DOMRADIO.DE: Sie sind Franziskanerin in Olpe, haben aber schon viele Lebensstationen hinter sich, unter anderem auch am Kölner Dom. Angefangen hat es aber ganz woanders: Sie sind in der DDR geboren und aufgewachsen. Wie kommt man denn da ins Kloster?
Schwester Katharina Hartleib (Franziskanerin in Olpe): Es ist weltweit überall gleich. Man erlebt Ordensleute und merkt: "Ach so, es gibt noch eine andere Variation zu leben". In meinem kleinen Dorf nahe der innerdeutschen Grenze in der DDR wurde die Kirche nicht gefördert, sondern gerade noch geduldet. Dort habe ich Ordensschwestern erlebt, die die Kranken gepflegt, sich um Kinder und Jugendlichen gekümmert und die den Kindergarten geleitet haben und unglaublich zähe Frauen waren.
Das heißt, ich habe dieses Leben von klein auf gesehen und das sackt dann irgendwann ins Unterbewusstsein. Als Jugendliche bei meiner Ausbildung zur Krankenschwester habe ich in einer anderen Stadt Jugendtreffen für die katholischen Jugendlichen entdeckt. Und da war wieder ein Ordensmann, der genauso fit und lebendig war und uns einen Gegenentwurf zum allgemeinen Mainstream anbot. Und da habe ich gemerkt, man kann auch anders leben.
DOMRADIO.DE: Warum dann die Franziskanerinnen? Orden gibt es ja viele.
Schwester Katharina: Ich erinnere mich noch an die schöne Frage meines Vaters: "Woher weißt du denn, dass du das machen musst?" Das konnte ich nicht so gut erklären. Und dann hab ich eine Gegenfrage gestellt: "Woher weißt du denn, dass du diese Frau heiraten musst?" Dann sagte er: "Das merkt man irgendwann." Genau. Ich habe irgendwann gemerkt, dass Gott will, dass ich diesen Weg gehe.
Und dann musste ich selber gucken, wo es eine Gemeinschaft gibt, die meinem Naturell entspricht. Ich habe mir einiges angeguckt und bei den Franziskanern gemerkt, dass es nochmal eine ganz andere Art zu leben ist. Und dann habe ich irgendwann gefragt, ob es eigentlich auch Franziskanerinnen gibt, denn ich wusste das gar nicht.
Dann habe ich ein paar Adressen gekriegt und mir gedacht: "Okay, ich werde mir die alle angucken". Dann bin ich aber schon bei der ersten Adresse hängengeblieben, ohne zu wissen, dass das die Franziskanerinnen von Olpe waren. Die Art und Weise, wie die miteinander umgingen, wie die gelebt haben – es waren alles ganz junge Schwestern – da war ich völlig verblüfft.
DOMRADIO.DE: Wie haben ihre Freunde reagiert, als der Entschluss feststand?
Schwester Katharina: Die, die mich ein bisschen näher kannten, haben ja erlebt, dass ich oft zu Wochenenden und in Jugendhäuser mit religiösen Angeboten gefahren bin. Die wussten schon, dass ich Lust an so etwas habe. Auf den Hochzeiten meiner Freundinnen wurde ich natürlich immer ein wenig geneckt, aber ich habe dann gesagt, dass ich noch einen anderen habe, aber ich muss noch ein bisschen warten. Die, die mich kannten, waren dann gar nicht mehr so erstaunt.
Sehr erstaunt war mein Vater. Er war ganz erschrocken, weil ich seine einzige Tochter bin. Neben drei Söhnen ist man als einziges Mädchen Papakind. Und der war nicht begeistert, sondern sehr, sehr traurig.
DOMRADIO.DE: Hat sich das irgendwann gelegt?
Schwester Katharina: Nach der ersten Profess (Ordensgelübde, Anm. d. Red.), so nach vier Jahren kamen mich meine Eltern einmal im Jahr besuchen. Und mein Vater nahm mich dann mal zur Seite und sagte: "Weißt du, wenn ich meine Kinder angucke, bist du am glücklichsten." Und das ist das, was Eltern wollen. Und als er das gemerkt hat, war es gut.
DOMRADIO.DE: Der Zölibat wird ja gerade im Moment auch viel diskutiert. Hat der bei Ihrer Entscheidung damals eine Rolle gespielt?
Schwester Katharina: Bei uns geht es ja nicht um Zölibat. Bei uns geht es um den Versuch, Jesus in der Weise nachzufolgen, wie er gelebt hat. Jesus ist mit dem wenigsten ausgekommen und war seinem Vater gegenüber gehorsam. In der Ehelosigkeit wollte er für alle Menschen offen sein. Ich glaube, man kann diese Lebensform nur in dieser Dreiheit verstehen. In diesen drei Gelübden (Armut, Gehorsam und ehelose Keuschheit, Anm. d. Red.) und in dieser Art und Weise zusammenzuleben, ist das Zölibatäre ein Teil – aber nur einer.
DOMRADIO.DE: Jetzt leben Sie schon Jahrzehnte in Ihrem Orden. Sind Sie noch zufrieden oder haben Sie es irgendwann doch mal so ein kleines bisschen bereut?
Schwester Katharina: Bereut habe ich es nie. Es gibt immer mal Phasen gegeben, in denen es nicht leicht ist. Aber ich glaube jeder, egal, in welcher Lebensform sie oder er lebt, kennt Phasen, in denen es schwer ist und man sich die Dinge anders vorstellen könnte.
Und da muss man sich fragen: Was will ich denn und was will Gott? Was könnte Gottes Wille bedeuten? Das kann manchmal bedeuten, dass man sich unglaublich zofft, um die gemeinsamen Ziele zu finden und gemeinsam dahinzugehen, das kann aber auch heißen, dass man einander einfach nur trägt.
Ich habe mal eine alte Schwester erlebt, die zu mir gesagt hat: "Weißt du, ich bin schon so viele Jahrzehnte im Kloster, aber in den letzten Jahren immer lieber." Und das fällt mir gelegentlich ein, weil es im Moment genau das trifft. Ich bin immer gern im Kloster gewesen, aber in den letzten Jahren immer lieber.
Das Interview führte Carsten Döpp.