DOMRADIO.DE: Wie haben Sie das erlebt? Sie waren mit im Raum.
Prof. Dr. Thomas Söding (Bibelwissenschaftler, Seniorprofessor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität Bochum und als Experte Teilnehmer der Weltsynode ohne Stimmrecht): Ja, ich war dabei. Die Spannung war groß. Im Vorfeld war nicht vereinbart, dass zehn Studiengruppen eingerichtet werden, die das Feld sondieren sollten, um der Synode zu helfen, sich auf das Thema Synodalität zu konzentrieren. Trotzdem gab es am letzten Freitag eine Begegnung mit diesen Gruppen.
Alle Gruppen haben gut gearbeitet und die Synode ernst genommen. Doch bei der Gruppe, die sich mit dem Diakonat der Frau beschäftigte, gab es einen Eklat. Die Synode wurde hier nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe gesehen.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet das für die Diskussion um die Frauenweihe? Entwickelt sich da eine ungewollte Dynamik?
Söding: Zunächst hat die Synode durch den Protest ein Stück Selbstachtung zurückgewonnen. Der Unmut war so groß, dass der Präfekt des Glaubensdikasteriums sich noch am selben Tag entschuldigte. Ein neuer Termin mit Victor Fernandez ist für Donnerstag angesetzt. Formal hat sich also etwas getan, was die Synode gestärkt hat. Inhaltlich gibt es aber noch keine Fortschritte.
DOMRADIO.DE: Der Sinn der Synode ist ja ein gegenseitiges und wertschätzendes Zuhören. Die Arbeitsgruppe zur Frauenweihe bleibt aber anonym, und die Rückmeldungen gehen per Mail an den Vatikan. Was sagt das über das Synodalitätsverständnis im Vatikan aus?
Söding: Das zeigt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Aber wenn man die anderen Gruppen betrachtet, sieht man, dass mit gutem Willen vieles möglich ist. Die Synode arbeitet fleißig. Heute wird zum ersten Mal der Text vorgestellt, auf den sich die Synode einigen soll. Es wird intensive Debatten geben, und am Samstag wird über jeden Absatz abgestimmt.
DOMRADIO.DE: Ein weiteres wichtiges Thema ist die Dezentralisierung der Kirche. Nationalen Bischofskonferenzen soll mehr Autorität eingeräumt werden. Kritiker befürchten, dass die Kirche dadurch ihre Einheit verliert. Was entgegnen Sie dem?
Söding: Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, und das zeigt sich auch auf dieser Synode. Es gibt keine separatistischen Bestrebungen, sondern einen starken Willen zur Einheit. Die Frage ist, welche Formen von Partizipation verbindlich sind.
Dezentralisierung betrifft Strukturen auf Weltebene, kontinentaler Ebene, nationaler Ebene, Diözesen und Pfarreien. Es wird sicher Signale zur Verbindlichkeit geben, und auch Formen der Zusammenarbeit der Bischöfe untereinander und mit anderen, den sogenannten Laien. Wir werden sehen, wie sich diese Entwicklung im Endtext niederschlägt. Es wäre sehr wichtig.
DOMRADIO.DE: Am Ende hängt alles an Papst Franziskus. Wie wird er sich bei diesen Konfliktfragen verhalten?
Söding: Ja, das ist so. Die Beschlüsse der Synode sind Empfehlungen an den Papst. Er spielt eine aktive Rolle, denn die Idee einer synodalen Kirche stammt von ihm. Ich bin zuversichtlich, dass er starke Impulse zur Partizipation und Dezentralisierung aufnehmen wird. Die Rolle der Frauen wird gestärkt werden, sowohl in der Gemeindeleitung als auch in den Beratungs- und Entscheidungsgremien. Wie das Thema der sakramentalen Ordination weiterverfolgt wird, bleibt abzuwarten.
Das Interview führte Carsten Döpp.