In Kolumbien blieben Kritiker des Friedensvertrags außen vor

Franziskus und die Konservativen: Ein schwieriges Terrain

Lateinamerikas Konservative fremdeln mit dem Papst und er mit ihnen, auch in Kolumbien wurde das deutlich. Dabei machte der Papst durchaus Angebote zur Verständigung.

Autor/in:
Tobias Käufer
Der Papst auf Friedensmission in Kolumbien / © Unicredited L' Osservatore Romano (dpa)
Der Papst auf Friedensmission in Kolumbien / © Unicredited L' Osservatore Romano ( dpa )

Alvaro Uribe hat offenbar vom Papst gelernt. Der ehemalige Präsident Kolumbiens (2002-2010) trat während des Besuches von Papst Franziskus in den vergangenen Tagen bescheiden und demütig auf. Schon zum Auftakt der Papstreise mischte sich Uribe unter das Fußvolk, stellte sich mit einigen Getreuen an den Straßenrand und grüßte das im Papamobil vorbeieilende Kirchenoberhaupt.

Dass Franziskus den Ex-Präsidenten in der Menschenmenge nicht erkannte und sogar auf die andere Straßenseite schaute, passt zum Eindruck, den Uribe offenbar vermitteln will. Die Stimme der Konservativen, so scheint diese Szene zu zeigen, ist nicht mehr gefragt, weder im kolumbianischen Friedensprozess noch bei Papst Franziskus. Uribe ist der wohl prominenteste Kritiker des zwischen der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und der FARC-Guerilla geschlossenen Friedensvertrags.

Betonte Bodenständigkeit?

Auch beim Gottesdienst in Medellin, Heimat und Machtzentrum Uribes, zog es den in Kolumbien immer noch enorm populären Politiker nicht auf die Ehrentribüne. Stattdessen ließ er sich auf Augenhöhe mit den Pilgern fotografieren. Lokale Medien veröffentlichten Bilder des mächtigen Mannes inmitten der Gläubigen - nass und mit einer Regenjacke bekleidet.

Uribe gab sich ungewohnt unterwürfig, twitterte während dieser Tage kaum und ließ Franziskus am Samstag wissen: "Ihre Heiligkeit, vielen Dank, dass sie in meiner Seele Eindrücke hinterlassen haben, das wird mich dabei stärken, meine Schwächen zu verbessern."

Uribe: Held und Hassfigur

Papst Franziskus und die Konservativen - in Kolumbien fanden sie nicht so recht zueinander. Zu einer Begegnung kam es auch nicht, als Franziskus zum nationalen Versöhnungsgebet lud. Uribe reiste derweil in die Hafenstadt Barranquilla, statt sich in Villavicencio mit öffentlichen Schuldeingeständnissen und Vergebung zu befassen.

Für die kolumbianische Linke ist Uribe ein Faschist, ein Drogenhändler, eine Hassfigur und verantwortlich für die Übergriffe von Armee und Paramilitärs während des jahrzehntelangen bewaffneten Konfliktes. Für seine Anhänger ist er ein Held, der mit seiner Politik der harten Hand den Friedensprozess überhaupt erst möglich machte und das Land aus dem Würgegriff der Guerilla befreite. Viel weiter könnten die Meinungen nicht auseinanderklaffen.

"Timochenko" und Uribe lassen den Papst allein

Uribe blieb dem Versöhnungsgebet fern. Genauso wie FARC-Chef "Timochenko", der gesundheitliche Gründe vorschob, obwohl er beim Gründungsparteitag der Ex-Guerilla in Bogota in der Vorwoche fit genug war, um seine Machtposition mit der Wahl zum Parteichef vor Ort abzusichern. Was wäre das für ein Bild gewesen: Der Rechtsaußen Uribe und der Linksaußen "Timochenko" reichen sich unter den Augen des Papstes und des Friedensnobelpreisträgers Santos die Hände. Kolumbien wäre elektrisiert gewesen. Doch beide hatten Besseres zu tun.

Immerhin schrieb "Timochenko" dem Papst einen Brief, in dem er um Vergebung bat.

Die katholische Kirche hat Konkurrenz bekommen

Die Tatsache, dass ein solches Jahrhundertfoto nicht zustande kam, zeigt allerdings auch, wie wenig Einfluss der Papst auf die Konservativen hat. Uribe strafte den Papst mit seinem Fernbleiben für dessen - aus seiner Sicht - parteiische Einflussnahme auf den Friedensprozess. Das ist für die katholische Kirche gefährlich, verliert sie doch seit Jahren trotz des ersten Lateinamerikaners auf dem Papstthron mehr und mehr Gläubige an erzkonservative evangelikale Kirchen. Auch Uribe liebäugelt öffentlich immer wieder mit der kirchlichen Konkurrenz.

Doch es gab auch vorsichtige Signale für eine Annäherung. Dass der Papst in seinen Reden "Wahrheit und Gerechtigkeit" einforderte und betonte, Verbrechen dürften nicht ungesühnt bleiben, wird Uribe als Sieg verbuchen. Er wehrt sich wie andere Kritiker des Friedensvertrags gegen die aus ihrer Sicht faktische Amnestie für die Guerilla-Führung, die trotz gewalttätiger Vergangenheit wohl in den Kongress einziehen wird. Diese Kritiker werden auch registriert haben, dass bei Veranstaltungen in Villavicencio und Medellin ganz bewusst Opfer der Guerilla zu Wort kamen, obwohl die in den vergangenen Jahren nicht für den größten Teil der Gewalt verantwortlich war.

Ein kluger Zug?

Ein weiteres Zeichen hatte der Papst schon bei seiner Ankunft in Kolumbien gesetzt: Er umging das Protokoll und begrüßte verwundete Soldaten, die traditionell Uribe und den Konservativen nahe stehen.

Möglicherweise bewegten auch diese emotionalen Bilder Uribe zu seiner ungewohnt demütigen Botschaft an den Heiligen Vater.


Quelle:
KNA
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