Es hätte alles so schön sein können: Hochzeit, Kind, ein neues Haus … Aber das Glück von Anke Loos hält nicht lange. Als ihr Sohn acht Monate alt ist, trennt sich ihr Mann von ihr – wegen einer anderen. Das plötzliche Beziehungs-Aus macht alle hoffnungsvollen Zukunftspläne zunichte. Heute hat die 46-Jährige, die seit 16 Jahren alleinerziehend ist, zu dem Vater ihres Kindes keinen Kontakt mehr. Die junge Mutter, die als Standesbeamtin arbeitet, musste sich ihr Leben neu einrichten – ohne einen Mann an ihrer Seite und 365 Tage im Jahr allein mit ihrem Kind. "In dieser Zeit waren die Wochenend-Angebote der Alleinerziehenden-Pastoral für mich ein Anker. Sie boten die Möglichkeit, mal rauszukommen und etwas für mich zu tun, während mein Sohn gut betreut wurde und mit anderen Kindern spielen konnte."
Anke Loos absolviert Seminare mit der Überschrift "Starke Eltern – starke Kinder" und macht eine erste Mutter-Kind-Kur über die Caritas. Dann belegt sie ein Rhetorik-Seminar, wo sie Valeria Aebert kennenlernt, die auch eine Theatergruppe von alleinerziehenden Müttern leitet, bei der Loos von Anfang an mitmacht. Und sie hat sich vor einem Dreivierteljahr bei der "Werkstatt für Wünsche und Ideen" angemeldet, einer Initiative der Alleinerziehenden-Pastoral im Erzbistum Köln, bei der Aebert die Projektleitung übernommen hat. Heute, so erklärt Anke Loos, sei sie an einem Punkt, an dem sie mit einem neuen Selbstbewusstsein über sich sagen könne: "Meine Beziehung ist gescheitert, aber nicht ich."
Solidarität unter Alleinerziehenden stärkt die Persönlichkeit
Gabi Körner ist seit zehn Jahren alleinerziehend. Die 56-Jährige hat eine komplizierte Trennung hinter sich mit viel Streit, wie sie erzählt. Es seien schwierige Jahre gewesen, die hinter ihr lägen und die sehr an ihrem Selbstwertgefühl genagt hätten. 2009 nimmt sie an einem Silvester-Angebot für Alleinerziehende in Königswinter teil. Sie lernt andere alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern kennen und geht nun regelmäßig zu Angeboten für Alleinerziehende. Denn die Themen findet sie interessant. Und die Erfahrungen in einer Gruppe von Frauen, die mehr oder weniger dasselbe erlebt haben wie sie, machen ihr Mut. Die alleinerziehende Mutter einer heute 17-jährigen Tochter erlebt die gegenseitige Solidarität als entlastend und persönlichkeitsstärkend, wie sie sagt. Denn von Gleichbetroffenen bekommt sie immer wieder zu hören: Gib die Hoffnung nicht auf; es wird auch wieder andere Zeiten für dich geben. "In dieser Phase sind Freundschaften entstanden. Man erlebt, wie viele tolle Frauen es gibt, die eine solche Situation bravourös meistern", sagt Gabi Körner rückblickend.
Den Alltag leichter und schöner machen
So wie Anke Loos und Gabi Körner ist es auch anderen Frauen ergangen, die sich im August des vergangenen Jahres zum ersten Mal auf Einladung von Gertrud Ganser, verantwortlich für die Alleinerziehenden-Pastoral im Erzbistum, zu dem Projekt "Ideen-Werkstatt" getroffen haben. Den eigenen Alltag und den anderer alleinerziehender Mütter und Väter leichter und auch schöner zu machen, war das erklärte Ziel der Veranstaltung, bei der konkrete Unterstützungsangebote für Alleinerziehende entwickelt werden sollten. Leiten ließen sich die Teilnehmerinnen – bezeichnenderweise meldeten sich nur Frauen an – dabei von Fragestellungen wie: Worauf hätte ich Lust? Was traue ich mir zu? Was könnte ich mal anregen oder selber in meinem unmittelbaren Umfeld auf die Beine stellen? Und das mit dem Hintergedanken, einen Andockpunkt für Alleinerziehende in der Nähe zu organisieren: vielleicht einen Frühstückstreff, einen Stammtisch, einen Gesprächskreis oder ein anderes Gemeinschaftsprojekt mit geselligem Austausch, was Entlastung im Alltag bedeuten und die eigene Rolle als Alleinerziehende stärken würde.
Bei der offiziellen Präsentation solcher Initiativen, bei deren Entstehen Valeria Aebert zur unverzichtbaren Begleiterin der Frauen wurde, zeigten jetzt acht alleinerziehende Mütter im Internationalen Caritas-Zentrum Köln-Sülz, dass sie Durchhaltevermögen bewiesen und sich auf ihrem mehrmonatigen Weg nicht hatten entmutigen lassen. Auch wenn sie zugeben müssen, dass zwischenzeitlich viel Energie in die technische Realisierung dieser Ideen geflossen ist und dafür manches dicke Brett gebohrt werden musste. Gerade auch, wenn es für einen Frühstücksbrunch Kooperationspartner braucht oder – wie im Fall von Sabine Wanner, die als Sozialarbeiterin mit einer Zusatzausbildung zur Trauerbegleiterin eine Gruppe für Kinder nach der Trennung der Eltern installieren möchte und daher in ihrer Gemeinde nach einem Raum suchte – die lokale Unterstützung durch die Kirchengemeinde wichtig ist und jede Form der Ablehnung schmerzt. "Auch wenn meine Kinder heute erwachsen sind, möchte ich anderen alleinerziehenden Müttern zeigen, wie es gehen kann", begründet sie ihre Motivation, sich zu engagieren. "Denn mir hätte damals ein solches Angebot für meine Kinder nach der Trennung sehr geholfen", so die 51-Jährige.
