Wie Kirche ökologische Landwirtschaft fördern kann

"Eigenes Vorbild sein"

Die Landwirtschaft muss ökologischer werden. Das haben Forscher nun im Auftrag der katholischen Kirche zusammengefasst. Christian Weingarten ist der Umweltbeauftragte des Erzbistums Köln. Er erklärt, wie dieser Wandel gelingen kann.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Symbolbild Landwirt bewässert ein Feld / © Fotokostic (shutterstock)
Symbolbild Landwirt bewässert ein Feld / © Fotokostic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: "Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität - Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung", so heißt das Papier der Experten. Welche Rolle spielt die Landwirtschaft denn überhaupt, wenn man auf den Klimawandel schaut?

Christian Weingarten (Erzbistum Köln)

Dr. Christian Weingarten (Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln): In Deutschland ist die Landwirtschaft für knapp 13 Prozent der CO2- und Treibhausgasemissionen verantwortlich. Man mag einwenden, dass man sowieso essen muss. Das stimmt, aber es gibt auch eine Landwirtschaft, die, wenn man sie verändert, deutlich weniger Treibhausgase emittiert. Also zum Beispiel, wenn wir Tierbestände reduzieren oder wenn wir Düngemittel reduzieren. Das heißt, wir haben ganz viel Veränderungspotenzial, um unsere Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. 

Gerade angesichts der aktuellen Überschwemmungen hat auch die Landwirtschaft eine Möglichkeit, für die Anpassung an den Klimawandel zu sorgen, indem Böden mehr Wasser aufnehmen können, indem es Strukturelemente in der Landwirtschaft gibt, die auch Wassermassen aufhalten, um eben auch solche Ereignisse abzumildern. 

Landwirtschaft hat viel Potenzial, um darüber hinaus auch im Bereich biologische Vielfalt und im Bereich Bodenschutz ein Player zu sein, um die ökologischen Krisen zu bewältigen. 

DOMRADIO.DE: Deshalb fordern die Forscher nun eine ganz andere Agrarpolitik. Und sie sagen, dass die Anreize für die Landwirtschaft auch anders gesetzt werden müssten. 

Weingarten: Auf Ebene der Europäischen Union werden Fördermittel hauptsächlich nach dem Prinzip verteilt, dass Fördermittel nach der Größe der Landwirtschaftsflächen zugeteilt werden. 

Christian Weingarten

"Ökosystemdienstleistungen (...) werden gar nicht wertgeschätzt, auch finanziell nicht."

Aber Ökosystemdienstleistungen, also wenn Betriebe ökologisch bewirtschaftet werden und zum Beispiel auf den Wasserhaushalt geachtet wird, werden gar nicht wertgeschätzt, auch finanziell nicht. 

Da muss eine Verschiebung dahingehend passieren, dass man sich fragt, was die Leistung von den Landwirten und Landwirtinnen eigentlich für das Gemeinwohl bringt. Die muss laut dem Expertenpapier deutlich mehr gestärkt werden. 

DOMRADIO.DE: Die Studie bezieht sich auf die globale Landnutzung. Wenn man die Ergebnisse auf die lokalen Verhältnisse im Erzbistum Köln herunterbricht, wie ist denn da der Zustand? 

Weingarten: Die Unterscheidung zwischen Lokalem und Globalem wird immer schwieriger. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn wir hier Viehzucht betreiben, dann kommen meistens die Futtermittel für die Viehzucht, die wir hier auch auf Flächen des Erzbistums Köln betreiben, oftmals aus anderen Ländern, oftmals aus dem globalen Süden. 

Brandrodung im Regenwald / © Rich Carey (shutterstock)

Das heißt, die sind manchmal auch verantwortlich dafür, dass zum Beispiel Regenwald abgeholzt wird, was wieder zum Verlust der biologischen Vielfalt und eben zum Klimawandel beiträgt. 

Deswegen ist diese Trennung schwierig. Wir müssen das Gesamte im Blick halten und das schafft diese Studie eigentlich sehr gut. 

Gleichzeitig müssen wir aber auch untersuchen, wie wir Landwirte und Landwirtinnen lokal dabei unterstützen können, eben diese Ökosystemdienstleistungen umzusetzen.

Fleischauslage in einem Supermarkt / © ESB Professional (shutterstock)
Fleischauslage in einem Supermarkt / © ESB Professional ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie könnte das denn hier bei uns ganz konkret passieren? 

Weingarten: Wir müssen mehr regional einkaufen. Wir müssen uns fragen, wo wir bei den Bäuerinnen und Bauern, die wirklich ökologisch haushalten, direkt einkaufen können. 

