DOMRADIO.DE: So richtig Thema war Asien für die Vorgänger von Franziskus bis auf wenige Ausnahmen nicht. Warum ist das eigentlich so?
Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Kenner): Das würde ich nicht sagen. Ich glaube schon, dass man immer einen Fokus auf Asien hatte. Aber die politischen Umstände sowohl in Rom als auch in Asien sprachen dagegen, persönlich aktiv zu werden, das heißt Reisen in diese Länder zu unternehmen. Aber das Interesse war immer da. Besonders, wenn es in diesen Ländern zu kriegerischen Konflikten kam.
DOMRADIO.DE: Wenn ich das richtig sehe, war der erste Papst, der nach Asien gereist ist, Papst Paul VI. Worum ging es bei dieser Reise?
Nersinger: Er ist 1964 nach Bombay, dem heutigen Mumbai gefahren, zum Eucharistischen Kongress und dann 1970 nach Asien, Ozeanien und Australien. Also praktisch ein ähnliches Mammutprogramm, wie wir es jetzt von Papst Franziskus erleben.
DOMRADIO.DE: Damals war die Reise ziemlich gefährlich.
Nersinger: Es gab Attentatsversuche und es gab natürlich auch politische Stimmungen, die dem Papst nicht so wohlgesonnen waren. Das war schon ein gewagtes Unternehmen. Aber der Papst hat sich damals nicht abschrecken lassen, obwohl er auf dieser Reise sogar verletzt wurde. Diese Verletzungen hat er zwar größtenteils überspielt, aber diese Reise war schon ein großes Wagnis.
DOMRADIO.DE: In Asien tobte von 1955 bis 1975 der Vietnamkrieg. Da hat Papst Paul VI. vermittelt. Wie genau hat er das gemacht und wie erfolgreich waren seine Bemühungen?
Nersinger: Er konnte persönlich ja nicht dorthin. Da waren die politischen Umstände halt noch zu ungeklärt. Aber er hat doch versucht, durch eine ganze Reihe von Vermittlungen wirksam zu werden. Er hat zum Beispiel einen seiner engsten Vertrauten, den späteren Kardinal Pignedoli, nach Vietnam geschickt.
In die USA ist für ihn interessanterweise der später eher durch die Vatikanbank bekannt gewordene Prälat Marcinkus gereist. Mit dieser Strategie hatte Paul VI. zunächst sogar Erfolg. Er konnte Waffenstillstände vermitteln, gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten der Vereinten Nationen. Das gelang. Nur waren mit dieser Strategie auch Risiken verbunden.
Der zweite große Waffenstillstand für Vietnam war schon vereinbart worden und der amerikanische Präsident Lyndon Johnson hatte bereits zugestimmt, doch meldeten sich dann die amerikanischen Militärs. Sie wurden im Oval Office vorstellig und verhinderten einen Waffenstillstand.
Denn der kommunistische Vietcong nutzte diese Waffenstillstände zur Aufrüstung. Daran scheiterten die päpstlichen Bemühungen letztendlich.
Paul VI. hatte sich mehrfach um Frieden bemüht und hat damit auch viel Anerkennung auf allen Seiten erlangt. Der Vietnam-Krieg wurde so aber nicht gelöst. Zumindest konnte er aber erreichen, dass die Waffen wenigstens zeitweise schwiegen.
DOMRADIO.DE: Der nächste Papst, der nach Asien reiste, war Johannes Paul II., den man ja auch den Reisepapst genannt hat. Mehr als 100 Auslandsreisen hat er unternommen. Er war zum Beispiel in Indonesien, in Japan, in Singapur. Was waren da seine Anliegen?
Nersinger: Er wurde ja auch dann von der Presse "der eilige Papst" genannt. Das zeigt natürlich auch, dass sich schon damals Päpste ein Mammutprogramm aufgeladen haben. Das ist natürlich auch immer mit Gefahren verbunden. Teilweise wird es einfach zu viel.
Er hat vieles zu erreichen versucht, wahrscheinlich sogar etwas zu viel. Aber er hat auch wichtige Impulse gesetzt, das muss man anerkennen.
DOMRADIO.DE: Welche?
Nersinger: Er konnte die Beziehungen zu vielen asiatischen Staaten klar verbessern. Auch diplomatische Kontakte wurden hergestellt. So wurden etwa die diplomatischen Beziehungen zwischen vielen asiatischen Staaten und dem Vatikan normalisiert. Das war eine große Leistung.
DOMRADIO.DE: Nun bricht Franziskus zu seiner großen Asienreise auf. Worum geht es ihm dabei?
Nersinger: Das ist eine Frage, die sich nicht so ganz einfach beantworten lässt. Ich denke, dass es ihm natürlich auch um ein Ende der aktuellen Kriege geht.
Aber auch der interreligiöse Dialog, also der Versuch, die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften durch friedliche Initiativen zusammenzuführen, dürfte Franziskus ein Anliegen sein.
DOMRADIO.DE: Für einen 87-Jährigen wie Papst Franziskus, der gesundheitlich als angeschlagen gilt, klingt das nach einem intensiven Programm. Wie wird er das schaffen?
Nersinger: Mit einem eisernen Willen lässt sich das erreichen. Einen solchen hat er in vielen Bereichen gezeigt. Dennoch gibt es Fragezeichen, wenn es um seine Gesundheit geht.
Selbst wenn er die Reise an sich ohne Probleme hinter sich bringt, weiß man nicht, wie sich das langfristig auf seinen Körper auswirken wird.
Für die Berater von Franziskus war es bestimmt nicht einfach, die vielen Pläne des Papstes mit einem schonenden Reiseprogramm zu vereinen.
DOMRADIO.DE: Da scheint sich Franziskus durchgesetzt zu haben. Aber wird er genug unterstützendes Personal um sich haben?
Nersinger: Ja, aber in seinem Alter muss man natürlich mit allem rechnen, gerade wenn man bedenkt, wie viele Krankheiten er hat oder hatte und in wie vielen Bereichen er gesundheitlich gefährdet ist. Und da werden wir mal schauen müssen, wie sich das auf ihn auswirkt.
Das Interview führte Carsten Döpp.