KNA: Sie erhalten an diesem Freitag den Mirok-Li-Preis der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft für Ihre Verdienste um die Verständigung beider Kulturen. 2013 sagten Sie: "Ich glaube kaum, dass Kim Jong Un einen Krieg beginnt." Bleiben Sie dabei?
Notker Wolf (Früherer Abtprimas der Benediktiner): Ja. Ich habe deutlich mehr Angst vor Trump als vor Kim. Trump ist noch unberechenbarer. Dass er mit der "Vernichtung" Nordkoreas gedroht hat, ist ungeheuerlich. Diese Vernichtung hat es durch den Koreakrieg in den 50er Jahren ja fast schon mal gegeben. Die Erinnerung daran sitzt in Nordkorea tief. Genauso wie die Furcht vor einem Angriff. Insofern ist Kims Aggressivität leicht zu erklären: Er hat panische Angst vor Machtverlust. Und er glaubt, sich allein durch den Besitz der Atombombe halten zu können. Ganz unrecht hat er wohl nicht, wenn man an die Schicksale Saddams oder Gaddafis denkt.
KNA: Wie sollte die Welt also mit Kim umgehen?
Wolf: Sie sollte ihm auf Augenhöhe begegnen. Nichts wünscht er sich mehr, als ernst genommen zu werden. Deshalb rate ich zu direkten Gesprächen zwischen Washington und Pjöngjang. Man kann mit den Nordkoreanern verhandeln, das weiß ich aus eigener Erfahrung.
KNA: Erzählen Sie.
Wolf: Wir Missionsbenediktiner haben vor zwölf Jahren ein Krankenhaus in Rason im Nordosten Nordkoreas gebaut. Die Verhandlungen darüber waren anfangs nicht einfach. Aber als ich einmal einem hochdekorierten Regimefunktionär gegenüber saß, ist mir plötzlich aufgegangen: Gott schuf und liebt auch diesen Mann - so wie natürlich auch Kim. Danach habe ich wohl einen Respekt gegenüber dem Funktionär ausgestrahlt, der ihn dazu gebracht hat, gerecht mit mir umzugehen.
Schmiergeld jedenfalls ist bei unserem Projekt, das bis heute gut läuft, nie geflossen.
KNA: Sollten Respekt nicht aber auch die Nordkoreaner aufbringen - etwa in Sachen Religionsfreiheit?
Wolf: Natürlich. Mir selbst ist dort als Mönch nie ein Nachteil entstanden, auch nicht, wenn ich das Brustkreuz getragen habe. Aber sicher ist es schlimm, dass es in Nordkorea nur eine einzige katholische Kirche gibt. Ob übrigens die Menschen, die dorthin gehen, echte Gläubige sind oder staatliche Statisten, die das Ausland beruhigen sollen, oder auch beides, das weiß ich nicht. Echte Gläubige gibt es vermutlich zumindest im Untergrund.
KNA: "Vermutlich" heißt, Sie hatten nie Kontakt zu solchen Menschen?
Wolf: Nein. An sie heranzukommen, ist praktisch unmöglich. Denn in Nordkorea gibt es ein extremes Überwachungssystem: Verhielten sich Eltern dort regimeabweichend, würden sie von ihren eigenen Kindern verraten. Insofern müssen Christen dort, so es sie gibt, sehr vorsichtig sein. Das ist schrecklich. Nur: Ständig Nordkorea oder auch China mangelnde Religionsfreiheit anzukreiden und sie aber etwa in Saudi-Arabien stillschweigend hinzunehmen, weil wir da ja Waffen- und Ölgeschäfte tätigen, das ist doch heuchlerisch.
KNA: Können Sie abseits der großen Politik etwas über Nordkorea sagen?
Wolf: Zu den "normalen" Menschen leider nicht, die hat man immer fern von uns gehalten. Die Natur ist sehr sauber, aber vielfach abgeholzt - es gibt dort ja keine Industrie, die sie verschmutzen könnte, aber dringenden Brennstoffbedarf. Und etwas Kurioses: Die Grenzer schauen gern nach, ob man eine nordkoreanische Zeitung dabei hat. Denn eines darf man unter keinen Umständen: das Papier so falten, dass ein Knick durch ein Foto von Kim läuft.
KNA: Ihr Orden ist mit Nordkorea eng verbunden: Zwischen 1949 und 1952 ermordeten die Kommunisten 38 Ihrer Mitbrüder. 2009 wurde der Seligsprechungsprozess für die Märtyrer eröffnet. Wie steht es darum?
Wolf: Die Untersuchungen dazu in Südkorea sind jüngst fertig geworden. Jetzt gehen die Ergebnisse in den Vatikan. Bis dort darüber entschieden wird, dauert es wohl noch ein paar Jahre.
KNA: Wie ist es denn in Südkorea um Ihre Abtei Waegwan bestellt?
Wolf: Gut, zu ihr gehören 140 Mitbrüder. Doch der Ordensnachwuchs geht zurück - wie insgesamt in Südkorea die Zahl der Kinder.
KNA: Glauben Sie, dass diese Kinder einmal in einem geeinten Land leben werden?
Wolf: Eine Einigung wäre wirtschaftlich und mental sehr schwer, weil die Nordkoreaner so arm und so manipuliert von ihrem Regime sind. Ich bete erst einmal dafür, dass in Korea kein Krieg ausbricht. Dazu bete ich auch für Kim. Über ihn richten wird Gott dereinst allein.
Das Interview führte Christopher Beschnitt.