Die Menschen im Sudan leiden unter Überschwemmungen und Hunger

Helfer schlagen Alarm

Seit dem Sturz von Omar al-Baschir taucht der Sudan eher selten in den Schlagzeilen auf. Dabei gibt es durchaus Hoffnung auf eine Wende in dem Land. Doch immer wieder schieben sich humanitäre Krisen in den Vordergrund.

Autor/in:
Joachim Heinz
Eine alte Frau betet in einer Kirche im Südsudan / © Miguel Juarez Lugo (dpa)
Eine alte Frau betet in einer Kirche im Südsudan / © Miguel Juarez Lugo ( dpa )

Die Welt hat Shagarab vergessen. Seit den 80er Jahren gibt es das Flüchtlingslager im Osten des Sudan. Damit ist es eines der ältesten seiner Art. Derzeit leben in Shagarab rund 70.000 Menschen, die meist aus dem benachbarten Eritrea stammen. Zur nächsten Asphaltpiste braucht ein Geländewagen etwa zwei Stunden, berichtet Welthungerhilfe-Projektleiterin Nora Nebelung. "In der Regenzeit ist das Camp allerdings wochenlang oft gar nicht erreichbar."

Normalerweise dauert die Saison in diesem Teil des Sudan von Anfang Juli bis Ende August. Jetzt ist schon Mitte September. Und immer noch sind die Niederschlagsmengen enorm, zumindest in einigen Regionen. Im ganzen Land stehen rund 650.000 Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz. Äcker und Weideflächen sind überflutet. Das wenige Hab und Gut kann ein einziger Starkregen fortspülen. Von einer äußerst angespannten humanitären Lage spricht Welthungerhilfe-Landesdirektor Michael Gabriel. Durch die Überschwemmungen breiteten sich bereits Krankheiten wie Malaria oder das Chikungunya-Fieber aus.

Der Sudan im Nordosten Afrikas ist ein Land der Extreme. Das betrifft zuallererst Klima und Landschaft: von der staubtrockenen Sahara-Wüste über die fruchtbaren Ackerböden am Nil, vom bis zu mehr als 3.000 Meter hohen Marra-Plateau bis hin zur Hafenmetropole Port Sudan am Roten Meer. Extrem ist aber auch die politische und wirtschaftliche Entwicklung des drittgrößten afrikanischen Staates.

Der ehemalige sudanesische Präsident Omar al-Bashir / © Burhan Ozbilici (dpa)
Der ehemalige sudanesische Präsident Omar al-Bashir / © Burhan Ozbilici ( dpa )

Jahrelange Kriege und Krisen haben den Sudan in ein Trümmerfeld verwandelt. Von 1989 bis 2019 war Omar al-Baschir an der Macht. 2003 brach in der Region Darfur ein Konflikt aus, nachdem die dortige Bevölkerung mehr Mitsprache und wirtschaftliche Unterstützung von der Zentralregierung eingefordert hatte. Al-Baschir antwortete mit äußerster Brutalität; unter seiner Verantwortung sollen mehr als 300.000 Menschen gestorben sein.

Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag erließ 2009 Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - erstmals gegen einen amtierenden Staatschef.

Nach dem Sturz al-Baschirs einigten sich oppositionelle Gruppen und das Militär auf eine Übergangsregierung. Die Ankündigung, al-Baschir an den ICC zu überstellen, oder die unlängst beschlossene Trennung von Staat und Religion in dem mehrheitlich islamischen Sudan, löst unter Beobachtern vorsichtigen Optimismus aus.

Eine schwere Hypothek bleiben nach den Worten des Entwicklungsexperten Ahmed Gamal Eldin die mehr als zwei Millionen Binnenvertriebenen, die ihre Heimat wegen Krieg, Hunger und Armut verlassen haben; oder weil die Behörden ihre Umsiedlung anordneten, um "nationale Entwicklungsprojekte" wie den Bau von Dämmen oder die Erschließung von Erdölvorräten voranzutreiben.

Vertreibung und Gewalt, so bilanziert Eldin, gehören seit Jahrhunderten zu den Grunderfahrungen der Bevölkerung, egal ob durch Machthaber aus den eigenen Reihen, Sklavenrazzien oder militärischen Strafexpeditionen während der anglo-ägyptischen Herrschaft (1898-1956).

Wirtschaftskrise und Nahrungsknappheit

Heute leidet jeder vierte Sudanese unter Nahrungsmittelknappheit, sagt Welthungerhilfe-Landesdirektor Gabriel. Eine Wirtschaftskrise treibe zudem die Preise für Lebensmittel in die Höhe. Neben Nothilfe brauche es mittel- und langfristig wirksame Maßnahmen, um die Lage wenigstens etwas zu stabilisieren. 

Das hochverschuldete Land, so Gabriel, brauche dringend finanzielle Hilfe zum Beispiel vom Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank, um die eigene Wirtschaft wieder aufbauen zu können. Dafür müssten immer noch bestehende Sanktionen aufgehoben werden.

Im Lager Shagarab geht es unterdessen um einfachste Dinge wie die Reparatur und den Ausbau einer funktionierenden Trinkwasserleitung. Der für die Verteilung bislang genutzte Generator fiel aus, als die die Schleusen eines übervollen Staudamms oberhalb des Lagers geöffnet werden mussten, wie Nora Nebelung berichtet. Das Wasser fließt kaum ab; ein ideales Brutgebiet für Mücken, die etwa das Dengue-Fieber übertragen können. Die Welt wird vermutlich auch von diesem Vorfall kaum Notiz nehmen.

Sudan

Sudanesische Flagge / © BUTENKOV ALEKSEI (shutterstock)
Sudanesische Flagge / © BUTENKOV ALEKSEI ( shutterstock )

Der Sudan ist mit einer Fläche von 1,8 Millionen Quadratkilometern nach Algerien und dem Kongo der drittgrößte Staat Afrikas. Die Bevölkerungszahl wird nach jüngsten Schätzungen auf etwa 45,5 Millionen Menschen beziffert. Politisch instabile Verhältnisse, massive wirtschaftliche Probleme und eine unsichere Ernährungslage schlagen sich unter anderem im Entwicklungsindex HDI nieder: Dort steht der Sudan auf Platz 168 von 189 Nationen.

Quelle:
KNA