In allen sozialen Schichten nehme die Verschuldung seit Beginn der Corona-Pandemie zu, erklärte der Aachener Diözesan-Caritasdirektor Stephan Jentgens am Montag zum Beginn der bundesweiten Aktionswoche Schuldnerberatung.
Zusätzliche Beratungsangebote nötig
Nach Schätzungen der Caritas sind zwei Millionen Selbständige und Freiberufler von Überschuldung bedroht. Viele Existenzen seien "finanziell prekär aufgestellt", sagte der Fachreferent für Schuldnerberatung bei der Caritas Aachen, Roman Schlag. Dabei spreche man nicht mehr nur über Empfänger von Grundsicherung und im Niedriglohnsektor Beschäftigte. "Jetzt drohen auch Menschen in Verschuldung zu geraten, die es vor niemals für möglich gehalten hätten", so Schlag, der auch Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände ist, die die Aktionswoche ausrichtet.
Schlag forderte die Einrichtung zusätzlicher gemeinnütziger Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen vor allem auf dem Land. Die Kommunen müssten diese Stellen angemessen personell und materiell ausstatten. Jeder Verschuldete, dem nicht gut geholfen werden könne, drohe eine zusätzliche Belastung für die Kommunen bei der Sozialhilfe zu werden, warnte der Fachreferent.
Gesetzlicher Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung gefordert
Einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung verlangte Ute Cappenberg vom Caritasverband für die Diözese Münster. Sie begrüßte die jüngste Reform des Insolvenzrechtes, nach der Betroffene nach drei Jahren statt bislang sieben Jahren eine Schuldenbefreiung erhalten können. Nun müssten aber auch die Einträge bei Auskunfteien wie der Schufa schneller gelöscht werden. Sie machten es ehemals Verschuldeten "schwer bis unmöglich, eine Wohnung zu finden", beklagte die Referentin und forderte eine Verkürzung der Speicherfrist auf höchstens ein Jahr, "besser noch auf ein halbes Jahr".
588.000 Privatpersonen haben laut dem Statistischen Bundesamt im Corona-Jahr 2020 in Deutschland die Hilfe von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Anspruch genommen. Das waren knapp 6.000 mehr als im Vorjahr. Mit ihrer Aktionswoche vom 7. bis zum 11. Juni will die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände bundesweit auf die Situation aufmerksam machen. In der Arbeitsgemeinschaft sind die Freie Wohlfahrtspflege, die Verbraucherzentrale und die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung zusammengeschlossen.