Eine Einordnung zur Irak-Reise des Papstes

"Ein wichtiger Brückenschlag"

Papst Franziskus ist als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche in den Irak gereist. Matthias Kopp, DBK-Pressesprecher und Nahostexperte, erklärt, was die Reise für die Christen vor Ort und den Dialog zwischen den Religionen bedeutet.

Papst Franziskus auf dem Hosh al-Bieaa Kirchenplatz zwischen von Granaten zerstörten Gebäuden / © Andrew Medichini/AP (dpa)
Papst Franziskus auf dem Hosh al-Bieaa Kirchenplatz zwischen von Granaten zerstörten Gebäuden / © Andrew Medichini/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Papst beendet heute seine Reise in den Irak. Seit Freitag war er da. Was hat der Besuch im Nachhinein bewirkt?

Matthias Kopp (Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz und Nahostexperte): Ich glaube, es ist eine Stärkung des Landes in der internationalen Wahrnehmung, denn seit Jahren fährt ja kein Staatschef, kein politischer Führer aus Sicherheitsgründen in dieses Land. Der Papst ist da hingefahren. Er hat es so geschafft, den Irak drei Tage in den Fokus der Weltöffentlichkeit zu stellen.

DOMRADIO.DE: Was stand heute am letzten Tag der Reise auf dem Plan?

Kopp: Er ist heute Morgen nach Erbil geflogen in die autonome Provinz Kurdistan. Dort hat er die beiden wichtigen Städte Mossul und Karakosch besucht. Dann feiert er die große Messe im Hariri-Stadion in Erbil, um heute Abend dann nach Bagdad zurückzufliegen. Morgen früh geht es dann nach Rom zurück. Also stand vor allen Dingen heute die Stärkung der christlichen Gemeinschaft im Norden des Irak im Mittelpunkt, die ja vieles durch- und erleiden mussten durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

DOMRADIO.DE: Ein Punkt war der also der Besuch der Gemeinde von Karakosch, wo viele Christen leben. Dort wurde der Papst auch über Jahre hinweg erwartet. Die Leute haben sich besonders auf ihn gefreut. Wie wurde er dort empfangen? Wie war der Besuch?

Kopp: Viele Menschen waren auf der Straße. Das konnte man zumindest an den Bildern sehen. Man hatte sofort den Eindruck, dass Corona dort nicht vorkommt, was die Abstände angeht. Es war schon ein Besuch auf Tuchfühlung. Der Papst hat den Wagen immer wieder anhalten lassen. Kleine Kinder wurden in die Limousine rein gereicht zum Segnen.

Es waren beeindruckende Bilder, aber auch ein beeindruckendes Gebet, das er in der Kathedrale von Karakosch durchgeführt hat. Ich selbst kenne die Kathedrale noch von einem Besuch vor einem Jahr: Sie war völlig verbrannt, ausgerußt und verraucht, – man hat sie gut restauriert. Die Spuren des IS hat der Papst in den Straßen schon noch gesehen, weil vor allen Dingen in Mossul, wo er vorher war, viele Häuser noch zerstört sind.

DOMRADIO.DE: Eben dann die abschließende Messe in Erbil. Was hat der Papst da gesagt?

Kopp: Es geht ihm am ganzen heutigen Tag darum, deutlich zu machen: Die Christen sind fester Bestandteil in der Zivilgesellschaft dieses Landes. Und Frieden kann es nur geben, wenn Christen und Muslime Hand in Hand dieses Land wieder aufbauen. Es ist ganz viel von Hoffnung zu spüren. Der Papst stand heute Morgen vor den unglaublichen Trümmerbergen in Mossul – das waren schon tolle Bilder. Der Papst hat dafür geworben, dass man mit Respekt und Toleranz, mit Bescheidenheit und Demut einen Weg für dieses Land in die Zukunft gehen kann. Bei der Messe in Erbil war sicherlich auch deutlich, dass er ein hörender Papst ist, denn diese Reise ist doch stark davon geprägt, dass viele Frauen und Männer Zeugnisse von dem geben, was sie erlebt haben. Der Papst hört zu. Und dann antwortet er darauf. Und seine Antwort heißt: Gebt die Hoffnung nicht auf.

DOMRADIO.DE: Wichtig bei der Reise war ja auch der Dialog zwischen Papst Franziskus und den wenigen Christen im Land, aber auch der überwiegend muslimischen Bevölkerung. Wie wurde das konkret umgesetzt?

Kopp: Der Höhepunkt war sicherlich der Besuch am Samstagmorgen beim Großajatollah al-Sistani in Nadschaf. Er ist eine Persönlichkeit und die moralische schiitische Autorität im Irak. Er trifft nur wenige Staatsoberhäupter oder religiöse Führer in seiner bescheidenen Wohnung in Nadschaf, aber er hat den Papst treffen wollen. Das ist sicherlich ein wichtiger Brückenschlag gewesen zum schiitischen Islam. Den Brückenschlag zum sunnitischen Islam gibt es schon.

Wenn man sich dann die Bilder heute in Karakosch und Mossul und auch Erbil anschaut, dann sind immer die Vertreter der verschiedenen muslimischen Gemeinschaften mit bei den großen Gebeten und den Messen dabei. Das ist schon ein starkes Zeichen, dass Toleranz irgendwie nun doch gelebt in einem Land, das bis zum Sturz von Saddam Hussein in einer starken Koexistenz gelebt hat, die danach aufgelöst wurde – durch den IS vor allem. Da kehrt der Irak zu seinen guten alten Wurzeln zurück, sich als gemeinsame Religionen in einem gemeinsamen Staat zu verstehen.

Das Interview führte Michelle Olion.


Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Papst Franziskus unterhält sich mit dem Großajatollah Ali al-Sistani / © Vatican Media/AP (dpa)
Papst Franziskus unterhält sich mit dem Großajatollah Ali al-Sistani / © Vatican Media/AP ( dpa )

Papst Franziskus (2.v.r) unterhält sich mit dem Großajatollah Ali al-Sistani (l) und weiteren christlichen Priestern (dpa)
Papst Franziskus (2.v.r) unterhält sich mit dem Großajatollah Ali al-Sistani (l) und weiteren christlichen Priestern / ( dpa )

Papst Franziskus in Karakosch / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Papst Franziskus in Karakosch / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

Luftaufnahme des Franso-Hariri-Stadions (dpa)
Luftaufnahme des Franso-Hariri-Stadions / ( dpa )

Eine restaurierte Statue der Jungfrau Maria, die von Mitgliedern des Islamischen Staates stark beschädigt und geköpft wurde, steht im Franso-Hariri-Stadion (dpa)
Eine restaurierte Statue der Jungfrau Maria, die von Mitgliedern des Islamischen Staates stark beschädigt und geköpft wurde, steht im Franso-Hariri-Stadion / ( dpa )
Quelle:
DR
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