DOMRADIO.DE: Heute beginnt der höchste aller jüdischen Feiertage beziehungsweise Fastentage, nämlich das Versöhnungsfest Jom Kippur. Beim höchsten Feiertag, Fastentag einer Religion, würde man ein lautes, großes Fest mit Buffet erwarten. Jom Kippur ist aber alles andere als das. Es ist eher ein ernster und besinnlicher Ruhetag, an dem dazu noch gefastet wird. Das ist so ähnlich wie bei uns der Buß- und Bettag. Wie begehen Sie denn den heutigen Abend und den Tag morgen?
Ariella Dumesch (Jugendzentrum der Synagogengemeinde Köln): Es fängt heute Abend an. Wir erinnern uns an die Geschichte, als das Volk aus Ägypten entflohen ist und unterwegs ein goldenes Kalb erschuf, worauf Gott dann natürlich ganz böse war. Man erinnert sich, dass am 10. Tischri, das ist der heutige Tag, Gott dem Volk verziehen hat.
Deswegen bitten wir auch alle in unserer Umgebung um Verzeihung, um Vergebung, falls wir jemanden verletzt haben, etwas Schlechtes gesagt haben oder was Böses getan haben und sind praktisch die ganze Zeit in der Synagoge und bitten Gott und auch alle anderen um uns herum um Vergebung. Wir fasten dabei und sind ganz in uns gekehrt. Es ist ein sehr spiritueller, ruhiger Tag für uns, der auch als der heiligste Tag im Judentum bezeichnet wird.
DOMRADIO.DE: Was passiert heute und morgen? Sie haben gesagt, Sie sind in der Synagoge?
Dumesch: Genau. Also es passiert an sich nicht viel. Jeder ist sehr in sich gekehrt und man betet. Man unterhält sich miteinander und versucht die 25 Stunden ohne Essen, Trinken, auch Waschen ist nicht erlaubt, zu verbringen. Sprich, man muss ganz simpel vor Gott stehen, ohne Make up, ohne lackierte Nägel. Es gibt die Tradition in manchen Völkern, dass man Weiß oder Helles trägt. Dass man vor Gott ganz rein steht.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch besondere Traditionen in den Familien?
Dumesch: Bei mir persönlich gibt es an dem Tag nicht wirklich eine Tradition, außer dass wir natürlich uns entschuldigen, aber wir sagen nicht nur: "Ja, Entschuldigung, dass ich dies und das gemacht habe." Sondern man versucht schon wirklich auch konkret zu sagen, was man wirklich falsch gemacht hat. Ich werde mich in Zukunft versuchen zu bessern und das nicht mehr zu tun. Man nimmt diesen Tag auch wirklich ernst. Meine Familie fastet nicht, weil wir zu Hause nicht so religiös sind. Aber für mich entstand es mit der Zeit, dass ich mich an die Religion mehr halte als meine Familie.
DOMRADIO.DE: Neun Tage ist es jetzt her, dass Sie Rosch Haschana gefeiert haben. Mit Jom Kippur endet dann heute mit dem Tag auch die Gedenk- und Bußzeit. Wie sieht diese Bußzeit normalerweise aus? Was tut man, um mit sich, der Welt und den Mitmenschen ins Reine zu kommen?
Dumesch: An diesen zehn Tagen, die zwischen dem Rosch Haschana, dem jüdischen Neujahr, und Jom Kippur, dem Buß- und Bettag, liegen, verinnerlicht man noch mal das, was falsch gemacht wurde. An Neujahr gibt es ja immer diese guten Vorsätze. So ähnlich kann man das auch mit dieser Zeit vergleichen. Man versucht, seine Vorsätze nicht nur festzuhalten, sondern auch wirklich zu verinnerlichen und dann im nächsten Jahr umzusetzen.
DOMRADIO.DE: Es geht heute um das Buch des Lebens bei Ihnen. Untereinander sagt man an Jom Kippur "Chatima tova", das heißt so viel wie "gutes Eintragen". Stimmt das? Sagen Sie das auch?
Dumesch: Genau. Wir wünschen uns gegenseitig, dass wir in das Buch des Lebens eingetragen werden, dass wir frei von Sünde sind.
DOMRADIO.DE: Und was könnten wir heute einem Juden oder einer Jüdin sagen, die wir kennen?
Dumesch: "Leichtes Fasten" und vielleicht "Gmar chatima tova", aber das wäre vielleicht etwas aufgezwungen. Aber mit "leichtes Fasten", kann man nie falschliegen.
Das Interview führte Katharina Geiger.