Wenn Bischöfe dem Papst ihren Amtsverzicht anbieten

Rücktritt aus gewissen(s-)Gründen

Wieder stehen personelle Konsequenzen zur Debatte, wenn es um die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche geht. Doch so einfach können Bischöfe nicht gehen oder sie haben mit weiteren Konsequenzen zu rechnen.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Pileolus und Birett eines Bischofs / © Cineberg (shutterstock)
Pileolus und Birett eines Bischofs / © Cineberg ( shutterstock )

Sie reißt nicht ab, die öffentliche Kritik an deutschen Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern. Erst durch die Veröffentlichung eines vom Erzbistum München und Freising in Auftrag gegebenen Gutachtens in der vergangenen Woche hat die Debatte um Konsequenzen aus dem Skandal um sexualisierte Gewalt wieder an Fahrt aufgenommen. Im Fokus der Kritik steht neben dem ehemaligen Papst Benedikt XVI. auch Reinhard Kardinal Marx, seit 2008 Erzbischof von München und Freising.

Im Hinblick auf Konsequenzen personeller Art ist in der Vergangenheit immer wieder der Rücktritt von Bischöfen gefordert worden. In Politik und freier Wirtschaft habe man bereits bei einem geringeren Maß an Fehlverhalten den Posten zu räumen, so die Argumentation. Doch ganz so schnell und einfach können Bischöfe ihren Posten nicht zur Verfügung stellen. Die Entscheidung dazu trifft laut Kirchenrecht immer der Papst, dem der Amtsverzicht bei Vollendung des 75. Lebensjahres ebenso anzubieten ist wie bei angegriffener Gesundheit oder einem anderen schweren Grund, der den betreffenden Bischof nicht mehr in der Lage sein lässt, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen.

Absetzungen nur in Härtefällen

So funktioniert der Rücktritt eines Bischofs

Ein Bischof der römisch-katholischen Kirche kann nicht selbst zurücktreten, laut Kirchenrecht kann er dem Papst aber seinen Amtsverzicht anbieten. Wenn das Gesuch vom Heiligen Vater angenommen wird, behält der Betreffende den Titel eines Bischofs, denn die Bischofsweihe als Sakrament gilt als unumkehrbar. Aus einem Diözesanbischof als Vorsteher eines Bistums wird aber ein Titularbischof.

Ein Pileolus: Kopfbedeckung eines Bischofs / © N.N. (KNA)
Ein Pileolus: Kopfbedeckung eines Bischofs / © N.N. ( KNA )

Vatikan-Kenner erzählen: Wenn der Papst schon vorher die Entscheidung getroffen hat, einen bestimmten Bischof aus seinem Amt zu entfernen, ist in der Vergangenheit meist so vorgegangen worden, dass dieser einen Anruf des Apostolischen Nuntius erhielt, der ihm mitteilte: "Der Heilige Vater wünscht, dass Sie ihm den Amtsverzicht anbieten." So konnte der Betreffende das Gesicht wahren und nach dem angenommenen Amtsverzicht noch den Titel "Emeritus" führen. Nur in besonderen Härtefällen kam und kommt es zu Absetzungen. Auch Papst Franziskus hat davon schon Gebrauch gemacht.

Doch kommt das Ansinnen eines Amtsverzichts nicht vom Papst selbst, sind die Amtsträger darauf angewiesen, dass dieser ihn auch annimmt. Das bekamen im vergangenen Jahr einige deutsche Bischöfe zu spüren, neben Kardinal Marx der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp. Alle hatten sie nach entsprechenden Vorwürfen, im Kampf gegen sexualisierte Gewalt in der Kirche versagt zu haben, Papst Franziskus ihren Amtsverzicht angeboten, der diesen jedoch in keinem Fall annahm, was in der deutschen Bevölkerung bei vielen auf Unverständnis stieß.

