Wer wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl durch Nigerias Hauptstadt Abuja fährt, dem springt auf Plakaten von Präsident Muhammadu Buhari und dessen Vize Yemi Osinbajo ein Wort ins Auge: "Pastor". Der 61-jährige Osinbajo ist nicht nur Jurist und Politiker, sondern auch Pastor der Pfingstkirche Redeemed Christian Church of God.
Die Glaubensgemeinschaft wurde 1952 gegründet und ist mit mehreren Millionen Mitgliedern eine der größten im Land. Unverhohlen mischt sie sich ins aktuelle Wahlkampfgeschehen ein und wirbt für die Regierungspartei All Progressives Congress (APC). Andere Religionsvertreter agieren ähnlich und versuchen, das politische Geschehen unmittelbar zu beeinflussen. "Religion macht einen großen Teil unseres Lebens aus. Deshalb sind Politik und Religion stark verbunden", sagt Kardinal John Onaiyekan, Erzbischof von Abuja.
"Christlich-muslimisches Ticket"
In Nigeria tritt der Präsidentschaftskandidat ähnlich wie in den USA gemeinsam mit einem Stellvertreter an. In vielen Parteien gilt die Regel: Ist der Spitzenkandidat Moslem, sollte der Stellvertreter Christ sein und umgekehrt. Religionswissenschaftler Jacob Kehinde von der Universität Ibadan spricht in diesem Zusammenhang von einem "christlich-muslimischen Ticket".
Das soll Ausgewogenheit schaffen. Bemerkenswert bei dieser Wahl ist jedoch: Mit Buhari und Atiku Abubakar von der People's Democratic Party (PDP) sind beide Spitzenkandidaten der großen Parteien Muslime. Anders als in früheren Wahlkämpfen wird deshalb nicht für einen christlichen oder einen muslimischen Präsidenten geworben.
Ein polarisierendes Thema bleibt die Religion in dem Land mit mehr als 190 Millionen Einwohnern dennoch. Laut Schätzungen leben etwa gleich viele Muslime und Christen in Nigeria. Offizielle Zahlen werden jedoch nicht erhoben, damit keine Gruppe eine Vormachtstellung einfordern kann. Dennoch fühlen sich Christen wie Muslime oft in der Mehrheit. Auch sind die beiden Gruppen ein entscheidendes Wählerpotenzial.
Soziale Netzwerke sind voll von obskuren Prophezeiungen
Deshalb ist es für Politiker üblich, vor den Wahlen Kirchen und Moscheen aufzusuchen und dort für sich zu werben. Nuru Khalid, Hauptimam der Apo Legislative Quarters Mosque in Abuja, hält dieses Vorgehen für sinnvoll: "Es kann helfen, mehr von den Kandidaten zu erfahren." Problematisch sei jedoch, wenn Wähler bedrängt würden oder Religionsführer Geld erhielten, um im Sinne eines bestimmten Politikers zu predigen.
Ngozi Iwere, Direktorin der nichtstaatlichen Organisation Community Life Project (CLP), hat wegen dieser Problematik gemeinsam mit anderen Partnern landesweit 7.400 Imame und Pastoren schulen lassen. Statt Partei für einen Kandidaten zu ergreifen, sollen sie sich für friedliche Wahlen einsetzen und Gerüchte eindämmen, so die Zielsetzung.
Vor allem Soziale Netzwerke und Online-Medien sind derzeit voll von obskuren Prophezeiungen und "Fake News". "Nigeria ist aktuell sehr gespalten entlang religiöser und ethnischer Linien. Deshalb können wir den Politikern nicht das Feld überlassen", sagt Iwere.
Regierungsgegner und Demonstranten wurden erschossen
Doch nicht immer bleibt es bei friedlichen Auseinandersetzungen. In Abuja demonstriert die Islamische Bewegung Nigerias (IMN), eine schiitische Gruppierung des Predigers Ibrahim Zakzaky, wöchentlich gegen Buharis Regierung. "Seit dem Massaker in Zaria vor mehr als drei Jahren protestieren wir", sagt Abdullahi Mohammed Musa, einer der Organisatoren.
Im Dezember 2015 wurden 350 IMN-Anhänger von Soldaten erschossen. Amnesty International übte damals deutliche Kritik. Von Staatsseite hieß es, IMN sei eine Bedrohung. Die Organisation will einen Staat nach Vorbild der iranischen Revolution errichten. Zakzaky sitzt im Gefängnis. Einen Prozess gab es bisher nicht.
Von Katrin Gänsler