Weltsynodenteilnehmerin hofft auf Überwindung der Spaltung

"Würde unserem Kontinent ganz viel helfen"

Im Oktober beginnt die finale Phase der Weltsynode. Inhaltlich geht es um eine neue Gesprächskultur und Reformen in der Kirche. Vergangene Woche gab es ein europäisches Vorbereitungstreffen, mitorganisiert von Klara-Antonia Csiszar.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Synodenaula während der Weltsynode im Jahr 2023 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Synodenaula während der Weltsynode im Jahr 2023 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bei dem Treffen in Linz in Oberösterreich ging es um einen Austausch unter den europäischen Synodenteilnehmern. Wie haben sich Ihre Erwartungen an dieses Treffen rückblickend erfüllt? 

Prof. Dr. Klara-Antonia Csiszar / © Harald Oppitz (KNA)
Prof. Dr. Klara-Antonia Csiszar / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Klara-Antonia Csiszar (Professorin für Pastoraltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz und Synodenteilnehmerin): Meine Erwartungen sind übertroffen worden. Ich bin sehr überrascht, wie gut der Austausch zustande gekommen ist. Wir waren von der Teilnehmerzahl her eine ziemlich überschaubare Gruppe. Allein schon das Mitmenschliche, dass sich jede und jeder bei Namen kennenlernen und ansprechen konnte, hat natürlich an der Gruppendynamik schon was bewirken können. 

Entsprechend konnte auch das Vertrauen gut entwickelt und gelebt werden. Außerdem konnten wir dementsprechend auch aufrichtig über das "Instrumentum laboris" (Arbeitsdokument der Weltsynode) miteinander ins Gespräch kommen und darüber sprechen, was dies für die jeweiligen Ortskirchen bedeutet: Welche wichtigen Punkte entnimmt man? Wo stößt man auf etwas, was einen irritiert? Und welche Stimme spielt Europa angesichts dieses Austausches in der Symphonie der Weltkirche?

DOMRADIO.DE: Sie sprachen im Vorfeld bei dieser "Stimme von Europa" von einer Vielfalt. Wie ist diese Vielfalt bei dem Treffen sichtbar geworden? 

Csiszar: In Europa haben wir mit dieser Vielfalt zu tun. Ich weiß noch, wie überrascht viele in Prag angesichts dieser Vielfalt waren, als damals das erste Mal nicht nur Bischöfe aus Europa miteinander tagelang diskutiert haben, sondern auch Laienvertreter. Da war die Vielfalt schon sehr deutlich geworden und wir wussten gar nicht so recht, was das bedeutet und wie wir Spannungen angesichts dieser Vielfalt aushalten können, sodass keinem die Katholizität abgesprochen wird. 

Jetzt in Linz haben wir gemerkt, dass wir diese Vielfalt zum einen immer mehr schätzen lernen, aber auch Spannungen aushalten können und erkennen. Das ist der Normalfall, katholisch zu sein. Wir haben in Linz versucht zu erlernen, wie daraus Zukunft gedacht werden kann.

DOMRADIO.DE: Es wurde ähnlich wie bei der Weltsynode auch in kleinen Sprachgruppen gearbeitet, die im Plenum ihre Ergebnisse vorgestellt haben. Was sind das für Themen, die den europäischen Katholikinnen und Katholiken am meisten unter den Nägeln brennen?

Klara-Antonia Csiszar

"Wir müssen nicht voneinander lernen und immer Bescheid wissen, wie der andere zu denken hätte, sondern miteinander eruieren, wo eigentlich unsere Stärken, Schwächen, Hoffnungen, Ängste und Freuden liegen."

Csiszar: Alle merken, dass es der katholischen Kirche in Europa nicht gut geht. Es gibt verschiedene Diagnosen und Deutungen, Hermeneutik, warum das so ist. Das hat man in Austausch bringen können. 

Jetzt wiederum war ganz eindeutig, dass wir die synodale Erfahrung, den intensiven Dialog miteinander in dieser Vielfalt nicht aufgeben wollen, sondern ihn nach der zweiten Sitzungsperiode irgendwie auf Europaebene wieder nutzen und gestalten wollen. 

Das war ein Konsens, weil man gemerkt hat, dass wir das brauchen, damit wir einander verstehen. Wir müssen nicht voneinander lernen und immer Bescheid wissen, wie der andere zu denken hätte, sondern miteinander eruieren, wo eigentlich unsere Stärken, Schwächen, Hoffnungen, Ängste und Freuden liegen.

DOMRADIO.DE: Welche Themen sind das, die den meisten unter den Nägeln brennen, die einige für besonders wichtig erachten? 

Klara-Antonia Csiszar

"Kirche ist immer eindeutiger belanglos."

Csiszar: Beunruhigend ist, dass die Leute aus der Kirche verschwinden. Kirche ist immer eindeutiger belanglos. Die Jugend fehlt in Westeuropa genauso wie in Osteuropa. Wir haben viele Probleme mit Priesternachwuchs. Das kann man nicht schönreden. Über all sind die Frauen in der Kirche nicht präsent oder nur ganz wenig präsent.

