"Woche der Brüderlichkeit" in Erfurt betont Miteinander

"Es ist wichtig, proaktiv tätig zu sein"

Die Katholische Präsidentin der "Woche der Brüderlichkeit" betont, wie wichtig die Partnerschaft zwischen Kirchen und Judentum gerade in einer Zeit ist, in der Antisemitismus wieder auflebt. Sie könnten wichtige Impulse setzen.

Woche der Brüderlichkeit wird in Erfurt eröffnet  / © Paul Zinken (dpa)
Woche der Brüderlichkeit wird in Erfurt eröffnet / © Paul Zinken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Für das gelingende Miteinander von Christen und Juden in Deutschland gibt es jedes Jahr die sogenannte "Woche der Brüderlichkeit", die am Sonntag in Erfurt eröffnet wird. Wofür braucht es diese "Woche der Brüderlichkeit"?

Margaretha Hackermeier, Katholische Präsidentin der Woche der Brüderlichkeit, mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und dem ehemaligen EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm / © Heike Lyding (KNA)
Margaretha Hackermeier, Katholische Präsidentin der Woche der Brüderlichkeit, mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und dem ehemaligen EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm / © Heike Lyding ( KNA )

Margaretha Hackermeier (Katholische Präsidentin der "Woche der Brüderlichkeit"): Wir im deutschen Koordinierungsrat meinen, dass es sehr wichtig ist zu zeigen, dass inzwischen eine sehr gute Partnerschaft zwischen den Kirchen und dem Judentum existiert und ein Dialog praktiziert wird.

Insbesondere jetzt, da Antisemitismus wieder auflebt, ist es wichtig, sehr proaktiv tätig zu sein und zu zeigen, dass Juden und Christen konstruktiv für den Zusammenhalt der Gesellschaft wirken und eben gerade durch das Jahresthema immer wieder Impulse aus den Religionen zu aktuellen Themen geben.

Margaretha Hackermeier (Katholische Präsidentin der "Woche der Brüderlichkeit")

"Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, gibt es auch im Zentralkomitee der Katholiken den Gesprächskreis Juden und Christen, der sehr aktiv einen stabilen Dialog entwickelt hat."

DOMRADIO.DE: Wie hat sich dieses Verhältnis verändert? Wir standen als Kirche den Juden ja auch nicht immer so freundlich gegenüber.

Hackermeier: Da haben Sie recht. Vor dem Zweiten Vatikanum in den 1960er-Jahren war das Verhältnis doch anders. Aber die katholische Kirche hat mit dem Zweiten Vatikanum klar deutlich gemacht, dass das Judentum genauso eine Heilsmöglichkeit ist vonseiten der interreligiösen Einstellung und in dieser Form gewürdigt wird.

Heute ist ein Gespräch auf Augenhöhe möglich. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, gibt es auch im Zentralkomitee der Katholiken den Gesprächskreis Juden und Christen, der sehr aktiv einen stabilen Dialog entwickelt hat.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, es gibt Unterschiede im Verhältnis bei Katholiken und Protestanten zum Judentum oder macht das keinen Unterschied?

Hackermeier: Ich denke, es gibt vielleicht einen Unterschied im Tempo, dass jedes Jahrzehnt eine Konfession einen Schritt weiter gemacht hat. Ein Beispiel ist das Reformationsjubiläum. Das ist von protestantischer Seite ein ganz großer Schritt gewesen, als man von offizieller Seite der EKD und von der Synode sich klar gegen den Antisemitismus in den Schriften von Luther positioniert hat.

Als Handlungskonsequenz wurde eine Stiftungsprofessur in Berlin installiert, um zum jüdisch-christlichen Dialog zu forschen.

DOMRADIO.DE: Antisemitismus ist leider ein hochaktuelles Thema. Wie engagiert sich die Kirche, um ganz konkret dagegen vorzugehen?

Hackermeier: Insbesondere die katholische Kirche positioniert sich in Papieren. Im Vatikanischen Konzil gibt es ein Papier zum Judentum und zu den anderen Religionen, das heißt Nostra aetate. Das wurde dann nach 50 Jahren sozusagen noch mal bestätigt und aktualisiert. Insbesondere wurde dann auch noch mal betont, dass wir sehr positiv dem Judentum gegenüberstehen.

In unseren Gesellschaften und Programmen wird auch sehr deutlich darüber aufgeklärt, dass bestimmte Vorurteile, die es eigentlich seit dem Mittelalter gegenüber den Juden gibt, nicht hieb und stichfest sind. Es wird auch eingeladen, mit Juden persönlich in Kontakt zu treten. Dabei machen wir die Erfahrung, dass die Menschen sagen: Es sind Menschen wie ich und du, mein Nachbar und mein Mitbürger. Man kann sich in bester Form mit den Menschen unterhalten, in Kontakt treten und auch Aktionen zusammen durchführen.

Margaretha Hackermeier (Katholische Präsidentin der "Woche der Brüderlichkeit")

"Diese Freiheit, die auch aus den Schöpfungsberichten beider Religionen hervorgeht, bedeutet, dass der Mensch mit Freiheit ausgestattet ist und durch sein Potenzial agieren kann und sich entscheiden muss."

DOMRADIO.DE: Die "Woche der Brüderlichkeit" beginnt in Erfurt. Was haben Sie da geplant? Was steht im Mittelpunkt?

Hackermeier: Unser Jahresthema ist "Öffnet Tore der Gerechtigkeit, Freiheit, Macht, Verantwortung". Wir stellen immer wieder fest, dass das Thema doch den Nerv der Zeit trifft. Als wir das Thema vereinbart hatten, begann sechs Wochen später der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Wir wussten es vorher natürlich nicht. Hier sieht man, dass einmal Gerechtigkeit ein Impuls ist, der von jüdischer und christlicher Seite ausgeht. Dieses Zitat stammt aus einem Psalm, der in beiden Religionen bei großen Festen zitiert wird und wichtig ist.

Dieses Thema "Freiheit, Macht, Verantwortung" ist ein sehr allgemeines, was in einer demokratischen Gesellschaft wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass jeder ein Potenzial hat, sich einzubringen. Jeder hat an sich seine persönliche Macht und kann sich auch demokratisch einbringen.

Diese Freiheit, die auch aus den Schöpfungsberichten beider Religionen hervorgeht, bedeutet, dass der Mensch mit Freiheit ausgestattet ist und durch sein Potenzial agieren kann und sich entscheiden muss. Jeder muss auch Verantwortung übernehmen, egal, ob es sich um einen Politiker, Regierenden, Bürger oder einen Aktiven in einem Verein handelt.

Das Interview führte Verena Tröster.

"Woche der Brüderlichkeit"

Die bundesweite "Woche der Brüderlichkeit" richtet sich gegen weltanschaulichen Fanatismus und religiöse Intoleranz. Sie wird seit 1952 jeweils im März veranstaltet vom Deutschen Koordinierungsrat der gegenwärtig bundesweit mehr als 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. In diesem Jahr wird sie zentral in Dresden eröffnet.

Jeweils zum Auftakt der "Woche der Brüderlichkeit" verleiht der 1949 gegründete Koordinierungsrat seit 1968 die Buber-Rosenzweig-Medaille.

Woche der Brüderlichkeit (epd)
Woche der Brüderlichkeit / ( epd )
Quelle:
DR
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