ZdK-Präsident über Bundespräsidentenwahl

"Ich wähle Steinmeier sehr gerne"

Schon vor der Wahl gilt er als neuer Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier. Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, wird ihn wählen. Im domradio-de-Interview verrät er, warum.

Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

domradio.de: Warum noch wählen, wenn der Fall eh schon klar ist?

Thomas Sternberg, MdL NRW (CDU) und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK): Der Wahlakt ist etwas ganz Wichtiges. Absprachen sind okay, die kann man machen, aber die Wahl ist das Entscheidende. Diesen Respekt gegenüber der Wahl sollte man haben, auch wenn der Wahlausgang sehr wahrscheinlich ist. Erst nach der Wahl haben wir einen neuen Bundespräsidenten.

domradio.de: Immerhin ist Frank-Walter Steinmeier schon zwei Wochen vor der Wahl zurückgetreten. Das wird die Politikverdrossenen wieder aufschrecken. Was sagen Sie denen?

Sternberg: Es gibt in der Politik natürlich Absprachen zwischen Fraktionen und Parteien. Die sind auch notwendig, um Zufälle bei solchen Versammlung zu minimieren. Denn wenn das alles zufällig passiert, kann man im Grunde keine vorausschauende Politik betreiben. Es sind keine Einzelpersönlichkeiten, die hier zur Wahl stehen, sondern Kandidaten, die von Gruppen vorgeschlagen wurden.

domradio.de: Jedes Mal, wenn in Deutschland ein Bundespräsident gewählt wird, werden auch die Rufe nach einer direkten Wahl durch das Volk laut. Sie sagten gerade, dass der Wahlakt so wichtig sei. Warum wird denn dann nicht auch direkt gewählt?

Sternberg: Ich glaube, dass die Direktwahl des Bundespräsidenten keinen großen Effekt hätte, außer, dass es möglicherweise eine gewisse Machtverschiebung dadurch geben würde, dass sich der Bundespräsident auf ein eigenes Mandat durch eine eigene Wahl berufen könnte. Der Bundespräsident ist nach den Erfahrungen aus der Zeit vor und um 1933 in seinen Aufgaben nach dem Grundgesetz aber so eingeschränkt worden, dass er vorwiegend repräsentative Funktionen wahrnimmt. Ein solches Amt mit einer Direktwahl auszustatten, wäre in Deutschland unangemessen.

domradio.de: Das ist also begründet in der politischen Erfahrung der Geschichte Deutschlands?

Sternberg: Ganz eindeutig! Denn wenn man ansieht, wie Adolf Hitler zur Macht kam, ging das nicht ohne eine Präsidialverfassung, durch die es möglich war, per Notverordnungen und Sonderregelungen das Parlament auszuschalten. Und das sollte nach 1945 bzw. nach 1949 ganz sicher nicht wieder möglich sein.

domradio.de: Diese Bundesversammlung, der auch Sie angehören, ist ein Kreis aus etwa 1.200 Personen, die heute wählen dürfen. Dazu zählen auch Sie. Wie fühlen Sie sich dabei?

Sternberg: Es ist schon eine Ehre, die meisten empfinden das auch so. Da kommt eine beeindruckende Zahl von Personen zusammen; so zum Beispiel bereits gestern bei den Fraktionssitzungen im Reichstag. Auf der einen Seite sind da die Bundestagsabgeordneten und auf der anderen Seite eine Reihe von Persönlichkeiten aus den Landtagen sowie weitere Einzelpersönlichkeiten. Eine schöne und gute Regel gilt auch bezüglich der früheren Ministerpräsidenten: Alle sind eingeladen, an der Bundesversammlung teilzunehmen.

domradio.de: Sie sind heute sozusagen in einer Doppelrolle da: Sie sind von der CDU-NRW entsandt, sind aber auch Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Auf einer Internetseite (kathnet) konnte man ganz schön harte Kritik daran gelesen. Man wirft Ihnen vor, dass Sie "Stimmabwerfer der Koalition" seien und Sie sollten als ZdK-Präsident doch besser gar nicht erst hinfahren. Was entgegnen Sie dem?

Sternberg: Ich fühle mich bei dieser Wahl ganz besonders als ZdK-Präsident und als solcher wähle ich Frank-Walter Steinmeier auch sehr gerne. Denn er ist bis vor 14 Tagen in gewisser Weise mein Kollege gewesen: Als Präsident des Katholikentages 2018 in Münster war ich praktisch sein Pendant - er war bis vor 14 Tagen Präsident des Evangelischen Kirchentages 2019 in Dortmund und in den Funktionen haben wir uns auch einige Mal getroffen. Ich habe auf ihn unter anderem bei der Verleihung eines Ökumene-Preises der Katholischen Akademie in München die Laudatio gehalten. Ich bin fest überzeugt davon, dass hier ein Bundespräsident gewählt wird, der mit seinem Glauben kein Aufsehen erregt, der daraus aber auch keinen Hehl macht. Ich denke, dass wir hier einen wirklich überzeugten und praktizierenden Gläubigen, einen evangelischen Christen, wählen. Das ist für mich - auch als katholischen Christen - wichtiger, als wenn wir jemanden wählen würden, der vielleicht nur auf dem Papier Christ ist. Natürlich hätte ich mir vorstellen können, auch einen Katholiken zum Staatsoberhaupt zu wählen, das wäre sicherlich auch mal angebracht gewesen, aber mit Frank-Walter Steinmeier steht ein überzeugter Christ zur Wahl.

domradio.de: Nun ist Frank-Walter Steinmeier, anders als vor ihm der parteilose Joachim Gauck, sehr politisch. Er kommt aus der Politik. Wie bewerten Sie das?

Sternberg: Auch Roman Herzog und Richard von Weizsäcker kamen zum Beispiel aus der Politik. Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Bisher haben alle Präidenten diese politische Vergangenheit, auch die parteipolitische Vergangenheit, überwinden können. Ich gehe davon aus, dass sich auch Frank-Walter Steinmeier dieser überparteilichen Aufgabe des Bundespräsidentenamtes voll bewusst ist. Jedenfalls gab es gestern eine unsägliche Twittermeldung hier in Berlin, wonach sich die SPD freue, dass da ein Sozialdemokrat Schlossherr in Bellevue werde. Das ist sofort zurückgezogen worden und Frank-Walter Steinmeier hat sich für seine Partei entschuldigt.

Das Interview führte Matthias Friebe.


Thomas Sternberg  / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Sternberg / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR