DOMRADIO.DE: In einem Artikel der katholischen Zeitschrift COMMUNIO vergleichen Sie die Kölner Hochschule für katholische Theologie mit einem Kanarienvogel. Warum?
Dr. Sebastian Wolter (wissenschaftlicher Assistent an der KHKT): Also zunächst mal möchte ich damit nicht irgendjemandem pauschal unterstellen, dass er der Hochschule besonders zu Leibe rücken will. Aber ich habe mich selbst gefragt: Wenn diese ganze Sache schlecht für die Hochschule ausgeht, worüber würde ich mich dann am Ende ärgern? Oder was würde ich an diesem ganzen Verlauf kritisieren? Und zu diesen Punkten wollte ich jetzt schon etwas, hoffentlich Konstruktives, in die Diskussion einbringen.
Und da passt eben der Vergleich mit dem Kanarienvogel. Im Bergbau war es nämlich üblich, einen Kanarienvogel mit in die Grube zu nehmen. Wenn sich der Stollen mit geruchlosem Gas füllte und es lebensgefährlich wurde, bemerkte man das dann zuallererst daran, dass das kleine Vögelchen von der Stange kippte. Genauso ist es auch mit der freien Wissenschaft. Wenn jetzt die KHKT so unter Druck geraten sollte, dass es ihr nicht mehr gelingen würde, sich weiterhin gut um Studierende und auch Priesteramtskandidaten zu kümmern, ist das für die Freiheit der gesamten Wissenschaft ein Warnzeichen.
DOMRADIO.DE: Nun gibt es aber bereits renommierte katholisch-theologische Fakultäten in Bonn, Münster und Bochum. Warum muss es da trotz sinkender Zahlen von Studierenden katholischer Theologie eine weitere Uni in Köln geben?
Dr. Wolter: Ich kann da natürlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht für die Hochschule an sich sprechen, aber ich habe das ein bisschen flapsig formuliert mit dem Satz: ‚Ich habe schon mal ein Buch gelesen, warum brauche ich noch eins?‘ Und die Pointe ist ja dann: Weil in einem anderen Buch eben was ganz anderes und Neues drinstehen könnte.
Und das ist eben der Kerngedanke von Wissenschaft, dass man sich gerade in der Vielstimmigkeit unterschiedlicher Positionen gegenseitig korrigieren und auch kritischen Input geben kann. Insofern steht eigentlich nie in Frage, warum es eine neue Stimme geben sollte, sondern man müsste eigentlich immer versuchen, darauf hinzuwirken, dass möglichst viele Stimmen am Diskurs teilnehmen.
DOMRADIO.DE: Trotz aller Kritik und Schlagzeilen um die KHKT hat die Hochschule statistisch gesehen einen überproportionalen Zulauf von Studierenden. Wie erklären Sie sich das?
Dr. Wolter: Die KHKT hat einen starken Zuwachs, weil ein Stück weit jede Publicity gute Publicity ist und die vielen Diskussionen, auch Kritiken an der Hochschule, uns natürlich in den Vordergrund gerückt haben, wie das bei keiner anderen Fakultät in Deutschland momentan der Fall wäre. Insofern wurde da Werbung für uns gemacht. Der andere Punkt ist, dass vielleicht auch viele Studierende, die sich gar nicht hätten vorstellen können zum Beispiel in Bonn zu studieren, dann sagen: Ich probier's gerne mal bei der KHKT, weil man dort vielleicht einen Unterschied wahrnimmt.
Aber ich glaube nicht, dass jetzt die KHKT deswegen ein attraktives Angebot ist, weil sie sagt: „Alle anderen Theologen sind Richtung A und wir sind jetzt ganz besonders Richtung B und damit machen wir Werbung.“ Das würde auch überhaupt nicht zur Natur einer wissenschaftlichen Einrichtung passen, dass man sagt, wir haben dieses eine feste Profil, und dem müssen alle dann gewissermaßen auf Linie bleiben und treu bleiben. Sondern jeder Professor bringt seine eigene Expertise mit, seinen eigenen Forschungskontext, seine Themen. Und das scheint auch als attraktiv wahrgenommen zu werden. Ich muss ehrlich sagen, ich weiß auch nicht, warum so viele Studierende kommen, aber ich freue mich auf jeden Fall darüber.
DOMRADIO.DE: Sie sagten, es tue der Vielfalt doch gut, wenn es noch eine katholische Hochschule in Köln gibt. Nun ist aber insgesamt die Zahl der Studierenden katholischer Theologie sinkend. Deswegen gibt es die Befürchtungen, dass die Existenz der KHKT auf Dauer auf Kosten der Existenz der Bonner Fakultät gehen könnte?
Dr. Wolter: Das müsste man jetzt eigentlich die Studierenden selber fragen, warum sie an den einen Ort gehen und nicht an den anderen. Da kann ich nicht für sie sprechen. Aber wie gesagt, ich glaube nicht, dass wir den anderen Fakultäten Studierende klauen, sondern man muss schon sagen, dass vielleicht manche Studierende woanders gar nicht das Theologiestudium angefangen hätten. Aber sie verbinden mit der KHKT andere Erwartungen und können sich dann dort eher ein Studium vorstellen.
DOMRADIO.DE: Die KHKT hat den Ruf, eine „Woelki-Hochschule“ zu sein. Was sind das dann für Erwartungen, mit denen die Studierenden kommen?
Dr. Wolter: Das mag durchaus eine Rolle spielen, es ist aber jetzt nicht der Anspruch der Hochschule, wie ich es wahrnehme. Ich denke, da sind sich alle im Haus einig, dass die Hochschule wissenschaftlich ganz unabhängig von Kardinal Woelki bestehen muss und auch so im Diskurs und bei den Studierenden zu überzeugen hat.
DOMRADIO.DE: Aber die KHKT befindet sich doch in finanzielle Abhängigkeit vom Erzbistum Köln, damit auch vom Kölner Erzbischof. Ist da nicht auch zu befürchten, dass er Einfluss auf das Programm der Hochschule nimmt?
Dr. Wolter: In die finanziellen Hintergründe habe ich keine Einblicke. Ich kann aber aus meiner Sicht sagen, dass bei mir noch niemand im Büro gestanden hat und mir gesagt hat, was ich forschen oder lehren soll. Da herrscht eine Forschungsfreiheit, wie sie für so eine Institution auch einfach angemessen ist.
DOMRADIO.DE: Die rechtliche Absicherung der KHKT ist weiterhin ungeklärt. Im Preußen Konkordat steht, dass Priesterseminaristen in Bonn ausgebildet werden müssen. Wäre es da nicht sinnvoller gewesen, erst einmal diese Fragen zu klären, bevor man eine neue Hochschule eröffnet?
Dr. Wolter: Die Exegese der rechtlichen Situation überschreitet meine Kompetenz und ich kann diese Frage nicht beantworten. Da gibt es berufenere Personen. Zunächst mal muss man aber festhalten, dass da keine neue Hochschule gegründet wurde, sondern die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Augustin von den Steyler Missionaren in ihrer Existenz weitergeführt und gesichert werden sollte.
Allgemein kann man sagen, dass es kaum etwas Schwierigeres gibt, als so etwas wie eine Hochschule in dieser Form zu institutionalisieren und dass dann auch im Laufe der Zeit erst solche Probleme auftreten und ausdiskutiert werden müssen. Das ist irgendwo nachvollziehbar. Ich würde mir wünschen – wobei ich damit auch niemandem unterstellen möchte, dass er diese Einstellung nicht hat – aber ich würde mir wünschen, dass die grundsätzliche Einstellung ist, die Hochschule am Leben zu erhalten und die Probleme zu lösen, anstatt sie jetzt zu einem schlechteren Ende ausschlagen zu lassen.
DOMRADIO.DE: Nun sind die katholischen Fakultäten der Universitäten in den Wissenschaftsbetrieb anderer Fakultäten eingebettet und stehen mit denen auch im Austausch. Ist es nicht ein großes, entscheidendes Argument für katholische Fakultäten an Universitäten, dass sie sich inmitten der anderen Wissenschaften und auch im Austausch mit ihnen befinden und nicht isoliert auf einem eigenen Campus?
