Das Bundesverfassungsgericht hat die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie der Verwaltungsgerichte bestätigt, einen als Asylgrund angegebenen Übertritt zum christlichen Glauben kritisch zu hinterfragen. Zugleich setzte Karlsruhe aber enge Grenzen für eine gerichtliche Prüfung.
Die Behörde und die Gerichte dürften keine formalen oder inhaltlichen "Glaubensprüfungen" vornehmen, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Verfassungsgerichts. Denn die Gerichte seien nur berechtigt zu prüfen, ob die Ausübung des christlichen Glaubens für die religiöse Identität des Betroffenen zentrale Bedeutung habe und somit der Asylgrund einer Verfolgung aus religiösen Gründen berechtigt sei.
"Diese fachgerichtliche Prüfung verletzt weder das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen oder Religionsgemeinschaften noch die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen", so die Verfassungsrichter.
Konversion darf nicht in Frage gestellt werden
Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde eines Iraners gegen die Ablehnung seines Asylantrags in Deutschland nahm die Kammer nicht zur Entscheidung an. Der Mann war 2010 nach Deutschland gekommen und hatte 2011 in Baden-Württemberg einen Asylantrag gestellt. Er verwies auf politische Verfolgung im Iran. Nachdem das Bamf seinen Asylantrag ablehnte, klagte er dagegen vor dem Verwaltungsgericht und trug ergänzend vor, dass er 2013 in Deutschland evangelisch getauft wurde.
Bei einer Abschiebung in den Iran drohe ihm daher auch Verfolgung aus religiösen Gründen.
Ein Verwaltungsgericht erkannte die Konversion zum Christentum zunächst als Asylgrund an; der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof änderte 2015 aber die Entscheidung und wies die Klage des Mannes ab. Dem Iraner drohe bei einer Rückkehr keine Verfolgung aus religiösen Gründen. Auch eine Klage auf Zulassung der
Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht scheiterte, sodass sich der Mann nach Karlsruhe wandte.
Kirchenmitgliedschaft ist Sache der Kirchen
Die Verfassungsrichter stellten nun klar, dass das Bamf und die Verwaltungsgerichte keineswegs die Gültigkeit eines Glaubenswechsels in Frage stellen dürfen. Die Kirchenmitgliedschaft zu regeln, sei Sache der Kirchen. Auch dürfe der Staat keine inhaltliche Glaubensprüfung vornehmen. Das Bamf und die Verwaltungsgerichte dürften aber dennoch prüfen, ob und welche "Aspekte einer Glaubensüberzeugung oder Glaubensbetätigung in einer die Furcht vor Verfolgung begründenden Intensität für die religiöse Identität des individuellen Schutzsuchenden prägend sind oder nicht".
Nach Angaben eines Gerichtssprechers gab es in Karlsruhe noch vier weitere, ähnliche Verfassungsbeschwerden von Iranern, die ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen wurden. Eine ausführliche Begründung gab es nur in dem einen Fall.