestition Beccius in London gesorgt, bei dem der Vatikan um bis zu 200 Millionen Euro geprellt worden sein soll. Dies wertete das Gericht ebenso als Veruntreuung wie die Überweisung von vatikanischen Geldern an eine vom Bruder des Kardinals geleitete Wohltätigkeitsorganisation.
Die Anwälte des verurteilten Kardinals und der ebenfalls zu hohen Haftstrafen verurteilten italienischen Makler, Mittelsmänner und Finanzberater kündigten unmittelbar nach der Urteilsverkündung Berufung an. Der vatikanische Staatsanwalt Alessandro Diddi äußerte sich nach dem Urteil zufrieden; er hatte jedoch zum Teil deutlich höhere Haftstrafen gefordert.
Auch die drei Anwältinnen, die den Heiligen Stuhl als geschädigte Partei und Nebenkläger vertreten hatten, zeigten sich zufrieden. In einer Presseerklärung dankten sie den vatikanischen Justizbehörden für ihre gründliche Arbeit, die einen "fairen und gerechten Prozess" ermöglicht habe.
Weg der normalen Justiz
Der Chefredakteur der vatikanischen Medienplattform VaticanNews, Andrea Tornielli, kommentierte den Prozess und das Urteil mit den Worten: "Im Vatikan setzte man auf den transparenten und notwendigen Weg eines regulären Strafprozesses. (...) Angesichts von Unregelmäßigkeiten, die den Justizbehörden (nicht von der Justiz anderer Länder, sondern von Stellen innerhalb des Heiligen Stuhls) gemeldet wurden, hat der Papst die Justiz ihren normalen, institutionellen Weg gehen lassen."
Die Verteidiger der nun in erster Instanz zu Haftstrafen verurteilten Angeklagten hatten Freisprüche gefordert. Immer wieder hatten sie die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens in Zweifel gezogen.
Auch im Vatikan war bis zum Schluss zu hören, dass man mit Freisprüchen oder allenfalls sehr milden Strafen rechne. Die Stimmung in der vatikanischen Kurie nach der Urteilsverkündung am Samstagabend verglich die römische Zeitung "Il Messaggero" am Sonntag mit einem "Schockzustand", zitierte aber keine Stimme, um dies zu belegen.