Viele Tafeln müssen Lebensmittel rationieren

Wachsende Armut

Immer mehr Menschen kommen zu den Tafeln, um sich Lebensmittel zu holen. Die Tafeln müssen teils Aufnahmestopps aussprechen oder Kunden auf Wartelisten setzen. Die Politik rufen sie dazu auf, Armut "endlich ernsthaft" zu bekämpfen.

Die Mitarbeiterinnen der Tafel arbeiten ehrenamtlich / © Fabian Strauch (dpa)
Die Mitarbeiterinnen der Tafel arbeiten ehrenamtlich / © Fabian Strauch ( dpa )

Rund 60 Prozent Tafeln in Deutschland müssen derzeit nach Angaben des Tafel-Dachverbandes die Ausgabe von Lebensmitteln reduzieren. Ein Drittel versuche, mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten zu arbeiten, sagte Andreas Steppuhn, Vorsitzender des in Berlin ansässigen Tafel-Dachverbandes, der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Freitag). Andere rationierten die Lebensmittel. "Mit solchen Lösungen versuchen sich Tafeln über Wasser zu halten und gleichzeitig so vielen Menschen wie möglich zu helfen."

Hintergrund sei die teils deutlich gestiegene Zahl an Bedürftigen, sagte Steppuhn: "Seit dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine verzeichnen die Tafeln im bundesweiten Durchschnitt 50 Prozent mehr Kundinnen und Kunden." Sie unterstützten aktuell etwa 1,6 Millionen Armutsbetroffene. Die Lebenshaltungskosten in Deutschland seien gestiegen, Renten und Löhne aber nicht in gleichem Maß.

Der Verbandsvorsitzende rief die Politik dazu auf, die Armut "endlich ernsthaft" zu bekämpfen. Die ehrenamtlich arbeitenden Tafeln könnten nicht auffangen und übernehmen, was der Staat seit Jahrzehnten nicht schaffe. Erforderlich sind aus Steppuhns Sicht eine ausfinanzierte Kindergrundsicherung, krisenfeste Löhne, armutsfeste Renten und bezahlbarer Wohnraum. "Es gibt viele Schrauben, an denen gedreht werden muss." Die vom Kanzler genannte mögliche Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel sei ein erster denkbarer Schritt, "aber mehr auch nicht."

Tafeln in Deutschland

Die bundesweit agierenden Tafeln haben sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer der größten sozialen Bewegungen in Deutschland entwickelt. Waren es 2002 noch gut 300, gibt es heute bundesweit etwa 900 Tafeln mit rund 2.100 Tafel-Läden und Ausgabestellen. Bei ihnen engagieren sich circa 60.000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Alle zusammen versorgen sie mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln, die sie als Spenden im Handel und bei Herstellern gesammelt haben.

Helfer sortieren  Salat bei der Lebensmittelausgabe in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln / © Harald Oppitz (KNA)
Helfer sortieren Salat bei der Lebensmittelausgabe in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd