Politik macht sich auf schwierigen Weg zu höheren Pflege-Löhnen

Drei Minister demonstrieren Einigkeit

Die Pflege gehört zu den drängendsten gesellschaftlichen Problemen. Fast ein Jahr lang diskutierten Politik und wichtige Akteure über Lösungen. Nun liegen zwar Ergebnisse vor. Doch viel bleibt weiter offen.

Autor/in:
Alexander Riedel
Symbolbild Altenpflege (shutterstock)

Betont geschlossen treten gleich drei Mitglieder der Bundesregierung vor die Kameras, um ihre Ergebnisse zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne in der Pflege vorzustellen. Nicht von ungefähr wollen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) am Dienstag in Berlin Einigkeit demonstrieren, gab es zuletzt doch oft Streit zwischen Union und SPD um vermeintlich gemeinsame Projekte.

Nun also der Abschluss der "Konzertierten Aktion Pflege", die die drei Minister vor knapp einem Jahr mit viel Symbolik gestartet hatten. Gemeinsam mit den wichtigsten Akteuren der Branche wollten sie erarbeiten, wie die Situation der Pflegekräfte verbessert werden kann. Wichtigstes Ergebnis: Die Löhne sollen steigen. Nur so lasse sich mehr Personal gewinnen, sagte Heil. Man wolle verlorenes Vertrauen der Beschäftigten zurückgewinnen, sekundierte Spahn.

Noch keine Einigkeit

Allerdings herrscht beim Weg dorthin noch keine Einigkeit. Die Arbeitgeberlandschaft in der Pflege ist zersplittert: Kommunen zählen ebenso dazu wie kleine private und große börsennotierte Unternehmen oder die Wohlfahrtsverbände und die Kirchen mit ihrem eigenständigen Arbeitsrecht.

Aus Sicht von Heil ist der Königsweg dennoch ein allgemeiner Tarifvertrag. Denn nur 20 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege arbeiteten derzeit tarifgebunden. Noch vor der Sommerpause will der Arbeitsminister ein Gesetz auf den Weg bringen, das zum 1. Januar 2020 in Kraft treten und erleichtern soll, einen Tarifvertrag für bundesweit allgemeinverbindlich zu erklären.

Aushandeln müsste diesen Vertrag allerdings ein neuer Arbeitgeberverband, der sich noch in Gründung befindet. Die von Anbietern aus dem eher linken und gewerkschaftsnahen Spektrum getragene Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) könnte mit der Gewerkschaft Verdi einen Tarifvertrag schließen, den Heil dann auf die Branche erstrecken würde. Kein Anbieter in Deutschland dürfte mehr geringere Löhne zahlen.

Die privaten Arbeitgeber lehnen diesen Weg jedoch kategorisch ab. Sie verweisen auf bereits stark steigende Löhne in der Branche und behalten sich rechtliche Schritte vor. Die kirchlichen Träger stellen sich dagegen hinter das Tarifvorhaben, auch weil sie ihre Eigenständigkeit gewahrt sehen.

Einen zweiten Weg beschreiten

Da die Erfolgsaussichten unsicher sind, will die Regierung parallel einen zweiten Weg beschreiten: Der Mindestlohn in der Pflege würde angehoben und so ausgestaltet, dass neben Hilfskräften auch Fachkräfte profitieren würden. Nebenbei soll die gleiche Bezahlung in Ost und West erreicht werden.

Größter Knackpunkt dürfte aber sein, dass die drei Minister noch keine konkreten Aussagen dazu machen, wie die höheren Löhne und weitere Verbesserungen finanziert werden sollen. Allein ein allgemeiner Tarif könnte Studien zufolge bis zu fünf Milliarden Euro im Jahr kosten. Spahn sprach nur von einem "fairen Ausgleich", der zu erreichen sei. Infrage kämen Pflegeanbieter, Pflegeversicherung, Steuermittel sowie Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Wobei letztere nicht übermäßig belastet werden sollen, wie die Minister betonten.

Sozialverbände fordern indes bereits eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Kritikern gehen die beschlossenen Schritte angesichts des Fachkräftemangels und steigender Pflegebedürftigkeit eh nicht weit genug.

Dabei hat sich die "Konzertierte Aktion Pflege" auf einiges weitere verständigt: In der Pflege sollen neue Personalschlüssel erarbeitet werden. Die Zahl der Auszubildenden und die der Ausbildungsstätten soll bis 2023 um jeweils zehn Prozent steigen, zudem die Digitalisierung vorangetrieben werden. Und die Bundesregierung will sich darum bemühen, dass Fachkräfte aus dem Ausland leichter nach Deutschland kommen können - Stichworte sind beschleunigte Visaverfahren und Anerkennung der Qualifikation.

"Jetzt geht es an die Umsetzung", bekräftigte Spahn. Wobei er wiederum den Zusammenhalt mit seinen Ministerkollegen betonte. Kein Wunder: Glaubt man vielen politischen Beobachtern, läuft der wankenden großen Koalition womöglich die Zeit davon.


Quelle:
KNA
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