Für ein Projekt professionelle Partner suchen
Auch Kerstin Hahn-Seifert hat sich gefragt: Was hätte ich damals in meiner akuten Situation gebraucht? Außerdem habe sie geschaut, was es bereits an Angeboten gibt, und überlegt: Wo würde meine Idee reinpassen? Sie hat mit ihrem Vorhaben, einmal im Monat in Bad Godesberg einen Brunch für Alleinerziehende anzubieten, Glück gehabt. Zufällig passte das genau zu dem aktuellen Bedarf der Bürgerstiftung Rheinviertel, mit der sie ihr Projekt nun aufzieht. Für sie hat sich bewährt, wozu auch Projektleiterin Aebert immer rät, nämlich zunächst den persönlichen Kontakt zu den Verantwortlichen zu suchen. Dieser Schritt hat sich ausgezahlt. Denn bei der Stiftung sei sie auf professionelle und sehr kreative Partner getroffen, erläutert sie bei der Präsentation ihres Projektes. Die Werbung läuft nun über das Familienzentrum vor Ort mit 14 angeschlossenen Kitas. Der Brunch selbst ist Teil eines breit aufgestellten Sozial- und Hilfesystems, sodass angesichts eines solchen Netzwerkes der Erfolg garantiert scheint.
"Man muss Mut haben"
Trotzdem lautet ihr Tipp zum Weitergeben: "Zieh es klein auf, vor Ort und ganz persönlich! Und such dir jemanden, der mitmacht!" Die Größenordnung eines Projektes, das man ja zunächst aus eigener Kraft stemmen wolle, müsse überschaubar bleiben. Außerdem sei für sie eine wesentliche Erfahrung gewesen, sich bei ihrem Wunsch-Kooperationspartner willkommen gefühlt zu haben und nicht gleich mit ihrem Anliegen abgewiesen worden zu sein – wie es manche ihrer Werkstatt-Kolleginnen erlebt hat. Kerstin Hahn-Seifert kann nun an jedem ersten Samstag im Monat zu einem Frühstück mit Kinderbetreuung ins Godesberger Pfarrzentrum St. Marien einladen. Und dort solle dann viel Zeit und Raum für Begegnung und Gespräch sein, betont sie. Heute weiß sie: "Man muss dran bleiben und Mut haben. Denn schließlich geht man mit einer solchen Initiative in die Öffentlichkeit." Das heißt, man werde gezwungen, laufen zu lernen und die Idee immer weiterzuentwickeln. Sie habe erlebt, dass es sich lohne, auch gegen Widerstände zu kämpfen. "Ich musste ein Konzept schreiben und eine Struktur für meine Idee schaffen. Dieser Prozess hat auch mir persönlich viel gebracht."
Gabi Körner bietet demnächst einen Clowns-Workshop für Groß und Klein an, denn an so etwas hat sie selbst einmal teilgenommen und viel Spaß dabei gehabt. "Unsere humorvolle Seite kommt im Leben viel zu kurz, weil sie im Alltag oft genug verdeckt bleibt. Dabei tut lachen – in jeder Lebenslage – einfach nur gut", ist sie überzeugt. Sie überrascht die Gruppe an diesem Sonntagvormittag mit einem launigen Vier-Minuten-Trailer, in dem sie eine Kostprobe von ihrem komödiantischen Talent gibt. "Schon kleine Erfolge benötigen viel Zeit", erklärt sie dazu lachend und um eine Erfahrung reicher. Denn an diesem Film habe sie mit einer Freundin ein paar Stunden gebastelt. Aber andere zu unterhalten – das sei nun mal ihr Ding. Auch das Projekt von Anke Loos ist noch in Arbeit, soll aber ebenfalls schon bald Alleinerziehende sinnvoll unterstützen. Sie will eine Datenbank zur digitalen Vernetzung Alleinerziehender innerhalb des Erzbistums an den Start bringen – mit vielen Tipps und Terminen, um für Menschen in einer vergleichbar schwierigen Lebenssituation eine Plattform zu schaffen.
"Alleinerziehende bereichern das kirchliche Leben"
"Uns ist wichtig, dass Alleinerziehende in den Gemeinden sichtbar werden – mit ihren Charismen und Gaben, aber auch mit dem, was sie brauchen, um ihre Situation zu bewältigen", sagt Dr. Philipp Wittmann, Leiter der Erwachsenenseelsorge im Erzbistum, der jeder der Teilnehmerinnen abschließend ein Zertifikat für die erfolgreiche Teilnahme an der Ideen-Werkstatt überreichte. "Alleinerziehende bereichern unser kirchliches Leben vor Ort. Und es würde etwas fehlen, wenn es sie nicht gäbe." Es sei bewundernswert und verdiene ein hohes Maß an Wertschätzung, dass Frauen, die aufgrund ihrer Situation ohnehin schon sehr belastet seien, sich dennoch Zeit für eine solche Ehrenamtsschulung nähmen, die letztlich im Kontext des pastoralen Zukunftswegs entstanden sei. "Vor allem zeigen diese tollen Projekte die vielfältigen Kompetenzen von Alleinerziehenden", ergänzt Gertrud Ganser. "Sie machen deutlich, wie wichtig es ist, sie als 'Fachfrauen für ihr eigenes Leben' bei Planung und Durchführung von Initiativen und Veranstaltungen miteinzubeziehen."