Katholisches Büro in Berlin zum Streit um Paragraf 219a

"Information in geschütztem Raum"

Für Schwangerschaftsabbrüche darf nicht geworben werden - über den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs wird zur Zeit heftig gestritten. Die katholische Kirche bleibt dabei: Der Paragraf muss bleiben - bei flächendeckender Beratung.

Sieben Wochen alter Fötus in einer Fruchtblase / © Peter Endig (dpa)
Sieben Wochen alter Fötus in einer Fruchtblase / © Peter Endig ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Diskussion um diesen Paragrafen kommt immer wieder hoch, wie ist da der aktuelle Stand?

Katharina Jestaedt (stellvertretende Leiterin des katholischen Büros in Berlin): Der aktuelle Stand ist der, dass wir im Bundestag drei Gesetzentwürfe haben, die in erster Lesung verhandelt wurden - von der Linken, den Grünen und der FDP. Im Bundesrat haben wir einen weiteren von einigen Bundesländern eingebrachten Gesetzentwurf. Linke, Grüne und der Bundesratsantrag fordern die ersatzlose Streichung des Werbeverbots für Abtreibung. Der FDP-Antrag fordert eine Änderung dieser Vorschrift, die sich aber nach unserem Dafürhalten im Endeffekt auch wie eine Streichung auswirken würde.

Union und SPD - also die Partner der Großen Koalition - haben, nachdem sie sehr kontrovers diskutiert haben, nun die Bundesregierung gebeten, einen Vorschlag zu erarbeiten. Da diese Vorschrift im Strafgesetzbuch steht und dafür das Bundesjustizministerium zuständig ist, ist Justizministerin Barley jetzt gebeten worden, einen ersten Aufschlag zu machen. Der muss dann in der Bundesregierung abgestimmmt und diskutiert werden. Da - wie gesagt - die Haltungen sehr kontrovers waren, gehen wir davon aus, dass das ein schwieriger Abstimmungsprozess wird.

DOMRADIO.DE: Sie beraten ja auch Politiker als katholisches Büro. Was werden Sie raten? 

Jestaedt: Unsere Haltung ist ganz klar die, dass wir dafür plädieren, diesen Paragrafen im Strafgesetzbuch beizubehalten, weil wir ihn für eine wichtige Säule des Anfang der 90er Jahre mühsam zustande gekommenen Kompromisses über den Schwangerschaftsabbruch halten. Wir halten es außerdem für eine wirklich zweifelhafte Diskussion, bei 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr, jetzt darüber zu diskutieren, Werbung dafür freizugeben.

Was den Kompromiss damals anging: Da stand die Beratung der Schwangeren in Konfliktlagen im Mittelpunkt . Die Schwangeren müssen niedrigschwellig und unfassend beraten werden. Es muss ein flächendeckendes Angebot geben. Da halten wir es schlicht für einen Widerspruch, auf der anderen Seite Werbung für Abtreibung zuzulassen. Auf der einen Seite staatlich regulierte Beratung, auf der anderen Seite unregulierte Information, vermischt mit wirtschaftlichen Interessen.

DOMRADIO.DE: Es wird vom Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche gesprochen. Geht es dabei um Werbung oder um Information? Es steht ja nicht auf irgendeiner Internetseite: Bei mir gibt es die tollsten Schwangerschaftsabbrüche.

Jestaedt: Nein, das gibt es Gott sei Dank in Deutschland bisher nicht. Aber wir müssen sehen, dass Werbung und Information keine Gegensätze sind. Das wird oft übersehen. Der Paragraf 219a versteht unter Werbung die öffentliche Information über Schwangerschaftsabbrüche, aber nur durch denjenigen, der damit sein Einkommen oder einen Teil seines Einkommens erzielt; also Ärzte, die selber Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sinn dieser Vorschrift ist, einer Tendenz entgegenzuwirken, Schwangerschaftsabbrüche wie eine normale ärztliche Dienstleistung aussehen zu lassen. Das ist ein Gebot, das das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber mitgegeben hat. Und deswegen ist es dann auch egal, ob die öffentliche Information eher werbenden Charakter hat oder eher objektiv daherkommt. 

DOMRADIO.DE: Jetzt ist ja ein häufig vorgebrachtes Argument: Wenn die Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollen, nicht in Deutschland Hilfe finden, gehen sie ins Ausland und gehen damit unter Umständen gesundheitliche Risiken ein. Wie ist es darum bestellt? 

Jestaedt: Das ist wirklich in Deutschland kein Problem. Wir hören im Gegenteil immer wieder, dass Frauen aus dem Ausland nach Deutschland kommen, um Abtreibungen hier durchführen zu lassen. Die Beratung ist ja Voraussetzung dafür, dass der Schwangerschaftsabbruch bei uns straffrei ist. Das heißt, sie ist verpflichtend - alle Frauen müssen zur Beratung. Wir haben ein flächendeckendes Angebot, auch durch ganz unterschiedliche Träger. So dass Frauen sich auch unterschiedliche Beratungsstellen aussuchen können. Das ist nicht das Problem.

Es wird jetzt darum gestritten, ob Frauen an die Information kommen: Welcher Arzt macht denn eine Abtreibung? Aus den Beratungsstellen hören wir, dass man dort oft diese Information bekommt, aber es scheint nicht flächendeckend zu sein, dass alle Beratungsstellen Listen mit Ärzten haben, die Abtreibungen durchführen.Wir würden dafür plädieren, sich das anzuschauen. Wenn es dort ein Informationsdefizit gäbe, dann sollte es in diesen geschützten Raum der Beratung behoben werden, unserer Ansicht nach. Aber die Lösung kann unseres Erachtens nicht im Internet und in der Werbung liegen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt. 


Quelle:
DR
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