Das waren die wahren Themen, über die wir gesprochen haben. Wir haben uns auch über die Strukturen ausgetauscht, die wir brauchen würden, damit der Austausch nicht beliebig wird oder nur, wenn man es will, stattfindet, sondern auch irgendwie strukturell ermöglicht und notwendig gemacht wird. 

DOMRADIO.DE: Es gibt große Erwartungen an die Kirche, an Reformen. Jetzt hat der Religionsphilosoph Tomáš Halík in einem Impulsreferat allerdings gemahnt, unrealistische Erwartungen an große institutionelle Veränderungen in der Kirche unmittelbar nach der Synode schon jetzt zu dämpfen. War das vielleicht auch ein Dämpfer für einige, die an dem Vorbereitungstreffen teilgenommen haben, so etwas zu hören?

Csiszar: Das habe ich nicht gehört, muss ich gestehen. Es war eher die überraschend positive Erfahrung des Miteinanders, es war ganz unkompliziert. Viele waren in Prag dabei und es ist immer wiederholt worden, was für einen Weg wir von Prag bis Linz mit Zwischenstation Rom gegangen sind.

Die Erwartungen sind groß. Aber welche Entscheidungen sollten kommen? Entscheidungen, mit denen die Ungarische Bischofskonferenz oder die Deutsche Bischofskonferenz zufrieden ist? Wie können wir die Zukunft der Kirche so denken, dass sie immer mehr eine Kirche der Möglichkeiten wird und nicht der Gleichschaltung, wo es dann ziemlich knirscht, weil das Korsett immer enger wird, wenn diese Vielfalt tatsächlich im Sinne einer heilsamen Dezentralisierung nicht gestaltbar ist, wie Papst Franziskus so oft seit Beginn seines Pontifikats betont?

Dann stellt sich natürlich die Frage der Mission: Was bedeutet Mission? Zu Mission gehört, dass ich in die Welt von heute hineintauchen muss und dort die Fragen des Lebens heraushören muss, damit ich ganz konkret in einem Kontext die Liebe Gottes erfahrbar machen kann. 

Da ist ein Rezept für alle Kontexte schwierig. Diese Kontextualität ist stark thematisiert worden, dass wir dieser Vielfalt Raum geben müssen, aber so, dass wir das Miteinander nicht aufgeben. 

DOMRADIO.DE: Mit welchen Erwartungen werden Sie im Oktober nach Rom fahren, wenn es zur Weltsynode geht? Welche Botschaft haben Sie im Gepäck, die Sie von Linz nach Rom bringen werden?

Csiszar: Miteinander reden, miteinander essen, miteinander Kaffee trinken. So wird Vertrauen aufgebaut. Wenn wir uns nur ganz formal miteinander treffen und eigentlich nicht tiefer gehen können, bringt das nicht viel. Ich bin überzeugt, dass der Prozess, von einem Ich zum Wir zu kommen, im Gange ist. Wäre das nicht schon spurenhaft in Rom bei der ersten Sitzungsperiode im Raum gewesen, hätten wir diesen Synthesebericht nicht. 

Klara-Antonia Csiszar

"Solange ich die Welt des anderen nicht kenne, berührt es mich auch nicht."

Aber da muss es weitergehen. Es kommt die nächste Sitzungsperiode, wo nicht nur die Gespräche am Tisch, sondern auch die Gespräche nebenbei ganz wichtig sein werden, damit wir aus unserer eigenen Blase herauskommen und ein bisschen in die Welt des anderen hineintauchen. Denn dann werden auch dementsprechend Entscheidungen getroffen. Solange ich die Welt des anderen nicht kenne, berührt es mich auch nicht. 

DOMRADIO.DE: Es gab Stimmen, die gesagt haben, es müsste eigentlich regelmäßig solche Treffen geben, international oder europäisch. Wie sehen Sie das? Geht es nach Rom eigentlich erst so richtig los mit den regelmäßigen Treffen? 

Csiszar: Ganz klar, wir haben solche Initiativen schon in Südamerika gesehen. Die Südamerikaner sind topfit, was diesen regelmäßigen Austausch anbelangt. Da haben wir noch einiges zu lernen. Ich hoffe, dass diese Erfahrung von Synodalität zum Beispiel in zwei Sprachgruppen, wie auch vom dem Theologen Christoph Theobald vorgeschlagen wurde, am Ende durch so eine Art europäische ekklesiale Versammlung gedacht und drangeblieben werden kann.

Das würde unserem Kontinent ganz viel helfen. Denn das, was wir momentan sehen, diese gesellschaftliche, aber auch kirchliche Spaltung, diese Kluft, das haben nicht einmal die Kommunisten geschafft.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens. 

Weltsynode 2021-2024

Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen.

Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.

Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR