DOMRADIO.DE: Erich Klausener war von 1919 bis 1924 Landrat in Recklinghausen. Welche Bedeutung hat er beziehungsweise hatte er für die Region?
Georg Möllers (Vorstand des Stadtkomitees der Katholiken in Recklinghausen): Er hatte eine große Bedeutung. Er war der erste demokratisch legitimierte Landrat nach dem Untergang des Kaiserreiches.
Außerdem war in der Nachkriegszeit das Gebiet - wie auch Deutschland insgesamt - von großen sozialen und politischen Herausforderungen geprägt. Der Kreis war industriell geprägt mit all den Problemen, die es damals auf dem sozialen und politischen Gebiet gab.
Politisch musste er sich zum Beispiel mit dem sogenannten Kapp-Putsch auseinandersetzen. Da hat er sich an die Spitze der des Widerstandes zusammen mit den Gewerkschaften und Parteien gesetzt. Anschließend gab es hier die Gegenbewegung, eine sogenannte Rote Ruhrarmee, wo er sich auch für den Schutz der Demokratie einsetzen musste.
1923 besetzten die Franzosen das Gebiet. Weil er sich für die Bevölkerung eingesetzt hat, wurde er inhaftiert und später ausgewiesen. Das war der politische Bereich. Im sozialen Bereich ist er bekannt geworden und in Erinnerung geblieben als sozialer Landrat wegen seiner zahlreichen Initiativen beispielsweise für an Tuberkulose erkrankte Kinder.
Er hat Einrichtungen für Behinderte und für Familien, den Bereich der sogenannten Fürsorge aufgebaut. Er hat große Herausforderung so gemeistert, dass als er 1924 verabschiedet wurde, von allen Parteien als sozialer Landrat verabschiedet wurde. Das war damals eine weite Palette.
DOMRADIO.DE: Sich einsetzen für Menschenrechte, für Demokratie, das hatte bei Erich Klausener oberste Priorität. 90 Jahre nach seinem Tod ist das wichtiger denn je. Was können wir aus seinem Wirken damals, heute mitnehmen und lernen?
Möllers: Nach seiner Ermordung hat man in seinem Schreibtisch eine handschriftliche Notiz gefunden. In der waren ein paar Lebensmaxime aufgezeichnet. Die erste war: "Sei wahrhaftig in deinem Handeln". Ich denke, das hat ihn ausgemacht.
Er war geprägt von der katholischen Soziallehre. Deswegen fühlte er sich für das Engagement im Staat , in der Gesellschaft, in der Familie und in der Kirche verantwortlich. Ich denke, das ist eine wesentliche Voraussetzung. Demokratien leben von Demokraten, die nicht nur zuschauen oder denken, es sei eine Selbstverständlichkeit, sondern die sich engagieren. Nur so funktioniert Demokratie.
DOMRADIO.DE: Es gab und gibt einige Gedenkveranstaltungen zu seinem Tod schon Anfang der Woche, am 24. Juni zum Beispiel in Berlin. Dort waren Sie mit einer Delegation aus Recklinghausen vertreten. Was hat es mit dem 24. Juni 1934 auf sich?
Möllers: Als Klausener nach Berlin kam, waren die Katholiken seit der Zeit der Industrialisierung eine kleine Minderheit von Zuwanderern. Klausener hat in Berlin die sogenannte Katholische Aktion aufgebaut. Dazu gehörte auch, dass er Großveranstaltungen organisiert hat, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken und um deutlich zu machen, dass sie eine Aufgabe für die Gesellschaft haben.
1934 war wie jedes Jahr, seitdem er das gemacht hat, ein sogenannter Märkischer Katholikentag. Der war auf der Rennbahn in Hoppegarten. Man schätzt die Teilnehmer auf 50 bis 60.000 Menschen. Das war nach der Machtergreifung Hitlers.
Weil er schon bedroht worden war, stand er nicht auf der Rednerliste. Dann hat er aber spontan doch eine Abschlussrede gehalten. Die Vermutung ist, dass er unter anderem auch deswegen sechs Tage später auf die Erschießungsliste kam, als gefährlicher Katholikenführer wie Göring später im Nürnberger Prozessen sagte.
DOMRADIO.DE: Am Sonntag gedenkt Recklinghausen Erich Klausener. Dazu gibt mehrere Veranstaltungen. Was haben Sie alles geplant?
Möllers: Wir haben eine Gedenkveranstaltung im ehemaligen Kreishaus, also in dem Sitzungssaal, in dem er gewirkt hat. An der nehmen auch politische Vertreter wie die Polizeipräsidentin und andere teil.
Außerdem haben wir einen Gottesdienst in der Propsteipfarrei Sankt Peter. Das war seine Pfarrkirche, als die Familie hier lebte. Daran wird auch der Regionalbischof Lohmann aus Xanten teilnehmen.
Anschließend findet ein Tag der offenen Tür im Erich-Klausener-Haus statt. Denn in Recklinghausen gibt es ein katholisches Zentrum, das 1992 auf seinen Namen getauft wurde.
Das Interview führte Carsten Döpp.