Benedikt XVI. erforschte sein Gewissen

Kardinal Marx schloss bereits vor Veröffentlichung des Münchener Gutachtens nicht aus, dem Papst ein weiteres Mal seinen Amtsverzicht anzubieten. Doch welche Gründe könnte er dieses Mal nennen? Als Papst Benedikt XVI. am Rosenmontag 2013 im Rahmen eines Konsistoriums seinen Rücktritt ankündigte, sagte er: "Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte in Folge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben." – Benedikt sah also die Voraussetzungen für einen Amtsverzicht als für sich gegeben, nachdem er sein Gewissen erforscht hatte.

Prof. P. Dr. Rudolf B. Hein O.Praem

"Wenn ein Bischof nach eingehender Prüfung sein eigenes Verbleiben im Amt nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, dann ist auch der Papst außerstande, ihn gegen den eigenen Gewissensentscheid zum Verbleiben zu nötigen."

Was also, wenn ein Bischof dem Papst seinen Amtsverzicht anbietet und sich dabei auf sein Gewissen beruft? Kann dann der Pontifex Maximus noch sagen "Du bleibst"? Das Gewissen hat in der Lehre der Kirche einen hohen Stellenwert und sollte sogar über der Gehorsamsverpflichtung stehen, meint Rudolf B. Hein, Professor für Moraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster: „Wenn ein Bischof nach eingehender Prüfung sein eigenes Verbleiben im Amt nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, dann ist auch der Papst außerstande, ihn gegen den eigenen Gewissensentscheid zum Verbleiben zu nötigen." Denn hier sei – nach guter katholischer Lehre – das Seelenheil des Betreffenden in Gefahr. Von daher dürfe es eigentlich keine Frage über den Gehorsam in dieser Sache geben, wenn zweifelsfrei feststeht, dass hier ein gut fundierter Gewissensentscheid zugrunde liegt.

Rücktritt ohne Angebot an den Papst

Doch ob sich die betreffenden Bischöfe in dieser Angelegenheit tatsächlich auf ihr Gewissen berufen, steht auf einem anderen Blatt. Ende vergangenen Jahres machte der Jesuit Klaus Mertes in einem Beitrag in der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" eine verfehlte Personalpolitik von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. für den Scherbenhaufen, vor dem die Kirche stehe, verantwortlich. Er glaube darüber hinaus nicht, dass Rücktritte von Bischöfen, "die durch öffentlichen Druck oder päpstlichen Befehl erzwungen werden", zur Erneuerung der Kirche beitrügen. Wirkung könnten Rücktritte nur entfalten, wenn sie aus dem eigenen Willen der zurücktretenden Personen kämen. Mertes warb dafür, dass die betreffenden Bischöfe selbst definitiv zurückzutreten und nicht erst dem Papst den Amtsverzicht anbieten.

Also einfach "die Brocken hinschmeißen" und dabei Götz von Berlichingen zitieren? Der römische Kirchenrechtler Stefan Mückl ist da skeptisch: "Rücktritt bedarf zur Wirksamkeit der Annahme durch die zuständige Autorität. Wer ohne oder gar gegen diese einfach hinschmeißt, begeht ein kanonisches Delikt, nämlich Ungehorsam und Verletzung der Amtspflichten." Natürlich ergebe es keinen Sinn, jemanden gegen seinen Willen in einem Amt zu halten, räumt der Kirchenrechtler ein. Daher würde auch der Papst den betreffenden Bischof wohl ziehen lassen. Doch würde das Vorgehen sicherlich mit entsprechenden Konsequenzen verbunden sein, warnt Mückl. "Als 'iusta poena' (gerechte Strafe) wäre z.B. an ein Verbot zu denken, die bischöflichen Insignien weiter zu tragen und – abgesehen von Fällen der Todesgefahr – bischöfliche Handlungen vorzunehmen." Für manchen Bischof wäre das eine wirkliche Strafe.

Quelle:
DR
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