Vor 125 Jahren wurde Kardinal Stepinac geboren

Schillernde Figur

An Alojzije Stepinac scheiden sich die Geister. Der Kardinal aus Kroatien war ab 1937 höchster Repräsentant der katholischen Kirche seines Landes, das erst von Faschisten, dann von Kommunisten beherrscht wurde.

Autor/in:
Joachim Heinz
Alojzije Stepinac / ©  KNA-Bild (KNA)
Alojzije Stepinac / © KNA-Bild ( KNA )

Österreich-Ungarn, das Königreich Jugoslawien, der Unabhängige Staat Kroatien und schließlich die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien. Alojzije Stepinac, geboren vor 125 Jahren am 8. Mai 1898 im Dorf Brezaric, hat Staaten und Regierungsformen kommen und gehen sehen: von der Monarchie, über den Faschismus bis hin zum Kommunismus. Eine Konstante im Leben des Sohnes einer katholischen Bauernfamilie blieb sein Glaube. Der führte ihn zum Priesteramt und mit der Ernennung zum Erzbischof von Zagreb 1937 an die Spitze der kirchlichen Hierarchie seines Landes.

Kontroversen um Vergangenheit

Was dann geschah, ist bis heute Gegenstand von Kontroversen. Kritiker werfen Stepinac eine mindestens moralische Mitverantwortung an den vom faschistischen Ustascha-Regime in Kroatien zwischen 1941 und 1945 begangenen Verbrechen vor. Unterstützer des Kardinals verweisen dagegen darauf, dass er Notleidende und Verfolgte insbesondere in der Kriegszeit unterstützt habe. Eine neuerliche Wendung folgte im Kalten Krieg: Im Westen nahmen viele Menschen Stepinac als standhaften politischen Dissidenten wahr.

Das hatte wesentlich mit dem 11. Oktober 1946 zu tun. In einer zum Prozesssaal umfunktionierten Sporthalle in Zagreb nahm der Kirchenmann, äußerlich regungslos, seinen Richterspruch entgegen. Das noch junge kommunistische Regime in Jugoslawien verurteilte Stepinac zu 16 Jahren Haft mit Zwangsarbeit und zum Verlust seiner bürgerlichen und politischen Rechte für weitere fünf Jahre. Sein Vermögen wurde eingezogen.

Prozess, Urteil und Aufhebung

Der Angeklagte, so hieß es, habe mit dem Ustascha-Regime kollaboriert. Der Kardinal wies das zurück: "Mein Gewissen ist rein." Hinter den Anwürfen steckte zweifellos politisches Kalkül. Staatschef Josip Broz "Tito" sah in der vor allem im kroatischen Landesteil verankerten katholischen Kirche mit dem strammen Antikommunisten Stepinac an der Spitze eine politische Konkurrenz, die es auszuschalten galt.

Die einzige Begegnung der beiden Männer am 4. Juni 1945 hatte die Gegensätze deutlich gemacht. Tito drang darauf, das Verhältnis beider Seiten in einem Vertrag zu fixieren und damit eine Loslösung der Kirche von Rom zu erreichen. Stepinac ließ den Kommunistenführer abblitzen. Tito schäumte, er werde mit der "Verfolgung der Mörderpopen" beginnen – und wusste doch, dass er zu diesem Zeitpunkt wenig gegen den bei den Katholiken populären Kirchenmann ausrichten konnte. "Er hat einen Märtyrerkomplex", so Tito.

In den Folgemonaten orchestrierte die Regierung eine regelrechte Kampagne gegen Stepinac. Diese gipfelte in dem Verfahren, über das der Angeklagte später sagen sollte: "Wenn mir jemand 100 Jahre lang die Leiden Christi erklären würde, würde ich das nicht so verstehen wie nach all dem, was ich bei diesem Prozess erlebt habe!" Der Prozess gegen ihn sprach tatsächlich allen rechtsstaatlichen Standards Hohn, wie die Juristin und Stepinac-Biografin Claudia Stahl schildert. 2016 wurde das Urteil von einem Gericht in Zagreb offiziell aufgehoben.

Haltung "mindestens ambivalent"

Zugleich drängte das Verfahren eine echte Auseinandersetzung mit der Rolle der Kirche im Kroatien des Zweiten Weltkriegs in den Hintergrund. "Stepinac war kein Faschist oder überzeugter Anhänger des Ustascha-Regimes", betont die Münchner Historikerin Marie-Janine Calic. "Aber die katholische Kirche und das Regime hatten gemeinsame Interessen."

Als "mindestens ambivalent" umschreibt sie die Haltung des Erzbischofs von Zagreb. "Vereinzelt hat er sich für eine Rettung katholisch getaufter Juden eingesetzt, vor allem Kinder. Er hat aber nie seine Stimme gegen die planmäßige Vernichtung der Juden und anderer Volksgruppen erhoben", so Calic. Auch habe sich der Kardinal nie öffentlich vom Ustascha-Regime distanziert. Besonders schwer wiege sein Schweigen angesichts der Zwangskonversion von 250.000 orthodoxen Serben zum Katholizismus.

Requiem für den verstorbenen Kardinal Alojzije Stepinac am 17. Februar 1960 im Petersdom / © KNA-Bild (KNA)
Requiem für den verstorbenen Kardinal Alojzije Stepinac am 17. Februar 1960 im Petersdom / © KNA-Bild ( KNA )

Seligsprechung 1998 – Prozess zur Heiligsprechung stockt

Gleichwohl sprach Johannes Paul II. Stepinac 1998 selig; der Prozess zur Heiligsprechung stockt seit Jahren. Papst Franziskus setzte 2016 eine Kommission ein, der serbische und kroatische Historiker sowie Vertreter der katholischen und der serbisch-orthodoxen Kirche angehörten. Die Experten kamen 2017 zu dem Schluss, dass im Fall Stepinac "die vorherrschenden Interpretationen der katholischen Kroaten und der orthodoxen Serben nach wie vor unterschiedlich" seien.

Stepinac wurde 1951 vorzeitig entlassen und lebte bis zu seinem Tod 1960 unter Hausarrest. In Kroatien wird er von vielen Menschen als Vaterfigur verehrt.

Heiligsprechung

Die Heiligsprechung in der katholischen Kirche ist eine feierliche Erklärung des Papstes über das vorbildlich christliche Leben eines Menschen und über dessen endgültige Aufnahme bei Gott. Nach dieser Kanonisation, die im Rahmen eines Festgottesdienstes vollzogen wird, darf die betreffende Person weltweit verehrt werden.

Heiligsprechung (dpa)
Heiligsprechung / ( dpa )
Quelle:
KNA