Bethlehem und seine Christen trotzen der schwierigen Lage

Weihnachts-Selfies mit dem Erzbischof

Laut, voll, von schrill bis kitschig: Feierfreude trotz schwieriger Lage. In Bethlehem versammelten sich Tausende zu den traditionellen Weihnachtsfeiern. Wer wollte, konnte trotz Lärm und Trubel auch ruhige Orte finden.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Weihnachten in Bethlehem: Prozession mit Erzbischof Pierbattista Pizzaballa / © Andrea Krogmann (KNA)
Weihnachten in Bethlehem: Prozession mit Erzbischof Pierbattista Pizzaballa / © Andrea Krogmann ( KNA )

Auch in diesem Jahr fehlte es an keiner der bekannten Ingredienzen, die das Weihnachtsfest in Bethlehem traditionell ausmachen. Menschenmengen drängten sich in der Altstadt und auf dem Krippenplatz. Pfadfinder mit Trommeln und Dudelsäcken spielten Weihnachtsklassiker in schmissiger Version. Und auch das Wetter spielte mit: Statt des vorhergesagten Wintersturms empfing die Geburtsstadt Jesu Pilger, Besucher und Kirchenvertreter mit Sonnenschein und Schäfchenwolken. Ein gutgelaunter Patriarchatsleiter nahm sich Zeit für den Weg durch die Altstadtgassen bis in die Geburtskirche.

Gute zwei Stunden brauchte der Zug um Erzbischof Pierbattista Pizzaballa für die letzten Kilometer entlang bonbonfarbener Türen in der frisch überholten "Star Street". Der Italiener drückte Hände, küsste Kleinkinder in Weihnachtsmannkostümen und hielt für Dutzende Selfies mit Gläubigen und schaulustigen Muslimen still. Die politische und wirtschaftliche Lage des Landes lasse eigentlich keine Hoffnung zu, sagte er auf dem Weg zur Geburtskirche. Die Freude der Menschen am Wegrand und das Engagement besonders der Jungen für eine Zukunft aber, "das ist Hoffnung, das ist Weihnachten".

"Das Herz der Menschen erobern"

Jesu Geburt habe nicht die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dramen seiner Zeit gelöst, hatte Pizzaballa in den Tagen vor Weihnachten wiederholt betont und damit den realistischen Ton statt frustrierter Klage und süßlichen Weihnachtswünschen angeschlagen. Jesus habe "keine Macht, sondern das Herz der Menschen erobern" wollen.

In der Mitternachtsmesse in der vollbesetzten Katharinenkirche rief er die Gläubigen auf, sich den "Stil von Bethlehem" anzueignen. Nicht den schrill-lauten des heutigen weihnachtlichen Volksfests freilich, sondern jenen Stil Jesu, von dem seine Geburt erzählt: "in Stille, ohne Aufhebens und ohne Lärm" das Licht der Herrlichkeit Gottes in die Dunkelheit zu bringen.

Unterhaltung auf dem Krippenplatz

Wenn wohl auch nicht aus vorauseilendem Gehorsam war es tatsächlich stiller an diesem Abend in Bethlehem. Die zentrale Bühne, von der aus in den Vorjahren Chöre und Gruppen für Unterhaltung auf dem Krippenplatz sorgten, fehlte in diesem Jahr ebenso wie das übliche Gedränge. Dabei waren die Hotels der Stadt wie in den Vorjahren voll belegt, wie Tourismusministerin Rula Maaya angab. Mindestens 15.000 Pilger blieben an Weihnachten über Nacht, ein Trend, der sich auch in der Zahl ausländischer Besucher des Westjordanlands niederschlägt: 3,5 Millionen, eine halbe Million mehr als im Vorjahr, kamen 2019.

Trubelig oder nicht: "Es gibt keinen besseren Ort für Weihnachten als Bethlehem", finden Victoire und Margot. Gern hätten die beiden Französinnen an der zentralen Christmette in der Katharinenkirche teilgenommen. Die dafür nötigen Einlasstickets müssen Monate im Voraus reserviert werden – ein schwieriges Unterfangen für Pilgerinnen, die vier Monate zu Fuss von Paris unterwegs waren. Ihre pragmatische Wahl für den Heiligabend fiel auf die Hirtenfelder.

"Zu jeder Stunde an jedem Ort"

Das zweite Zentrum der Bethlehemer Weihnacht liegt gut eine halbe Stunde Fußweg durch weihnachtlich geschmückte Straßen vom Krippenplatz entfernt, und sieht man ab von den grell beleuchteten Restaurants vor dem Gelände, herrscht an der von den Franziskanern verwalteten heiligen Stätte zahlreicher Pilger zum Trotz eine ungewöhnlich meditative Stimmung.

Im Halbdunkel einiger Lichterketten in Engelform bieten verschiedene Zelte, Grotten, Kapellen und Plattformen den Gläubigen bis in die Morgenstunden Raum für Gottesdienste. "Zu jeder Stunde feiert an jedem Ort eine andere Gruppe", erklärt Nicolas, seit zwei Monaten Aspirant bei den Heiligland-Franziskanern. Den Belegungsplan der Heiligtümer in der Hand, sorgt der Argentinier diskret dafür, dass aus dem Andrang keine "Messe am Fließband" wird. Für alle hier, sagt er mit leiser Stimme, "ist die Feier der Geburt Jesu am Ort dieser Geburt ein einmaliges und sehr emotionales Erlebnis".


Erzbischof Pierbattista Pizzaballa bei der Prozession zum Krippenplatz / © Andrea Krogmann (KNA)
Erzbischof Pierbattista Pizzaballa bei der Prozession zum Krippenplatz / © Andrea Krogmann ( KNA )

Pfadfinder mit der Flagge der Palästinensischen Autonomiegebiete vor der Geburtskirche in Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Pfadfinder mit der Flagge der Palästinensischen Autonomiegebiete vor der Geburtskirche in Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
KNA