Das Gutachten listet konkrete Aussagen aus Interviews mit 74 Personen auf und beschreibt anhand von 23 Beispielen Vorwürfe gegen den Rabbiner und dessen Lebensgefährten, etwa im Bereich des Machtmissbrauchs. In den Beispielen werden auch deren detaillierte Erwiderungen aus Anhörungen und Stellungnahmen aufgeführt, in denen sie Fehlverhalten bestreiten.
Homolka war auch gerichtlich gegen Vorhaltungen vorgegangen, auch gegen vorläufige Ergebnisse in einer "Executive Summary", die der Zentralrat im Dezember 2022 vorgelegt hatte. Homolka sprach am Mittwoch in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von einer "Kampagne" des Zentralrats.
Machtmissbrauch nicht kleinreden
"Es ist beschämend, dass der Zentralrat mit seinem Endbericht den Eindruck erwecken will, hier sei irgendetwas bewiesen worden." Übrig blieben "diffuse Mutmaßungen über vermeintlichen Machtmissbrauch, die unstreitig unterhalb der straf- oder disziplinarrechtlichen Schwelle liegen und für die es nur anonyme Hinweisgeber und Hörensagen gibt".
Zentralratspräsident Josef Schuster erklärte dagegen: "Insgesamt ist deutlich geworden, dass Machtmissbrauch nicht kleingeredet werden darf. Derartige Verdachtsfälle müssen konsequent und öffentlich aufgearbeitet werden. Nur so werden wir die nötige Sensibilisierung für den Umgang mit problematischen Strukturen, Verhaltensweisen und Machtgebaren herstellen." Und: "Der Mut der Betroffenen verdient größten Respekt."
Auch strafrechtlich nicht relevantes Fehlverhalten
Das Gutachten listet 46 "konkrete, objektivierbare Vorgänge" auf, die Vorwürfe gegen Homolka betreffen. 14 von ihnen seien als "rote Fälle" eingeordnet worden. Die Einordnung als "roter Fall" bedeute aber nicht, dass "zwingend eine straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Relevanz angenommen wurde, sondern kann sich auch allein auf ein strafrechtlich nicht relevantes Fehlverhalten beziehen", heißt es zur Erklärung.
Bei Homolkas Lebensgefährten gab es laut Gutachten 13 "konkrete, objektivierbare Vorgänge". Davon werden 9 als "rote Fälle" eingeordnet.
Kanzlei Gercke Wollschläger erstellte Gutachten
Als Ursachen von möglichem Fehlverhalten macht das Gutachten unter anderen eine Häufung von Ämtern und auch strukturelle Probleme aus. Das Gutachten empfiehlt in den untersuchten Einrichtungen zum Beispiel, sogenannte Compliance-Strukturen mit einer klaren Definition von Werten zu schaffen und diese einzuhalten. Macht und Kontrolle sollten begrenzt, Transparenz geschaffen und Fehlverhalten nicht geduldet werden. Auch könne es sinnvoll sein, bestehende Strukturen aufzubrechen.
Die Kölner Kanzlei Gercke Wollschläger hatte für das Gutachten mehrere jüdische Einrichtungen untersucht und Interviews geführt. Darunter waren auch die beiden Ausbildungsstätten für Rabbinerinnen und Rabbiner in Potsdam, das Abraham-Geiger-Kolleg und das Zacharias-Frankel-College. Homolka war Gründer und lange Zeit Rektor des liberalen Geiger-Kollegs. Die Kanzlei untersuchte unter anderen auch die Union progressiver Juden, deren Vorstandsvorsitzender Homolka war.
Interviews, Stellungnahmen und Dokumente
Nach dem ersten öffentlichen Bekanntwerden der Vorhaltungen im Frühjahr 2022 hatte Homolka zahlreiche Ämter in der jüdischen Gemeinschaft zunächst ruhen lassen und sich später auch von Spitzenämtern zurückgezogen.
Für das Gutachten wurden den Angaben zufolge mit 74 Personen 80 Interviews geführt, die wenige Minuten oder auch mehrere Stunden gedauert hätten. Zudem lägen schriftliche Stellungnahmen und Dokumente vor.