DOMRADIO.DE: In Köln wird in der Nacht zum Aschermittwoch der "Nubbel" verbrannt. In Düsseldorf wird heute noch der "Hoppeditz" beerdigt. Was kennt man davon in Rom?

Ulrich Nersinger (Vatikan-Experte und Journalist): Am Vorabend des Aschermittwochs gab es den Brauch der "Moccoletti". Dabei handelte es sich um sehr lange, dünne Kerzen, die bis 1870 von jedem Teilnehmer getragen wurden. Man zündete die Kerzen an und versuchte, die Kerzen der anderen auszublasen. Dieser Brauch stammt ursprünglich aus der Antike, vom alten Lupercalia-Fest und wurde beibehalten. Er symbolisierte das Ende der Karnevalsfeierlichkeiten. Danach ging man abends noch in die Kirche, um den Aschermittwoch einzuleiten.
DOMRADIO.DE: Gibt es ihn also immer noch?
Nersinger: Nein, leider nicht. Dieser Brauch ist nach 1870 verschwunden. Wer mehr darüber erfahren möchte, sollte einfach zu Goethes "Italienischer Reise" greifen. Dort beschreibt er ihn sehr schön und eindrucksvoll.
DOMRADIO.DE: Dieser Brauch klingt sehr zivil, aber in der Vergangenheit gab es wohl Augenzeugen, die den Übergang zwischen Karneval und Fastenzeit mit großem Erstaunen beobachteten. Was genau geschah da?
Nersinger: Wir haben einen Bericht des osmanischen Gesandten in Rom, der den Karneval sehr misstrauisch beobachtete und wenig damit anfangen konnte. Er schrieb an seinen Herrscher, Süleyman II. in Konstantinopel, dass die Christen zu einer bestimmten Jahreszeit verrückt würden. Aber durch die Heilkraft einer speziellen Art von Asche, die man ihnen in den Kirchen auf den Kopf streute, würden sie wieder gesund. Das zeigt ein völliges Unwissen über das, was da eigentlich lief. Aber es ist doch eine sehr hübsche Geschichte, denke ich.
DOMRADIO.DE: Das Aschenkreuz gibt es natürlich auch in Rom. Aufgrund seines Gesundheitszustandes kann Papst Franziskus es jedoch nicht selbst den Gläubigen auf die Stirn zeichnen. Machen die Päpste das normalerweise selbst?
Nersinger: In Rom gibt es den Brauch der Stationsgottesdienste, der bis in die Frühzeit der Kirche zurückreicht. Dabei zog der Bischof von Rom mit den Gläubigen von einer Kirche zur nächsten und feierte in der Fastenzeit dort den Gottesdienst. Die Pontifikalämter, bei denen der Bischof am Gottesdienst teilnimmt, sind eigentlich moderne Formen der alten Stationsgottesdienste.

Am Aschermittwoch zogen die Päpste früher von Sant‘ Anselmo auf dem Aventin zur Dominikanerkirche Santa Sabina, um das Aschenkreuz zu erteilen. Dieser Brauch wurde sehr lange gepflegt. Doch im Laufe des zweiten Jahrtausends verschwand er, da die Päpste andere Verpflichtungen hatten.
Erst 1959 belebte Papst Johannes XXIII. diesen Brauch wieder, und seitdem ziehen die Päpste am Aschermittwoch nach Santa Sabina, um das Aschenkreuz zu erteilen, außer sie sind krank oder gebrechlich.
DOMRADIO.DE: Könnte man denn als Tourist in den Petersdom gehen und sich dort ein Aschenkreuz holen?
Nersinger: Es wird auch dort Liturgien geben, bei denen man das Aschekreuz empfangen kann. Allerdings kann man es nicht anderen als Aschenkreuz "to go" mitnehmen, wie es in einigen Gemeinden in Deutschland üblich ist.
DOMRADIO.DE: Bei uns gehört neben dem Aschekreuz auch das Fischessen zum Aschermittwoch. Ist das im Vatikan bzw. in Rom auch üblich?
Nersinger: In Rom gab es den Brauch, am Aschermittwoch und an den Freitagen der Fastenzeit Stockfisch zu essen. Man hielt sich zwar etwas zurück, fand aber dennoch sehr erfinderische Wege, um die Fastenvorschriften zu umgehen. Ähnlich wie wir es auch in Deutschland kennen, wo man zum Beispiel Bier als Fastenspeise betrachtete.
Das Interview führte Carsten Döpp.