Dr. Wolter: Ich denke, dass der Diskurs und der Austausch mit anderen Wissenschaften nicht nur dann gepflegt werden kann, wenn man unter demselben Dach wohnt. Dialog ist niemals ein Automatismus, auch nicht an den großen Universitäten, sondern braucht immer besonderes Engagement von allen Seiten.
Das ist durchaus auch über andere Formate möglich, wie sie an der Hochschule zum Beispiel in Quodlibet-Vorträgen oder ähnlichem durchaus gepflegt werden, und wie auch jeder Professor und jeder Lehrende selber die verschiedenen Perspektiven in seinen Lehrveranstaltungen zusammenfließen lassen muss. Und ich denke nicht, dass jetzt, nur weil die Hochschule nur Theologie lehrt, auf einem eigenen Campus, wie Sie das formuliert haben, deswegen automatisch andere Perspektiven ausgeschlossen wären. Ganz im Gegenteil bemüht man sich vielleicht sogar mehr, den Austausch zu suchen.
DOMRADIO.DE: Der Streit um die KHKT befindet sich im Kosmos einer fundamentalen kirchenpolitischen Auseinandersetzung. Gegner der KHKT befürchten, dass sich die Kirche immer mehr in ihre eigenen vier Wände zurückziehen will und damit nicht mehr in der säkular geprägten Gesellschaft wirkt, sondern sich als eigenes Gebilde aus der real existierenden Welt verabschiedet.
Dr. Wolter: Das kann ich durchaus nachvollziehen. Ich arbeite ja selbst am Lehrstuhl Philosophie und Dialog mit der Gegenwartskultur. Das heißt, unser expliziter Auftrag als Lehrstuhl, institutionell begründet, ist schon, diesen Dialog zu suchen. Und das heißt zum Beispiel aus meiner Perspektive, dass man mit postmoderner Philosophie oder zum Beispiel auch mit Religionskritikern in die volle Diskussion geht und die Studierenden das auch lernen müssen, bis es wehtut. Also da wird kein Abstrich gemacht.
DOMRADIO.DE: Sie haben sicher viel Kontakt mit Studierenden an der KHKT. Wie nehmen denn die Studierenden diesen Konflikt wahr?
Dr. Wolter Was mir die Studierenden durchaus rückmelden, ist, dass man dankbar ist, dass sich das Erzbistum in dieser Bildungsfrage so engagiert und dieses Angebot geschaffen hat. Aber sicherlich wird der ein oder andere schon mal das Stirnrunzeln bekommen und sich fragen: Wird das auf einen selbst eine Auswirkung haben, dass man hier studiert? Wird man anders wahrgenommen werden? Und das finde ich sehr, sehr schade, denn am Ende sollte eigentlich entscheiden, welche Leistung man im Studium gebracht hat, ob gute Qualität gebracht wurde, und eben nicht diese kirchenpolitischen Wahrnehmungen und Etiketten, die dann eigentlich das sachliche Urteil eher verschleiern als stärken.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, es ist durchaus Platz für eine katholische Fakultät in Bonn und für die KHKT. Das kann beides nebeneinander funktionieren, und da wird es auch genügend katholische Theologiestudierende geben, die dieses Programm nutzen?
Dr. Wolter: Das sollte sogar so sein, auch diese Diskussionen zwischen den beiden Fakultäten. Ich empfinde das als sehr konstruktiv, weil damit auch wieder auf die Grundlagen dieser Institution aufmerksam gemacht wird. Und die Studierenden sollen dann selbst entscheiden, welches Angebot sie attraktiver finden.
Ich finde, am Ende muss man sagen: Warum gibt es die KHKT? Die gute Betreuung der Studierenden muss am Ende das Ziel sein. Und wenn diese mit dem Angebot zufrieden sind, dann ist die Hochschule auch gerechtfertigt.
DOMRADIO.DE: Wie schauen Sie in die Zukunft? Was wünschen Sie sich?
Dr. Wolter: Ich würde mir wünschen, dass es noch lange, lange weitergeht an der Hochschule und dass wir in einen konstruktiven Dialog kommen, der auch durchaus von gegenseitiger Kritik geprägt sein kann. Und ja, dass weiterhin so viele Studierende zu uns kommen, dort mit Freude studieren können und dabei auch wie bisher eine gesunde Studierendengemeinschaft vorfinden.
Das Interview führte Johannes Schröer.