Ungestörte Zweisamkeit, Zuhören und Reden, Ehrlichkeit, Vertrauen, Respekt, Treue, Kompromissfähigkeit, Rücksichtnahme – in der Theorie weiß vermutlich jedes Paar, worauf es in einer guten Partnerschaft ankommt. Wo die Fallstricke liegen und die Tücken wiederkehrender Verhaltensmuster, die das praktische Zusammenleben im Alltag dann zur echten Herausforderung machen. Ach, wenn es doch so einfach wäre, aus der Erkenntnis die entsprechende Konsequenz zu ziehen, dem Geheimnis einer gelingenden Ehe auf die Spur zu kommen und den Schlüssel zum eigenen Glück nur ins rechte Schloss zu stecken.
Was hält Paare zusammen? Was ist ihnen wichtig? Wie pflegen sie ihre Beziehung? Haben sie Rituale, gemeinsame Interessen, Hobbies? Was brauchen sie und was hilft ihnen – "in guten wie in schlechten Tagen"? Welchen Stellenwert hat der Glaube, das gemeinsame Gebet, eheliche Spiritualität? Diese Fragen standen im Zentrum eines "Tages der Begegnung", zu dem Weihbischof Dominik Schwaderlapp bistumsweit alle Paare, die zehn oder 25 Jahre lang miteinander verheiratet sind, ins Kölner Maternushaus eingeladen hatte. "Die Ehe ist ein lebenslanges Projekt und das Eheversprechen kein Erinnerungsfoto, das verstaubt, sondern etwas, das lebendig bleibt", stellt er gleich zu Beginn fest, während er mit den knapp 280 Erwachsenen – die 138 angemeldeten Paare hatten außerdem rund 100 Kinder mitgebracht, für die es ein eigenes Programm gab – die einzelnen Bestandteile Satz für Satz durchgeht und diese mit anschaulichen Bildern und Beispielen füllt. Er spricht über das Wesen von Liebe und betont die theologische Dimension dieses Versprechens.
Vor allem ruft er noch einmal in Erinnerung, dass in dem Vermählungsspruch ein ganzes Lebensprogramm enthalten sei. "Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an… Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet…" Seinen vielen Zuhörern im Plenum sichert Schwaderlapp zu, das große Projekt Ehe nicht alleine, sondern mit einem Dritten im Bunde – Gott – eingegangen zu sein. Und er erklärt, welche existenzielle Verbindlichkeit es hat, wenn zwei Menschen vor den Traualtar treten und sich einander das Sakrament der Ehe spenden. "Der Schöpfer hat eine große Sehnsucht nach einer dauerhaften Liebe in unser Herz geschrieben – ohne Verfallsdatum. Liebe will sich immer ausdehnen und bleiben", so Schwaderlapp wörtlich. In einer Ehe gehe es um die Zusage: Du bist geliebt, Du bist gewollt. Du stehst vor Gottes Angesicht.
In seinem kurzweiligen und gleichzeitig anregenden und informativen Vortrag über die kirchliche Eheschließung, in den er mit einer wohltuenden Portion Humor auch die eine oder andere Anekdote und launige Bemerkung über das Eheleben einstreut, fehlen aber auch eigene Erfahrungen zu den Themen Liebe, Bindung und Hingabe nicht, die er, wie er sehr berührend schildert, auch als zölibatär lebender Priester mache. Und außerdem stammt der Bischof selbst aus einer großen Familie, wie er erzählt: mit vier Brüdern, 20 Neffen und Nichten und darüber hinaus 28 Großneffen und -nichten.
Immer gehe es Liebenden darum, jemanden in das eigene Herz zu lassen, ihm dafür die Tür von innen zu öffnen und dieser Liebe die Treue zu halten. "Treusein", so erklärt er, "ist ein Auftrag für das ganze Leben und ein hohes Gut, das wir in zerbrechlichen Gefäßen tragen."
Den anderen mit seiner ganzen Persönlichkeit anzunehmen bedeute weitaus mehr als nach dem Wahl-O-Mat-Prinzip einen möglichst hohen Prozentsatz an Übereinstimmung festzustellen. Eine Empfehlung des Seelsorgers: nicht nachzulassen mit den vielen kleinen Gesten der Aufmerksamkeit, Achtung und Liebe und nicht aufzuhören, nach den Träumen des anderen zu fragen, nach seinen Ängsten, aber auch seinem liebsten Urlaubsziel. "Nicht zuletzt um zu wissen, wo wir in einer Sackgasse landen und ein anderer Weg gefunden werden muss." Der Appell des Bischofs: "Bringen Sie Ihre Partner-Landkarte auf den neuesten Stand!"
Kommunikation muss gepflegt werden
Ein weiterer Rat betrifft die Kommunikation, der klassische Dauerbrenner für in die Jahre gekommene Langzeitbeziehungen. "Kommunikation – Verständigung darüber, was der andere braucht, ihm gut tut – schlägt eine Brücke von Herz zu Herz, ist aber kein Selbstläufer", stellt er fest und spricht analog dazu die Kommunikation mit Gott an. Auch sie sei irgendwann weg, wenn sie nur so vor sich hin dümpele, nicht regelmäßig gepflegt werde.
Schwaderlapp lässt auch die schwierigen Themen in einer Ehe nicht aus: Kinderlosigkeit, Krankheit, Persönlichkeitsveränderung. Wie schwer es sei, mit solchen Widerfahrnissen umzugehen und dennoch zu dem zu stehen, was man einst versprochen habe. Er bricht eine Lanze für das Sakrament der Versöhnung, das immer wieder einen Neuanfang ermögliche und die befreiende Barmherzigkeit Gottes erfahrbar mache, wie er sagt. Und noch eine Botschaft will der Seelsorger den Ehejubilaren mitgeben: "Es lohnt sich zu kämpfen. Aus Krisen kann man gestärkt hervorgehen. Geben Sie nicht auf! Die Ehe ist – wie das Priestersein – ein Weg und jeder Tag ein neuer Anfang." Er wolle dazu ermutigen, nicht alt zu werden und zu resignieren, sondern immer wieder an sich zu arbeiten und – so gesehen – jung zu bleiben. Letztlich sei der Ring für all dies ein Zeichen nach innen und nach außen: Ich bin gebunden und vergeben. Was schließlich auch dem eigenen Schutz diene.
Mit Nachdruck versichert Schwaderlapp: "Gott ist immer mit dabei, auch wenn Sie glauben, er sei nicht da. Lassen Sie ihn nicht nur als blinden Passagier im Boot Ihrer Ehe mitfahren. Lassen Sie ihn rauf an Deck und reden Sie mit ihm! Öffnen Sie Ihr Herz! Sie sind längst in seinem und lassen Sie zu, dass der, der Sie bisher getragen hat, auch weiterträgt."
Gesamtpaket muss stimmen
Dabei ist dem Weihbischof, der solche Treffen dreimal im Jahr veranstaltet und im Wechsel auch die fünf, 15, 20 und 30 Jahre lang verheirateten Paare einlädt, aber genauso wichtig, dass die Mischung aus inhaltlicher Anregung und Seele baumeln lassen als attraktives Gesamtpaket stimmt. Und so gehört neben moderierten Kleingruppengesprächen, in denen jeder nach seinem Rezept für eine gelingende Ehe gefragt wird, einem gemeinsamen Gottesdienst in St. Ursula mit allen Kindern, in dem sich jedes Paar und jede Familie nochmals einzeln segnen lassen kann, schließlich auch ein gemütliches Abendessen.
Die Zweisamkeit neu beleben – auch spirituell – dafür kann ein solches Angebot genau das richtige Format sein. Denn nach einer langjährigen Ehe bewegt sich das Leben oft in eingefahrenen Bahnen. Schließlich stellt sich spätestens, wenn auch das jüngste Kind ausgezogen ist und Eltern alleine zurückbleiben, unvermeidlich für viele die Frage: Wo stehen wir jetzt selbst? Und wo mit unserer Ehe? War’s das jetzt, wenn ein wesentlicher Lebensinhalt, die alltägliche Sorge um die Familie, mit einem Mal fehlt? Ein solches Innehalten kann zu einer harten Prüfung werden, aber auch eine Chance sein, dem langjährigen gemeinsamen Lebensweg neue Facetten abzugewinnen und sich auch noch einmal darauf zu besinnen, wie die Geschichte zu zweit einmal angefangen hat und welche eigenen Bedürfnisse bestehen, die über all die Jahre eher zurückgestellt oder gar verschüttet worden sind.
Erneuter Blick auf die Ehe tut gut
4000 Paare, die im Jahr 1999 und 2014 im Erzbistum Köln den kirchlichen Bund fürs Leben geschlossen haben, wurden zu dieser Veranstaltung vom Bistum angeschrieben. Etwa zehn Prozent davon haben geantwortet und wiederum die Hälfte davon hat eine feste Zusage für ihre Teilnahme gegeben.
"Dieser Tag führt uns zu unseren Wurzeln zurück", erklärt Tina Heisterkamp aus Nörvenich, die mit ihrem Mann seit 25 Jahren verheiratet ist, und meint damit die regelmäßigen Exerzitien und Glaubenswochenenden, an denen sie früher teilgenommen haben. "Er ist ein Impuls zu reflektieren, ob wir noch bei Gott sind, ob er bei uns wirklich noch der Ditte im Bunde ist." Ja, sie erhoffe sich von diesem Treffen die Bestätigung, dass Gott trotz aller Hochs und Tiefs in ihrer Beziehung immer noch da sei. Vor fünf Jahren seien sie schon einmal bei einem solchen Begegnungstag dabei gewesen, berichtet Klaus Heisterkamp. "Damals hat uns gut getan, noch einmal einen Blick auf unsere Ehe zu werfen."
Das bestätigen auch Birgit Braun-Kurtenbach und ihr Mann Harald. Sie sind ebenfalls zum zweiten Mal eingeladen und sehen darin eine "nette Geste der Kirche", über die sie sich sehr freuen. "Unsere diesjährige Silberhochzeit ist ein besonderer Anlass, noch einmal über die wichtigsten Aspekte, die uns in unserer Ehe tragen, nachzudenken und auch dankbar für diesen gemeinsamen Weg ohne bislang größere Einschläge zu sein." Zufällig haben die beiden ein Paar aus Nigeria getroffen, das am selben Tag wie sie geheiratet hat. "Was für ein Zufall und ein wunderbar belebendes Gespräch. Gemeinsam haben wir uns daran erinnert, dass der 3. Juli 1999 ein strahlender Sommertag war."
Auch Miren Ezpeleta und Robert Kremer aus Köln würdigen ausdrücklich den Vorstoß der Kirche, in dieser Weise auf die Menschen zuzugehen und gleichzeitig auch ein Forum zur Vernetzung für verheiratete Paare untereinander zu schaffen. "Wir waren überrascht, haben aber umgehend zugesagt", erzählt Robert Kremer. Hier nun im Maternushaus habe ihn vor allem der geistliche Impuls zum Eheversprechen, dessen unvermutete Lebendigkeit und Relevanz sehr bewegt. Mit Blick auf das eigene Leben erscheine ihm dieses Versprechen jetzt noch einmal in einem ganz neuen Licht.