Weihbischof Losinger fordert Umgestaltung von Steuerrecht

"Einkommensgefälle gefährdet Demokratie"

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger fordert eine Umgestaltung von Erb- und Steuerrecht. Ein langfristig signifikantes Vermögens- und Einkommensgefälle gefährde demokratische Legitimation, Stabilität und sozialen Frieden.

Steuergeld / © Tobias Hase (dpa)
Steuergeld / © Tobias Hase ( dpa )

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger verlangt eine "signifikant bessere Startgerechtigkeit" in der Gesellschaft. "Warum kann es beispielsweise sein, dass in einem Krankenhaus, wo zwei Schwangere auf der gleichen Station liegen und entbinden, das eine Kind in absehbarer Zeit mehrfacher Millionär sein wird und das andere in Hartz-IV-Verhältnisse hineingeboren wird?", fragte Losinger im Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" am Donnerstag. Es brauche daher etwa eine Umgestaltung von Erb- und Steuerrecht. Ein langfristig signifikantes Vermögens- und Einkommensgefälle gefährde demokratische Legitimation, Stabilität und sozialen Frieden.

Losinger, von 2005 bis 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrates, ergänzte, "bei einer Reihe von Millionen- und Milliardenvermögen" müsse die Frage der Sozialpflichtigkeit von Eigentum diskutiert werden. "Eine gerechte Verteilung muss so strukturiert werden, dass alle Menschen von den in einer Volkswirtschaft erwirtschafteten Einkommen und Vermögen profitieren können." Eine Verteilung, bei der 45 der reichsten Familienhaushalte in Deutschland über mehr als 50 Prozent des Produktivkapitals verfügten, könne kein sinnvoller Maßstab sein.

Idee: Grundsatz eines gerechten Steuer- und Sozialrechts

Er plädiere nicht für eine Reichensteuer, sondern für den Grundsatz eines gerechten Steuer- und Sozialrechts, so der Weihbischof. Jeder Bürger solle entsprechend seiner persönlichen Leistungsfähigkeit belastet und eine angemessene Verteilung der Lasten auf alle Schultern gemäß ihrer Tragekraft organisiert werden. "Kein Milliardenunternehmen soll sich im Steuerdschungel dieser Republik armrechnen können." Die steuerliche Gleichbehandlung aller Bürger sei eine systemische Frage der Freiheit und Gerechtigkeit und damit eine Frage der Glaubwürdigkeit der demokratischen Verfassung.

Veränderungen forderte Losinger auch beim Mindestlohn: "Wenn wir auf den Lohnniveaus, die im Niedriglohnsektor bezahlt werden, bleiben, dann wird in absehbarer Zeit eine signifikante Altersarmut auf uns zukommen." Gebe es keine besseren Ideen, plädiere er deshalb für eine Erhöhung des Mindestlohnes. Leistung müsse zudem klar honoriert werden, aber mit sozialem Vergleichsmaßstab. "Wir werden wohl ähnlich wie zu Beginn des Industriezeitalters eine Sozialenzyklika 'Rerum Novarum' brauchen, die neue Gerechtigkeitsmaßstäbe definiert und einfordert."


 

Weihbischof Anton Losinger / © Harald Oppitz (KNA)
Weihbischof Anton Losinger / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA