domradio.de: Dass Afrika ein "Krisenkontinent" ist, ist bekannt. Was bedeutet das Hilfspaket der Kanzlerin für die Menschen dort?
Richard Haep (Leiter des Berliner Büros der Welthungerhilfe): Zunächst ist es kein Hilfspaket der Kanzlerin. Frau Merkel versucht die G-20-Staaten zu bewegen, sich mehr in Afrika zu engagieren und bemüht dazu sehr stark den Privatsektor. Die Welthungerhilfe begrüßt das, da natürlich auch private Investitionen nötig sind. Es ist aber nicht das einzige, was getan werden muss. Bei den privaten Investitionen wünschen wir uns, dass sie natürlich auch die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards, die sie hier berücksichtigen müssen, auch dort berücksichtigen. Wir wünschen uns, dass in Afrika vor allen Dingen kleine und mittelständische Betriebe gefördert werden und dass das Hilfspaket kein Parallelweg ist zu dem großen Plan der Vereinten Nationen, nämlich der so genannten "Agenda 2030".
domradio.de: Das klingt fast so ein bisschen wie "Ziel verfehlt"?
Haep: Wir würden da nicht so exklusiv und eindeutig sein. Afrika ist sehr komplex und Heimat für hat 55 Länder, eine Milliarde Menschen; es gibt dort sehr viele Sprachen und Kulturen. Jedes Land ist anders und hat eine andere Situation. Es gibt sehr viele positive Aspekte an Afrika und es gibt sehr viele positive Entwicklungen. Man braucht also auch für jedes Land ein einzelnes Maßnahmenpaket, das sind aber nie nur Privatsektorinvestitionen.
domradio.de: Politiker sprechen seit einigen Jahren von einer Stärkung des Kontinents. Spielt die Flüchtlingskrise dabei eine größere Rolle?
Haep: Das ist ganz stark auch ein Eindruck, der sich uns aufdrängt. Wir sprachen immer von einer Notwendigkeit, Entwicklung in Afrika zu fördern und auch aus humanitären Gründen Hungersnöte zu bekämpfen. Afrika steht indes mehr im Mittelpunkt, seitdem sich sehr viele Menschen in Richtung Europa bewegen, die aus Afrika kommen. Wir finden, dieses Hilfspaket ist nicht die richtige Strategie: Denn der "Compact with Africa", der hier diskutiert wurde, arbeitet mit den Ländern, die nicht im Zentrum der Migration stehen, sondern mit den Transitländern. In fragilen Ländern, in denen solche Bedingungen herrschen, unter denen Menschen keine Perspektive haben und sich deshalb auf den Weg machen, da finden derzeit keine Privatsektorinvestitionen statt.
domradio.de: Was wäre dann eine richtige Strategie: Wie und wo müssten die G-20 investieren?
Haep: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir uns stärker an die ärmsten und in die fragilen Länder wenden und helfen, dass dort Demokratie weiterentwickelt wird und dass die Korruption zurückgeht. Vor allen Dingen muss in Bildung und in die ländlichen Räume investiert werden, denn nur so können wir überhaupt einen Entwicklungsprozess in Gang setzen. Dabei können Privatsektorinvestitionen helfen; aber sie sind kein Allheilmittel.
Das Interview führte Verena Tröster.