Vor allem aber müssen wir Strategien erarbeiten, wie wir in Deutschland den Viehbestand auf ein Maß reduzieren können, dass er nicht dem Klima schadet, sondern dem Klima nutzt. 

Christian Weingarten

"Im Bereich der nachhaltigen Ernährung geht es darum, (...) den Konsum von Fleisch zu reduzieren."

Im Bereich der nachhaltigen Ernährung geht es darum, nicht komplett gegen Fleisch zu sein, sondern stattdessen diesen starken, ungesunden Konsum von Fleisch zu reduzieren, sodass wir eine Landwirtschaft mit Vieh betreiben können, die eher positiv für das Klima und die biologische Vielfalt ist und nicht negativ. 

DOMRADIO.DE: Man hat ja gesehen, mit welcher Wut die deutschen Landwirtinnen und Landwirte gegen Veränderung zur Verbesserung der Ökobilanz auf die Straße gezogen sind, Stichwort Agrardiesel oder Pestizidgesetzgebung. Würden die denn Veränderungen im Sinne der neuen Studie überhaupt mitmachen? 

Weingarten: Das kann ich nicht direkt beantworten. Aber ich finde, die Studie hat sehr schön aufgezeigt, dass wir aus diesem Scharz-Weiß-Denken rauskommen müssen. 

Es gibt nicht nur Bio und konventionelle Landwirtschaft. Nicht nur Stadt und Land oder Nord und Süd. 

Wir müssen ins Gespräch kommen. Wie können wir auch konventionelle Landwirtinnen und Landwirte dabei unterstützen, gemeinwohlorientierter zu handeln? Wie können wir das auch wertschätzen, sodass es auch finanziell wertgeschätzt würde? 

Bauernprotest auf einer Autobahn bei Leipzig  / © Dominik Wolf (KNA)
Bauernprotest auf einer Autobahn bei Leipzig / © Dominik Wolf ( KNA )

Ich glaube, da müssen wir aus dieser populistischen Denkweise rauskommen und zu einer sachlichen Diskussion übergehen und dann über Lösungen nachdenken. Das bedingt auch, die ganze kulturelle Dimension dieser Debatten mitzudenken. 

DOMRADIO.DE: Die konkreten Dinge muss die Politik dann mit den Landwirten und Landwirtinnen aushandeln. Aber welche Einflussmöglichkeiten hat die katholische Kirche da? 

Weingarten: Anfang des Jahres war es sehr schwer, eine Gesprächsbasis zu schaffen. Man konnte eigentlich nicht mehr vernünftig drüber reden, sondern es war sehr viel Wut im Spiel. Wichtig ist es, nicht nur Gesprächspartner und Vermittler in der ganzen Thematik zu sein, sondern vor allen Dingen eigenes Vorbild zu sein. 

Die Kirche an sich gehört zu den größten Grundstücksbesitzern in Deutschland. Knapp drei Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland sind im Besitz von kirchlichen Eigentümern. 

Ich glaube, da ist ganz viel Potenzial für Veränderungen. Wir können es schaffen, auf eigenen Flächen diese Prozesse zu fördern und gleichzeitig auch als einer der größten Konsumentinnen auf der Verbraucherseite etwas zu verändern. 

Christian Weingarten

"Knapp drei Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland sind im Besitz von kirchlichen Eigentümern."

In unseren eigenen Kantinen, in unseren eigenen Schulen und Kitas, wo Verpflegung angeboten wird, da gehen wir schon auf eine nachhaltige und klimagerechte Ernährung zu. 

So werden dann von den Landwirtinnen und Landwirten letztendlich klimagerechtere Lebensmittel eingefordert und dann kommt hoffentlich ein Rad in Bewegung, damit sich das ganze System wandelt. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Handlungsempfehlungen der Deutschen Bischofskonferenz zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-)Diözesen

Die Deutsche Bischofskonferenz hat am 27. November 2018 ihr Dokument "Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag – Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-)Diözesen" veröffentlicht. In der Arbeitshilfe werden Aspekte des Umweltschutzes und der integralen Entwicklung des Menschen verbunden, entsprechend dem Auftrag aus Papst Franziskus’ Enzyklika Laudato si’.

Die Bewahrung der Schöpfung bildet einen Schwerpunkt auf dem Familienportal / © Thomas Warnack (dpa)
Die Bewahrung der Schöpfung bildet einen Schwerpunkt auf dem Familienportal / © Thomas Warnack ( dpa )
Quelle:
DR