Im Koalitionsstreit über eine Abschaffung des Werbeverbots bei Abtreibungen will die neue Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich in die Pflicht nehmen. Der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte Barley: "Ich nehme die Kanzlerin da beim Wort."
Merkel habe vor der SPD-Fraktion "klipp und klar eine Lösung versprochen", die im Interesse der Frauen und der Ärzte sein werde.
"Information ist keine Werbung"
Barley strebt nach eigener Aussage eine rechtliche Regelung an, bei der eine Verurteilung wie im Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel nicht mehr stattfinden könne. Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel im November 2017 zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte.
"Information ist keine Werbung", betonte die Justizministerin, die einen Kompromissvorschlag zu dem zwischen CDU, CSU und SPD umstrittenen Thema vorlegen soll. Kritik von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), es würde vergessen, dass es um den Schutz ungeborenen Lebens gehe, wies Barley zurück. Dies sei "die Diskussion um den Paragrafen 218. Die Frage ist geklärt."
Einknicken vor der Union?
Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert warf seiner Partei in dem Konflikt ein "Einknicken" vor der Union vor. Er habe große Zweifel, dass der angekündigte gemeinsame Vorschlag der Bundesregierung fortschrittlich sein werde, sagte Kühnert der "Rheinischen Post" am Mittwoch. Der Paragraf 219a müsse geändert werden, weil es nicht um Werbung der Ärzte gehe, sondern um Information für Frauen.
Der Juso-Chef kritisierte, dass die SPD das Thema mit einer "dünnen Erklärung" zurückgestellt habe und nicht wie ursprünglich geplant eine Mehrheit im Bundestag ohne die Union anstrebe. Er forderte die Aufhebung der Fraktionsdisziplin bei der Abstimmung im Bundestag.
"Mit der Union keine Änderung"
Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, sagte der Zeitung dagegen, CDU und CSU seien überzeugt, dass das Werben für einen Schwangerschaftsabbruch weiterhin verboten bleiben müsse. "Es wird mit der Union keine Änderung des Paragrafen 219a geben", erklärte Ziemiak.
Der Strafrechtsparagraf 219a verbietet die Werbung für Abtreibungen aus wirtschaftlichem Eigeninteresse oder "in grob anstößiger Weise". Eine Verurteilung der Gießener Ärztin Hänel aufgrund dieses Paragrafen hatte eine bundesweite Debatte ausgelöst.
In der vergangenen Woche zog die SPD-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Werbeverbots aus Rücksicht auf den Koalitionspartner Union zurück und sorgte damit für Unmut auch in den eigenen Reihen. Vor der Bildung der neuen Regierung hatten sich SPD, Linke und Grüne dafür ausgesprochen, den Passus zu streichen.