DOMRADIO.DE: Was weiß man von den Umständen des Brands?
Ulrich Nersinger (Vatikanjournalist und Buchautor): Der Brand brach im Gebälk der Basilika aus und griff sehr schnell auf die gesamte Basilika über. Die Kirche brannte in Windeseile fast bis auf ihre Grundmauern nieder.
Das muss für Rom ein furchtbares Ereignis gewesen sein, das alle dort erschüttert hat. Der Papst selber war schwer krank.
Er war einmal Mönch in Sankt Paul vor den Mauern gewesen, deshalb hat man ihm den Brand verschwiegen, um ihn nicht aufzuregen.
Auch viele anwesende Rombesucher waren schockiert. Stendhal, der berühmte Dichter, besuchte die Ruine von Sankt Paul vor den Mauern und war völlig erschüttert über diesen Vorfall.
DOMRADIO.DE: Wie bedeutend war Sankt Paul vor den Mauern damals?
Nersinger: Ja, wir müssen bedenken, dass Sankt Paul vor den Mauern die zweite berühmte Grabeskirche in Rom ist, des Völkerapostels Paulus, also des zweiten Patrons der Ewigen Stadt.
Von daher ist das natürlich ein sehr bedeutendes Gotteshaus gewesen, nicht nur für Rom, sondern für die ganze katholische, sogar für die ganze christliche Kirche.
DOMRADIO.DE: Dieses 1500 Jahre alte Bauwerk war also beschädigt, und eine Hilfswelle rollte an. Was geschah genau?
Nersinger: Ja, das Interessante ist, dass der Vorfall im Grunde eine frühe ökumenische Dimension hatte. Es gab Länder in Europa, die sich sofort bereit erklärten, Hilfe zu leisten.
Schweden zum Beispiel, das protestantische Schweden und das orthodoxe Russland stifteten Holz für den Wiederaufbau.
Das war schon eine ungeheure Hilfsbereitschaft, die sich da zeigte. Das Außergewöhnliche war, dass sich auch ein muslimischer Potentat, der Statthalter und Vizekönig von Ägypten, Mehmed Ali Pascha, bereit erklärte, für den Wiederaufbau der Basilika Alabaster aus seinem Land zu stiften.
DOMRADIO.DE: Also ein großes Geschenk. Wie ist damals diese religionsübergreifende Hilfewelle angekommen?
Nersinger: Sie war mit einer großen Begeisterung verbunden. Mehmet Ali hatte eine Bedingung gemacht für sein Geschenk: Es musste vom Papst selber oder von seiner kleinen päpstlichen Flotte in Ägypten abgeholt werden.
Daraufhin ist man mit drei Schiffen, deren Kommandant sagte, dass sie eigentlich nur für den Fischfang in der Umgebung des Mittelmeers eingerichtet gewesen seien, nach Ägypten gefahren.
Man ist mit diesen Fischerbooten über den Nil gefahren und hat in Ägypten eine Alabasterladung mit dem Gewicht von ungefähr 450.000 Pfund abgeholt.
DOMRADIO.DE: Hat Paul vor den Mauern die letzten 200 Jahre schadlos überstanden?
Nersinger: Ja, das kann man eigentlich sagen. Man hat diesen Alabaster natürlich eingebaut und 1854 konnte die Basilika von Pius IX. neu eingeweiht werden und war auch später noch von Bedeutung.
Da gibt eine hübsche Geschichte: Der letzte ägyptische König ist im vergangenen Jahrhundert aus seinem Land vertrieben worden und fand Exil in Rom.
Der ehemalige Abt von Sankt Paul vor den Mauern, Bischof Cesario D'Amato, berichtete, dass der König des Öfteren Sankt Paul vor den Mauern aufsuchte, und dann sagte, er wolle ein wenig Heimatluft schnuppern.
DOMRADIO.DE: Die hat er da gefunden. Welche Bedeutung hat die Kirche heute?
Nersinger: Heute ist sie natürlich ein Pilgerziel. Sie birgt das Grab des heiligen Paulus, des Völkerapostels, und zählt zu den wichtigsten Kirchen in Rom. Auch heute hat diese Kirche noch eine Bedeutung.
Auch wenn man bedenkt, dass wir jedes Jahr im Januar auch eine große ökumenische Feier in Sankt Paul vor den Mauern haben.
Man sieht, Sankt Paul vor den Mauern hat noch heute eine immense Bedeutung und kann einen immensen Impuls für die Ökumene darstellen, aber darüber hinaus auch für einen christlich-islamischen Dialog zum Beispiel.
Das Interview führte Katharina Geiger.