Jan Hendrik Stens aus der Liturgieredaktion gibt einen Überblick.
domradio.de: Warum kommt das Thema jetzt wieder so auf?
Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redaktion): Ich denke, das hat damit zu tun, dass die Bischöfe in der vergangenen Woche ihre Frühjahrsvollversammlung hatten und dabei an einem Halbstudientag über das Bild und die Aufgaben des Priesters in den Gemeinden gesprochen haben. Wir haben zumindest bei unserem Gemeindesystem in Deutschland relativ wenig Priester, sodass viele Gemeinden miteinander fusionieren müssen und nicht mehr an jedem Kirchturm ein Priester vor Ort ist. Gottesdienste müssen gestrichen werden, nicht nur, weil weniger Priester da sind, sondern auch, weil der Kirchbesuch enorm nachgelassen hat. Wir sehen, dass das System, so wie wir es aktuell haben, so nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Da stellt sich natürlich auch die Frage: Was machen wir mit den Priestern, die einsam in ihrem Pfarrhaus sitzen - ob im aktiven Dienst oder später, wenn sie emeritiert sind? Da ist ja im Vorfeld auch schon immer wieder mal was an die Oberfläche gekommen.
domradio.de: Überlegt man, mit der Figur der viri probati den Priestermangel insbesondere in ländlichen Regionen aufzufangen?
Stens: Diese Möglichkeit besteht sicherlich. Wir haben ja einmal den Brief der elf Priester im Erzbistum Köln, Weihejahrgang 1967, die sich zu ihrem Goldenen Priesterjubiläum unter anderem genau das gewünscht haben, nämlich den Zölibat ein bisschen zu lockern und dann auch zu fragen: "Was machen wir mit den vereinsamten Priestern?" Auch unser Erzbischof hat zu Beginn seiner Amtszeit in Köln gesagt, einer seiner Schwerpunkte werde es sein, etwas zu finden, dass Priester nach ihrer Emeritierung nicht vereinsamen. Wie schaffen wir es, dass auch diese Priester Gesellschaft um sich haben? Denn das klassische Priesterbild - Pfarrhaus mit Haushälterin - das gibt es nur noch in Ausnahmefällen.
domradio.de: Passend zum Ende der Bischofskonferenz-Frühjahrsvollversammlung hat sich der Papst dazu geäußert in der Wochenzeitung "Die Zeit". Dort hat er davon gesprochen, die viri probati vielleicht in entlegenen Regionen einzusetzen. Wie kann man das verstehen?
Stens: Das ist die große Frage: Die Reaktion von Kardinal Marx war ja: "Moment, er meint damit die Weltkirche" - also eher das Hochland von Bolivien. Andererseits ist der Papst von einem Journalisten aus Deutschland gefragt worden und vorher haben die beiden über Hamburg gesprochen. Vom Kontext her würde ich nicht sagen, dass der Papst auf keinen Fall Deutschland gemeint hat. Ich fühle mich auch ein bisschen an die Freiburger Konzerthausrede von Papst Benedikt XVI. erinnert, zu der alle gesagt haben: "Nein, er meint die Kirche in Deutschland auf keinen Fall, das war weltkirchlich gemeint". Also da ist wieder ein Streit vom Zaun gebrochen worden, darüber, wie der Papst zu verstehen ist. Ich würde es auch auf Deutschland anwenden.
domradio.de: Wenn es um den Priesterberuf geht, dann werden die Debatten gerade in Deutschland sehr leidenschaftlich geführt. Ist die Diskussion um viri probati jetzt ideologiefrei und denkt man nun frei darüber nach?
Stens: Ideologiefrei wie es sich zum Beispiel Weihbischof Geerlings aus Münster gewünscht hat, ist diese Debatte sicherlich auch. Zum Beispiel fällt diese klare Aufteilung in Konservativ und Nicht-Konservativ nicht mehr so sehr auf. Ein konservativer Theologe ist etwa der Freiburger Dogmatiker und Liturgiewissenschaftler Helmut Hoping, der sich durchaus viri probati vorstellen kann, allerdings unter gewissen Voraussetzungen. Wir haben ja auch schon verheiratete Priester - sogar in der Westkirche. Die sind natürlich die ganz klare Ausnahme.
domradio.de: Wie kam es dazu?
Stens: Vor einigen Jahren wurde zum Beispiel von Kardinal Meisner ein aus der evangelischen Kirche übergetretener Pfarrer, der katholisch geworden ist, der verheiratet ist, zum Priester geweiht. Das ist aber eher die Ausnahme. Hoping sagt zwar, er will seine Vorstellung von viri probati durchaus unterschieden wissen von dem, was beispielsweise die acht CDU-Politiker fordern; nämlich, dass grundsätzlich auch Laien zu Priestern geweiht werden. Hoping sagt dagegen, es müssten ständige Diakone sein, die sich auch theologisch bewährt hätten, wobei ich nicht glaube, dass der Unterschied zwischen diesen beiden Modellen so groß ist. Grundsätzlich führt nämlich die Priesterweihe immer über den Weg der Diakonenweihe. Ich denke, dass es auch Menschen gibt, die ganz ideologiefrei darüber reden, wie es auch von Ideologie gesteuerte Stimmen gibt. Das merkt man deutlich, wenn der ein oder andere nun anfängt, in dem Zusammenhang auch über die Frauenordination nachzudenken und zwar nicht nur im Sinne eines Diakonats sondern auch als Frauen-Priestertum. Dessen Verfechter feiern gerade fröhliche Urständ.
domradio.de: Der Papst hat recht klar gesagt, dass es keine Frauen als Priester geben wird. Den Zölibat zu lockern sei auch keine Lösung …
Stens: … zumindest hat er gesagt, dass er sich mit einem freiwilligen Zölibat nicht anfreunden kann, so sagte er das im Interview mit der Zeit.
domradio.de: Kann man daraus auch schließen, dass viri probati eventuell auf lange Sicht, also in einigen Jahrzehnten, möglich sind?
Stens: Ich würde es nicht ausschließen. Denn es geht ja um Extremsituationen und das soll ja auch die Ausnahme bleiben. Ich denke schon, dass der unverheiratete Priester in der Westkirche nach wie vor die Regel bleiben wird, dass man vielleicht in der Ausnahme aber auf die Form des vir probatus zurückgreift. Warum auch nicht? Man muss sich dann aber auch überlegen, wie das Priesterbild in Zukunft aussehen wird. Wird es ein eher bürgerliches Priesterbild - Priester mit Frau und Kindern als Familie? Das ist natürlich etwas ganz anderes als der "Einzelkämpfer", wie wir ihn jetzt haben, wobei der "Einzelkämpfer" nicht einsam sein muss und auch nicht einsam sein darf.
Das Interview führte Matthias Friebe.