DOMRADIO.DE: In Ihrem Grußwort war zu erkennen, dass Sie die Distanz zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche für zu groß halten. Woran machen Sie das fest?
Weihbischof Rolf Steinhäuser (Kölner Weihbischof und Bischofsvikar für die Ökumene und den interreligiösen Dialog): Ein Grußwort ist grundsätzlich freundlich und hebt das Gemeinsame, das Verbindende hervor. Dieses Mal habe ich mir die Freiheit genommen, eine Problem zu benennen. Ich habe den Eindruck, 2017 war für uns das letzte wirklich gute Jahr in der Ökumene, als 500 Jahre Reformation gefeiert wurden. Ein paar spektakuläre Gottesdienste und Veranstaltungen fanden statt. Nun habe ich den Eindruck, dass wir mehr nebeneinander existieren. Das finde ich schade, da beide, evangelische und katholische Christen, vor den gleichen gravierenden Grundproblemen stehen.
DOMRADIO.DE: Wie war die Reaktion auf das Grußwort?
Steinhäuser: Ich bin von vielen Synodalen angesprochen worden. Die fanden es gut. Ein Grußwort gehört zur ornamentalen Verzierung einer Synode. Es sind keine großen inhaltlichen Beiträge. Dafür habe ich jedoch viel Resonanz bekommen. Es hat mich gefreut.
DOMRADIO.DE: Beide Kirchen stehen eigentlich vor dem selben Grundproblem. Welche sind die markantesten Punkte, an denen man dies erkennen kann?
Steinhäuser: Wir haben keinen Grund, uns voneinander abzugrenzen oder uns an den Schwächen des jeweils anderen zu freuen. Wir sitzen in einem Boot. Wir haben die gleichen Grundprobleme.
Der Anteil der religiös kirchlich geprägten Menschen in der deutschen Bevölkerung liegt nur noch bei 13 Prozent. Das bedeutet, 87 Prozent sehen sich nicht als religiös. Es gibt also eine größere Gruppe von Menschen, denen Kirche recht gleichgültig ist. Dies war jedoch auch nicht anders zu erwarten. 56 Prozent der Menschen würden sich nun jedoch zu den Säkularen zählen.
Das sind die Menschen, für die der Glaube keine Rolle für das praktische Leben spielt. Einem großen Teil von Ihnen ist Kirche nicht nur egal, sondern sie halten sie für schädlich. Zum ersten Mal lässt sich eine entschiedene Gegnerschaft der Kirche erkennen.
Früher hat man nach der Wiedervereinigung im Osten gesagt, dass man nichts glaubt und einem auch nichts fehlt. Heute gibt es Menschen, die nicht glauben und es sogar für schädlich halten. Das ist eine massive Veränderung, die sich stimmungsmäßig deutlich auswirkt. Es gibt immer weniger Menschen, die ein christliches Gottesbild teilen. Nur noch 19 Prozent der Bevölkerung glauben an einen persönlichen Gott, der sich in Jesus Christus zu erkennen gibt.
Ein großer Teil der Bevölkerung glaubt weder an einen Gott, noch an ein höheres Wesen oder eine geistige Macht. Das ist alles fremd. Ein ganzer Teil weiß auch gar nicht, was man glauben sollte und wie man sich situieren sollte. Der Glaubensverlust, der Vertrauensverlust in die konkreten Kirchen, sowie eine wachsende Gegnerschaft spielt eine große Rolle. Davon sind evangelische und katholische Christen grundsätzlich in gleicher Weise betroffen.
Nach der Untersuchung der evangelischen Kirche, die mit katholischer Beteiligung zum ersten Mal erfolgt ist, stehen wir Katholiken noch ein bisschen schlechter da, als unsere evangelischen Glaubensbrüder und Glaubensschwestern.
DOMRADIO.DE: Im Grußwort erwähnten Sie, beide Konfessionen sollten nicht das Nebeneinander leben, sondern das Miteinander. Wie kann Ökumene wieder intensiver gelebt werden
Steinhäuser: Die Frage ist leicht zu formulieren. Die Antwort ist schwieriger. Die kann ich nicht so einfach nennen. Wichtig ist, sich nicht voneinander zu distanzieren. Man sollte begreifen, dass die gleichen Grundprobleme bestehen und diese besprechen. Man sollte versuchen, Lösungen zu finden. Alles andere wäre zu schlicht.
Leider gibt es kein Rezeptbuch, wie die Probleme zu beseitigen sind. Es sind Dinge, die uns unser Leben lang begleiten werden.
Das Interview führte Stephan Baur.