Ist eine Online-Beichte in der Krise möglich?

Wenn der Priester nicht "greifbar" ist

In Corona-Zeiten sollen Kontakte vermieden werden. Kann man dann nicht auch kontatklos beichten? Seelsorge am Telefon sei kein Problem, meint der Theologieprofessor Alexander Saberschinsky. Voll gültig beichten, gehe jedoch nicht.

Geht das - beichten am Telefon? / © Liderina (shutterstock)
Geht das - beichten am Telefon? / © Liderina ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Mal abgesehen von Corona, wann ist eine Beichte eigentlich gültig? Und ist die Sünde dann weg oder nur die Strafe, die man dafür bekommen würde? 

Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti (DR)
Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti ( DR )

Prof. Alexander Saberschinsky (Theologieprofessor und Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln): Damit eine Beichte gültig ist, müssen gewisse Kernpunkte erfüllt sein.

Abgesehen davon, dass ein Priester anwesend sein muss und natürlich jemand, der beichtet, gibt es vier Elemente: Zur Beichte gehört zum einen, dass man seine Sünden wirklich bereut. Also es gibt keinen Automatismus à la "Ich kann ja beichten und nächste Woche mache ich es wieder". Man muss wirklich bereuen, die Sünden bekennen. Bei kleineren Sachen bekommt man als Wiedergutmachung Gebete aufgetragen. Und dann natürlich, ganz wichig, die Lossprechung durch den Priester.

DOMRADIO.DE: Es gibt ja nicht nur den klassischen Beichtstuhl, sondern auch Beichtgespräche. Welche digitalen Formen haben sich da in der Corona-Zeit entwickelt?

Saberschinsky: Da konnte man schon als Normalsterblicher über die Medien einiges mitbekommen. Ich habe zum Beispiel aufgeschnappt, dass eine Initiative in Frankreich eine richtige "Beicht-Hotline" übers Telefon eingerichtet hat. Allerdings hat da die Französische Bischofskonferenz gesagt: So geht es nicht. Auch wir im Erzbistum Köln haben vereinzelt Anfragen bekommen, ob man denn nicht übers Telefon beichten könne. Das geht eben leider nicht.

Nicht etwa, weil die Kirche altmodisch ist oder weil sie umständlich ist und nicht auf die aktuellen Herausforderungen reagieren kann, sondern weil die Beichte im Grunde genommen ein kleiner Gottesdienst ist. Jedes Sakrament - bei der Eucharistie wird dies natürlich am deutlichsten - ist eine gottesdienstliche Feier.

Zugegeben, bei der Beichte ist das äußerlich etwas reduziert, vor allen Dingen, wenn da nur zwei zusammen sind. Aber auch die Feier hat bestimmte gottesdienstlichen Elemente. Dazu gehört einfach, dass Menschen zusammenkommen und sich begegnen. Und vor allen Dingen: In der Beichte spricht mir Christus sein Heil in Form der Sündenvergebung durch den Priester persönlich zu. Es geht hier auch um diese Begegnung mit Christus, und das wird schwierig per Telefon.

DOMRADIO.DE: Also, die Beichte voll gültig abzulegen, das funktioniert nicht online. Sie haben aber gesagt, das Beichtgespräch ist digital möglich...

Saberschinsky: Ja, ich würde es aber nicht Beichtgespräch nennen. Die Beichte hat ja ganz viele Aspekte, die im Laufe von mehreren Jahrhunderten zusammengewachsen sind. Das eine ist die Frage der Sündenvergebung, das andere ist, dass es kein Mechanismus sein soll.

Es ist ja kein reiner Rechtsakt, den wir da setzen. Einen Rechtsbescheid könnte ich auch per Telefon zustellen. Gerichte bestellen ihre Bescheide auch teilweise per Post zu. Hier geht es um mehr. Es geht um das, was man in der klassischen Tradition als "Seelenführung" beschreibt, also ein seelsorgerliches Gespräch. Das sollte bei der Beichte mit dabei sein. Das kann ich natürlich telefonisch führen oder per Videokonferenz. Allerdings ist es dann keine Beichte, denn für die Lossprechung muss man sich begegnen. 

Um es anschaulich zu machen: Niemand würde sagen, per Telefon taufen zu können, weil zur Formel "Ich taufe dich im Namen des Vaters undsoweiter" das Übergießen mit Wasser gehört. Niemand würde sagen, per Telefon eine Messe feiern zu können, weil man darüber nicht Brot und Wein empfangen kann. Dass ist ja die Schwierigkeit bei den gestreamten Gottesdiensten, dass gerade die Menschen, die übers Internet zugeschaut haben, Leib und Blut Christi empfangen konnten.

So gehört auch zur Beichte dieses konkrete Zeichen, dass der Priester die Hand über mich ausstreckt und mir nach einem Gebet die Sünden vergibt. Und das geht telefonisch oder virtuell nicht so leicht. Was aber geht, ist auf jeden Fall die seelsorgerliche Betreuung. 

DOMRADIO.DE: Und was raten Sie für ein Seelsorgegespräch am Telefon?

Saberschinsky: Das Gespräch selber kann nach den gleichen Prinzipien verlaufen wie die Beichte. Man bereitet sich auf das Gespräch vor. Ich habe ja einen gewissen Leidensdruck, wenn ich das Gespräch suche. Und dass man dann den Fragestellungen im Sinne der "Seelenführung" - der Begriff kommt übrigens aus dem klösterlichen Bereich, wo die Mönche beim Abt gebeichtet haben - nachgeht.

Da haben wir auf Seiten des Erzbistums immer, selbst in der Hochzeit von Corona, darauf hingewiesen: Wir stellen nicht die Seelsorge ein. Seelsorgerliche Gespräche sollen auf jeden Fall stattfinden.

Da konnte auch kein Priester sagen - es sei denn, er hatte eine Vorgeschichte oder eine Vorerkrankung -, das ist mir im Augenblick zu heiß, ich betreibe keine Seelsorge, ich möchte keinem begegnen.

Und es gab viele Menschen - man wundert sich, weil es immer heißt, die Beichte sei am Aussterben - die gesagt haben: Ich brauche die Beichte, wie kann das konkret gehen? Wir haben das gründlich abgecheckt.

Wenn man die Hygienevorschriften wie Mindestabstand, Desinfektion, gegebenenfalls Mund-Nase-Schutz einhält, dann ist auch ein Gespräch zu zweit möglich. Vielleicht nicht im Beichtstuhl, das ist ein bisschen eng, aber im Beichtzimmer - diese Tradition haben wir schon lange. Eigentlich kann man überall beichten.

Das Interview führte Katharina Geiger. 

Beichte

In der katholischen Kirche ist die Beichte Ausdruck der Umkehr des schuldig gewordenen Menschen. Im Rahmen des Bußsakraments wird der Gläubige durch einen Priester von seinen Sünden losgesprochen. Voraussetzung für die Vergebung ist erkennbare Reue, das Bekenntnis der eigenen Schuld sowie der Vorsatz, das Verhalten zu ändern und entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Der Beichtvater ist durch das Beichtgeheimnis zu unbedingtem Stillschweigen über das Erfahrene verpflichtet. Die Verletzung des Beichtgeheimnisses wird mit schweren Kirchenstrafen geahndet.

Papst nimmt die Beichte ab (KNA)
Papst nimmt die Beichte ab / ( KNA )
Quelle:
DR
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