Streit um Berg-Karabach belastet Armeniens Verhältnis zu Israel

Waffenlieferungen an Aserbaidschan verschärfen alte Differenzen

Das Verhältnis zwischen Israel und Armenien war nie einfach. Mit dem Berg-Karabach-Konflikt und der israelischen Rolle hat es sich weiter abgekühlt. Die armenischen Christen in Israel sind frustriert.

Autor/in:
Till Magnus Steiner
Konfliktregion Berg-Karabach / © Damian Pankowiec (shutterstock)
Konfliktregion Berg-Karabach / © Damian Pankowiec ( shutterstock )

Der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach ist mehr als ein regionaler Konflikt. 150.000 mehrheitlich armenisch-christliche Bewohner leben dort auf aserbaidschanischem Staatsgebiet. Ihr Schicksal ist abhängig von einem komplizierten diplomatischen Geflecht, in dem neben der Türkei, dem Iran und Russland auch - oft übersehen - Israel eine Rolle spielt.

Wenige Tage nach Beginn der Kampfhandlungen am 27. September wandte sich der Patriarch der Armenisch-Apostolischen Kirche in Jerusalem, Nourhan I. Manougian, in einem öffentlichen Schreiben an den israelischen Präsidenten Reuven Rivlin. "Die aus Israel gesandten Waffen, Drohnen und Artilleriegeschütze werden gegen die friedliche Bevölkerung Berg-Karabachs eingesetzt und fordern Tote und Verletzte", so Manougian.

Der Patriarch ist damit auf einer politischen Linie mit der armenischen Regierung, die seit Jahren die Waffenlieferungen Israels an Aserbaidschan kritisiert. Anfang Oktober hat sie ihren Botschafter aus Israel abgezogen. Erst im Sommer war die armenische Botschaft in Tel Aviv feierlich eröffnet worden. Vom armenischen Verteidigungsministerium veröffentlichtes Videomaterial zeigt eine aus Israel stammenden Drohne, die armenische Ziele angreift. Amnesty International berichtete, dass in Israel hergestellte, international geächtete Streubomben von den aserbaidschanischen Streitkräften verwendet würden.

Geschichte reicht bis ins 4. Jahrhundert zurück

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Armenien und Israel waren vor dem Ausbruch des Krieges vor allem durch ein Bemühen der armenischen Seite geprägt. Über 10.000 Armenier leben in Israel, die Geschichte der Armenisch-Apostolischen Kirche im Heiligen Land reicht bis ins 4. Jahrhundert zurück. Doch die Weigerung Israels den systematischen Mord an Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs als Völkermord anzuerkennen, belastet die Beziehungen. Durch den Konflikt um Berg-Karabach haben sie nun einen Tiefpunkt erreicht.

40 Prozent des in Israel verbrauchten Öls stammen aus Aserbaidschan. Im Gegenzug liefert Israel dem schiitisch-muslimischen Staat Waffen.

2016 wurden Lieferungen von Drohnen, Waffen und Munition im Wert von umgerechnet 4,5 Millionen Euro vereinbart. Einem Bericht der israelischen Tageszeitung "Haaretz" zufolge lieferte Israel auch kurz vor Beginn des Krieges und auch währenddessen Waffen an Aserbaidschan. Zu den wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Israel und Aserbaidschan kommen politische Überlegungen für die Regierung in Jerusalem. Berichten zufolge dient ihr Aserbaidschan als ein wichtiger Stützpunkt zur Überwachung der verfeindeten Islamischen Republik Iran.

Streit um die Nutzung von Israel gelieferter Waffen

Eine Petition des israelischen Friedensaktivisten Eli Joseph Mitte Oktober an den Obersten Gerichtshof Israels zum Verbot der Waffenverkäufe wurde abgelehnt. Es fehle an Beweisen, um eine Anhörung darüber zu rechtfertigen, ob sie für Kriegsverbrechen gegen Armenien verwendet wurden, begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Für Armenien hingegen steht außer Frage, dass "in Israel hergestellte Drohnen aktiv im Krieg gegen Berg-Karabach eingesetzt werden", wie der armenische Premierminister Nikol Paschinjan in einem Interview mit der "Jerusalem Post" (Dienstag) betonte. Israels Regierung müsse sich fragen, wer ihre Partner in diesem Konflikt sind. Auf der Seite Aserbaidschans kämpften "die Türkei, Terroristen und syrische Söldner".

Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) wiederholte auch der Direktor des armenischen Nationalkomitees in Israel, Harout Baghamian, die Forderung an Israel, mit sofortiger Wirkung die Waffenlieferungen an Aserbaidschan einzustellen. "Die armenische Gemeinschaft in Israel fordert dessen Regierung nachdrücklich auf, die aserbaidschanisch-türkische Aggression gegen Armenien zu verurteilen und sich nicht an einem Krieg zu beteiligen, dessen Hauptzweck die Zerstörung einer Nation und ihres kulturellen Erbes sowie die Einschränkung ihrer Freiheit ist", so Baghamian.

Die einzige Lösung des Konflikts, so der in Jerusalem geborene armenische Christ, sei "die Anerkennung der Unabhängigkeit von Azrach, die die Sicherheit und Geborgenheit seiner Bevölkerung garantieren kann". Allerdings ist nicht zu erwarten, dass ausgerechnet Israel die international nur von Armenien anerkannte "Republik Arzach" in Berg-Karabach diplomatisch legitimiert.


Nourhan I. Manougian ist armenischer Patriarch von Jerusalem (KNA)
Nourhan I. Manougian ist armenischer Patriarch von Jerusalem / ( KNA )

Israels Staatspräsident Reuven Rivlin / © Andrea Krogmann (KNA)
Israels Staatspräsident Reuven Rivlin / © Andrea Krogmann ( KNA )

Armenisches Völkermorddenkmal / © Wolfgang Radtke (KNA)
Armenisches Völkermorddenkmal / © Wolfgang Radtke ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema